Die Gartner-Zwillinge: Zwei Leben für die Kunst
Zum 75. der Künstler-Zwillinge Hansjürgen und Joachim Lothar Gartner
Von Sybille Schiller
Der Name Gartner hat – was die Augsburger Kunst- und Künstlerszene betrifft – einen hohen Stellenwert. Heute am 16. April feiern die Zwillingsbrüder Hansjürgen und Joachim Lothar Gartner ihren 75. Geburtstag, und, das gilt es anzufügen, aufgrund von Corona natürlich getrennt. Hansjürgen feiert vor Ort in Augsburg, Joachim Lothar in Wien, wo beide aufgewachsen sind. „Wir haben aber auch bisher nicht jeden unserer Geburtstage gemeinsam gefeiert“, sagt Hansjürgen. „Dieses Jahr“, ergänzt Joachim Lothar, wäre wir gerne zusammen. Wir werden es nachholen.“
Geboren 1945 im nordböhmischen Steinschönau, war das Kriegsende (8.Mai 1945) absehbar, aber Vertreibung und Flucht erreichten noch lange eine unfassbare Dimension. Auch Gartners Mutter ging mit ihren Kindern im Juni 1945 zunächst in die sowjetisch besetzte Zone nahe Leipzig, von dort floh sie 1949 zum Vater nach Wien. Hier wuchsen die Brüder behütet auf, studierten Textildesign und kamen 1965 in die Textilstadt Augsburg. Bereits 1970 bezogen sie das Atelier im Holbeinhaus, in dem Hansjürgen Gartner noch heute arbeitet. Im Laufe der Jahrzehnte haben sich beider Malstile verändert, erneuert und erweitert. Vom Phantastischen Realismus kommend, gewann in den 1970-ziger Jahren die neue Sachlichkeit für beide an Bedeutung, nicht zuletzt aufgrund ihrer Weiterbildung beim Doyen dieser „neuen Sachlichkeit“, Christian Schad. Als Joachim Lothar aufgrund eines späteren Kunststudiums an der Pädagogischen Hochschule im Jahr 1989 dem Ruf als Lehrbeauftragter in Wien folgte, ging er zurück in die Stadt seiner Jugend, Hansjürgen blieb in Augsburg.
Beide können sich über viele Auszeichnungen und Ehrungen freuen. Die erste erhielten sie bereits 1973 mit der Verleihung des Kunstförderpreises der Stadt Augsburg. 1984 folgte ebenfalls für beide die Verleihung des Lovis Corinth-Förderpreises im Museum Ostdeutsche Galerie in Regensburg. 2015 erhielt Hansjürgen Gartner den Kunstpreis des Bezirks Schwaben und 2018 wurden beide wiederum mit dem Großen Sudetendeutschen Kulturpreis ausgezeichnet. Nicht unerwähnt bleiben darf ihre künstlerische Arbeit an den Städtischen Bühnen Augsburg: Ausstattung des Balletts „Gesche Gottfried“ und „Erlkönig“ sowie 1990 der Benjamin Britten- Oper „Der Raub der Lukretia“. Auch Kunst am Bau ist unter anderem hervorzuheben mit der Einrichtung einer „Chromatischen Säule“ in der Kreissparkasse Schwabmünchen (1990).
Als herausragender Höhepunkt zählt für Joachim Lothar Gartner während seiner Präsidentschaft im Künstlerhaus Wien die 2008 retrospektiv angelegte Schau ‚Der Titan und die Bühne des Lebens“, die er für den weltweit gefeierten Bildhauer Alfred Hrdlicka ausgerichtet hatte. Und schließlich war die Verleihung des Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst der Republik Österreich eine besondere Ehre.
2018 wurde den Brüdern schließlich der Große Sudentendeutsche Kulturpreis verliehen. Trotz aller Ehrungen bezeichnen beide als besondere Höhepunkte in ihrem Künstleben jene Empfindungen und Glücksgefühle, wenn eine Arbeit vollendet und gelungen ist.
Dass Künstler oft auch politisch in ihren Werken Stellung beziehen, befindet Hansjürgen Gartner seit den 1960/1970er Jahren für wichtig, zu seinen derzeitigen Themen gehören Umweltzerstörung und Missachtung der Humanität. Joachim Lothar ist der Anschauung, dass Kunst aber auch nur Kunst sein darf, ohne etwas zu müssen.