Meinung
FCA vor dem 28. Spieltag: In der Tabelle schlechter als unter Baum, Schmidt, Herrlich und Weinzierl
Was die Leute nicht Alles aus Langeweile treiben! Sie studiren aus Langeweile, sie beten aus Langeweile, sie verlieben, verheirathen und vermehren sich aus Langeweile und sterben endlich aus Langeweile, und – und das ist der Humor davon – Alles mit den wichtigsten Gesichtern, ohne zu merken, warum. Aus Georg Büchners Lustspiel „Leonce und Lena“. Alles erzeugt das Grauen der Langweile, wenn dabei die Leidenschaft fehlt, so die Einsichten des Prinzen zu Beginn des Stückes, dessen Lektüre an dieser Stelle nicht nur Oliver Kahn und Stefan Reuter empfohlen sei.
Kommentar von Siegfried Zagler
Wenn man die Differenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit als Maßstab nimmt, unterscheiden sich der FC Bayern und der FC Augsburg kaum. Die Münchner sind für die Bundesliga zu stark, für eine realistische Gewinnoption der Champions League zu schwach. Mit Stammkräften wie Sommer, Sane, Gnabry oder Choupo-Moting kommt man in der Gruppenphase gut durch, viel mehr ist aber damit nicht zu holen. Was das mit dem FCA zu tun hat? Nun, der FC Augsburg ist in Sachen Bundesligatabelle ähnlich zuverlässig wie die Bayern. Bis auf wenige Ausnahmen waren für den FCA die Plätze 12 bis 14 reserviert: Für den Abstieg zu stark, für obere Tabellenränge zu schwach.
Die beiden bayerischen Klubs sind also herausragende Erzeuger von Langeweile und Langeweile ist bekanntermaßen das Schlimmste, das dem Fußball passieren kann. Schließlich wird Fußball gespielt, um dem Joch der Langeweile zu entkommen. Julian Nagelsmann wurde vermutlich aus zwei Gründen freigestellt. Erstens, weil die Münchner Führungscrew ihren Kader überschätzt und zweitens, weil er mit seinem halbstarken Gerede und seinen pubertären Eskapaden als Persönlichkeit nicht ernsthaft überzeugt hat, besser: gelangweilt hat.
Beim FC Augsburg klaffen seit der Verpflichtung von Enrico Maaßen ebenfalls Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander. Das ist zwar bei einer grauen Maus, die sich überwiegend mit dem Ziel des Nichtabstiegs zufrieden gab, irgendwie auch ein Fortschritt hin zum Interessanten, wenn auch in einem ganz anderen Sinn, als es ursprünglich gedacht war.
Maaßen versprach bei seinem ersten Medienauftritt in Augsburg eine „neue Spielkultur“, eine „klare DNA“. Der neue Trainer meinte damit naiverweise, dass der FCA auch in Ballbesitz überzeugen sollte, was allerdings einem Griff ins Klo gleichkam. Für kontrollierten Ballbesitz und einen damit verbundenen zirkulierenden Spielaufbau hatte Maaßen nicht die passenden Spieler, weshalb er nach den haarsträubenden Auftritten zu Beginn der Saison alles über den Haufen warf und auf das bewährte Underdog-System zurückgriff: frühe Attacken und schnelles Umschalten. Alles beim Alten also? Nicht ganz!
Mit Demirovic und Berisha wurden zwei Spieler nachverpflichtet, die deutlich mehr Wind in den müden FCA-Angriff brachten. Und als man schließlich nach der WM-Pause gleich sieben neue Spieler nach Augsburg holte, war man am Lech sehr gespannt und neugierig darauf, was der junge und so hoch geschätzte Enno Maaßen daraus macht. Es sah zunächst gut aus. Eine kampfstarke und zielstrebig nach vorne marschierende Mannschaft begeisterte mit einer 1:0-Heimserie gegen stärkere Mannschaften.
Doch dann folgten wieder sportlich inakzeptable Auftritte und die Einsicht, dass von den Neuen nur Arne Engels dem FCA sofort weiterhilft, während die anderen eher als Versprechung für die Zukunft zu betrachten sind. Ausgerechnet der Spieler, von dem man es am wenigsten erwartet hatte, schlug ein. Doch sportlich kam man dennoch nicht von der Stelle und bewegt sich bis jetzt weiterhin in prekären Gefilden.
Alle Trainer, die vom FCA wegen sportlicher Misserfolge freigestellt wurden, hatten vor dem 28. Spieltag eine bessere Bilanz als Maaßen. Baum, Schmidt, Herrlich und Weinzierl hatten zu diesem Zeitpunkt der Saison stets mehr Punkte auf dem Konto als Maaßen heute. Alle diese Trainer hatten nach dem Abgang von Marwin Hitz damit zu kämpfen, dass der FCA ein gravierendes Torwartproblem klein redete – und dies bis heute tut.
Man muss schon bis in die Saison 2018/19 zurückgehen, um weniger FCA-Punkte vor dem 28. Spieltag festzustellen. 29 Punkte sind es heute, 25 waren es damals. Gerade mal 14 und 17 Punkte verbuchten damals die Mannschaften auf den Abstiegsrängen (Hannover und Nürnberg). Mit 21 Punkten belegte Stuttgart den Relegationsplatz. So gesehen war die Abstiegsgefahr in dieser Saison auf dem gleichen Level wie heute, zumal mit Bochum, Hoffenheim, Schalke, Stuttgart und auch Hertha fünf Mannschaften hinter dem FCA stehen, deren Leistungskurven nach oben zeigen.
In dieser kritischen Phase der Saison muss man sich in Augsburg auch noch an den Gedanken gewöhnen, dass mit Tomas Koubek der zweite Torhüter den verletzten Gikiewicz ersetzt. Koubek kann schon mal eine oder zwei gute Partien abliefern, sollte sich die Verletzung von Gikiewicz jedoch als langwierig herausstellen, käme dies einer Katastrophe gleich, obwohl Augsburgs Nummer eins alles andere als ein guter Torhüter ist. Hart ins Kontor könnte auch die Rückkehr der beiden Top-Verteidiger Oxford und Uduokhai schlagen. Sollten sie nach ihren langen Verletzungsphasen keine Form auf den Platz bringen, wäre das eine weitere Verstärkung für den Trauerzug, der in die Zweite Liga führt.
Seit Markus Krapf Präsident ist, hat sich beim FCA die Situation sportlich nicht verbessert, eher das Gegenteil ist der Fall. Beim FCA will man das so aber nicht wahrhaben. Verliert man jedoch heute in Leipzig und gewinnt am kommenden Wochenende zu Hause nicht gegen Stuttgart, sollte es vorbei sein mit dem Ponyhof Augsburg und dem galoppierenden Hurra des Realitätsverlusts. Der FCA ist akut abstiegsgefährdet wie schon lange nicht mehr. Doch noch liegt alles in eigener Hand. In Augsburg schaut man elektrisiert auf den Schlussspurt der Bundesliga. Denn eins ist sicher: Abstiegskampf ist alles – nur nicht langweilig.