Ein Vergnügen vor, auf und hinter der Bühne
Marcus Rosenmüllers „Sommer der Gaukler“ hatte im „Mephisto“ Premiere
Ums Leben geht’s, wie in jedem großen Film. Darum, wie viel wir schauspielern müssen im Leben, um ans Ziel zu kommen. Darüber auch, dass das ganze Leben eine Bühne ist. Und schließlich auch um das Leben jenes Emanuel Schikaneder (1751 – 1812), zunächst Schauspieler, später Theaterautor und Librettist, der unter anderem das Buch für Mozarts unsterbliche „Zauberflöte“ schrieb. Um das alles geht’s – wenigstens ein bisschen – in Marcus Rosenmüllers neuem Film „Sommer der Gaukler“, der am Mittwoch anlief.
Wenn allerdings in Augsburg ein Rosenmüller-Film anläuft, dann läuft er nicht einfach an. Der 38jährige Regisseur aus dem oberbayrischen Hausham ist mit Augsburg eng verbunden, seit hier sein Erstling „Wer früher stirbt ist länger tot“ deutschlandweit am längsten lief. Dasselbe gilt für den Nachfolger „Sommer in Orange“. Solch eine Fangemeinde will gepflegt sein – Rosenmüller kam deshalb bestens gelaunt mit seinen Hauptdarstellern Max von Thun und Maxi Schafroth ins Mephisto-Kino. Weil Rosenmüller alle Publikumsfragen gewissenhaft beantwortet, wissen wir nun nicht nur, dass er, wie gesagt, 38 ist, sondern auch, dass er am 21.7.1973 um 1.29 Uhr geboren wurde, und zwar mit „Aszendent Wildschwein.“
Opulente Bilder, wild gewordene Schauspieler
Der „Sommer der Gaukler“ folgt Schikaneder bei seinem Versuch, mit seinem Theaterensemble in Salzburg Fuß zu fassen. Die Stadt weist ihn ab, man wartet in einem Bauerndorf vor den Toren auf Einlass – und auf Wolfgang Amadeus Mozart. Beim Warten arbeitet Schikaneder nicht nur an seinem „Weltentheater“-Stück, sondern leider geht ihm auch das Geld aus, bei den Bergarbeitern tobt ein wilder Streik gegen den ausbeuterischen Grubenbesitzer, der brav-naive Arbeiter Vester aus dem Allgäu verliebt sich in dessen Tochter und wird nebenbei und versehentlich zum Rädelsführer, Schikaneders Frau beginnt eine Liaison mit einem Mitschauspieler, während der Ehemann selbst auch nicht untätig ist – und, und, und.
Vor, hinter und auf der Bühne, so könnte man es kurz zusammenfassten, tobt in blutvoll-opulenten Bildern nicht nur das Leben – sondern eher noch ein bisschen mehr. Eine Crew wild gewordener Schauspieler jagt durch diesen Film – und gemeint sind damit nicht nur Rosenmüllers Schauspieler, sondern auch die Schauspieler, die Rosenmüllers Schauspieler spielen. Eine unbändige Spiellust treibt nicht nur jene, sondern auch diese an – und der Regisseur hat sich das in seiner bekannt improvisationsfreudigen Art zunutze gemacht. Auf dem Set, während den Dreharbeiten, ist etwa ein Bergarbeiterblues entstanden, der sofort eingebaut wurde, genauso wie das von einer zufällig anwesenden Vertreterin der Haushamer Prinzengarde angeleitete Bergarbeiterballett.
Der Kutscher verführt mit Shakespeares Versen
Dass der Film nicht aus dem Ruder lief und nicht auf der Ebene des Herumalberns hängen bleibt, ist neben der hervorragenden Schauspielercrew natürlich dem Regisseur zu verdanken, der sich bei allem Spaß an der spontanen Improvisation nicht vom Kern seiner Geschichte abbringen ließ: „Die Verzahnung von Realität und Theater“ habe ihn am Drehbuch gereizt, erzählt Rosenmüller – und dieser Reiz ist dem Film geblieben. Eine der schönsten Episoden: Während im Wirtshaus die Schauspieler ganz theoretisch über Shakespeare philosophieren und dem Dramatiker in Österreich keine Chance geben, nutzt ein anderer im Stall ganz praktisch die Verse des Engländers, um die Magd zu verführen. Dabei ist er nicht mal Schauspieler, sondern nur der Kutscher der Truppe.
Wie die Geschichte in Fahrt gerät, wie im Gebirge rebelliert und unter den Tischen des Barons gevögelt, wie der Grubenbesitzer intrigiert wird, wie der tumbe Allgäuer trotzdem dessen schöne Tochter erobert – das ist dermaßen mitreißend, in farbenfrohen, mitunter grandiosen Bildern gedreht, wie immer bei Rosenmüller im Dialekt gesprochen und von unbändiger Lebenslust und Spielfreude getragen – man darf dem Film jene sechs, sieben Monate in Augsburg wünschen, die Kinobetreiber Franz Fischer schon mal veranschlagt hat. Dass der Schikaneder auch im echten Leben zum Ziel gelangte, dass er sich von vielerlei Misserfolgen nicht entmutigen ließ, das scheint historisch einigermaßen erwiesen. Der Rest bleibt im Ungewissen. Sicher ist, dass wir uns ein Leben wünschen würden, in dem vor, auf und hinter der Bühne so viel los ist wie in Rosenmüllers Film.