Friedensfest als Mutmacher
Das Augsburger Friedensfest will „Mut“ machen. Der offizielle Start ist bereits am 14. Juli.
Von Frank Heindl
„Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“ – so zitierte das Augsburger Friedensfest im vergangenen Jahr ironisch den DDR-Parteichef Walter Ulbricht. Wenige Wochen später schloss die Bundesregierung die Grenzen zu Österreich, weil sie den Flüchtlingsströmen nun plötzlich doch Einhalt gebieten wollte. Für 2016 hat das Friedensbüro nun das Motto „Mut“ ausgegeben. Man kann nur hoffen, dass dessen Notwendigkeit nicht so schnell an Aktualität zunimmt, wie das beim 2015er-Motto der Fall war.
Einer der wichtigsten Fortschritte im Vergleich zum Friedensfest 2015 ist ein sehr praktischer, an dem sich andere städtische Großveranstaltungen ein Beispiel nehmen sollten: Das Programmheft ist vom Format A5 auf A6 geschrumpft und passt nun – endlich! – in jede Gesäßtasche. Inhaltlich wurde glücklicherweise nichts geschrumpft: Christine Lembert-Dobler präsentierte am Donnerstag ein umfangreiches Programm. Von im Ausland längst unter dem Begriff „German Angst“ bekannter deutscher Zögerlichkeit und Bedenkenträgerei spricht sie bei der Pressevorstellung – und davon, dass man den Mut nicht jenen überlassen dürfe, die das Thema negativ besetzten: Pegida und AfD gehe es darum, die Zivilcourage in die falsche Richtung zu drehen, während „Mut“ eigentlich eine „diskursive Form“ brauche und „im Alltag zur Kunstform“ werde sollte. Das Friedensfest propagiert daher Mut als den ersten, kleinen Schritt: „Einfach nur mehr, mehr nicht“, lautet der Untertitel – die Besucher der Friedensfest-Veranstaltungen werden unter anderem kleine Zettel erhalten, auf denen sie ihr persönliches „mutiges Vorhaben“ für sich selbst notieren sollen. Lembert-Dobler weiß da die Gehirnforschung auf ihrer Seite: Die habe herausgefunden, dass die Realisierungschance wachse, wenn man ein Vorhaben erst mal aufgeschrieben habe.
Kaffeekränzchen im Dunkeln und Tuareg-Gitarre
Abgeben kann man, wenn man möchte, seinen ausgefüllten Zettel in einer neu geschaffenen Festival-Zentrale, dem „Taubenschlag“ auf dem Moritzplatz. Dort soll das „Wohnzimmer“ des Friedensfestes sein, mit aktuellen Informationen und offen für alle Gäste und Teilnehmer. Mehr als 80 Akteure gestalten das Friedensfest 2016, integriert ist wie immer das Festival der Kulturen. Kurator Girisha Fernando kooperiert diesmal mit dem Nürnberger „Bardentreffen“ – aus Franken reist zum Beispiel der Tuareg-Gitarrist Bombino nach Augsburg weiter. Zum Augsburger Weltmusik-Festival – Freitag/Samstag 29./30. Juli – gehören aber auch viele Augsburger Akteure: etwa die aus der Ukraine stammende Sängerin Stacia und ihre Band, die im April den „Band des Jahres“-Wettbewerb gewonnen haben, der aus Mazedonien stammende Musiker Sefer oder die Boothill Society mit Folkpop. Einer der zu erwartenden Höhepunkte: das multinational besetzte Haïdouti Orkestar mit Musikern aus Frankreich, Bulgarien und Serbien mit Balkan Brass.
Das Pop-Büro, stets Lieferant für Veranstaltungen des Friedensfestes, hat schwierigere Themen ins Auge gefasst: Unter anderem wird, in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund (BBSB) zum Kaffekränzchen im Dunkeln eingeladen, was, so Leiterin Barbara Friedrichs, den Mut erfordere, „Verantwortung abzugeben“ – im Dunkeln werde es von Normalsehenden schon als großes Risiko empfunden, sich selbständig Kaffe einzuschenken. Den Mut der anderen zeigt ein Treffen mit Sterbebegleitern in einem Hospiz in Hochzoll – doch Mut erfordert es auch von den Teilnehmern, sich dem Thema und den Betroffenen zu stellen.
Zur Eröffnung Tänzer mit Down-Syndrom
Offizielle Eröffnung des Friedensfests ist am Donnerstag, 14. Juli im goldenen Saal des Rathauses. Mit dabei ein wirklich mutiges Projekt, die Dance Company Ich bin O.K. aus Wien. Einige TänzerInnen der Company leiden am Down-Syndrom. Danach (und teilweise schon vorher) beginnt ein gehaltvolles wie interaktives und umfangreiches Programm. Man kann Reden der Bundesbeauftragten für Migration Aydan Özguz oder von Jutta Ditfuth hören, an einer „Börek-Schnitzeljagd“ durch Augsburg oder eine „Speed-Dating mit Courage“ teilnehmen, in einem Theaterstück von Susanne Reng geflüchteten jugendlichen „Mutbürgern“ begegnen, vom Kurzfilm-Experten Erwin Schletterer ausgesuchte, preisgekrönte Filme „vom Erwachsenwerden und vom Mut, sich für Andere einzusetzen“ sehen, ein Stationenkonzert mit moderner und mittelalterlicher Musik hören und vieles, vieles mehr – ähnlich wie bei der langen Nacht der Kunst, nur länger, wird man es bedauern, nicht überall dabei sein zu können.
Reicht der Mut für eine Dach-Installation?
Die Verwirklichung eines besonderen Höhepunkts des Augsburger Friedensfests 2016 ist leider noch nicht sicher: Der Künstler Boris Maximowitz möchte auf einem Hausdach im Zentrum eine große „Mut“-Installation einrichten. Für dieses Projekt, so Christine Lembert-Dobler, gebe es „viele offene Türen, aber auch noch viele Probleme“. Maximowitz hat das Problem vorläufig mit einer Fotomontage gelöst – ob der städtische Mut für die Umsetzung ausreichen wird, ist noch ungewiss. Spätestens am offiziellen Starttag, dem 14. Juli, sollte man es wissen.