Das Brechthaus ist ein belasteter Ort
Warum Kulturreferent Peter Grab seinen Job nicht versteht
Von Siegfried Zagler
Das Augsburger Brechthaus
Die Stadt Augsburg hat sich sehr lange mit Bertolt Brecht sehr schwer getan. Brecht lebte in der DDR, war Träger des Stalinordens und Kommunist und somit in Zeiten des Kalten Krieges in der Garnisonstadt Augsburg ein „Unzumutbarer“. Mehr als vier Jahrzehnte wurde in Augsburg sowohl die Rezeption als auch die Pflege eines literarischen Genies ohne öffentliche Hand, also von privaten Initiativen, aber auch vom Stadttheater betrieben. Für die Zeit, in der sich die Stadt Augsburg mit ihrem berühmtesten Sohn im Kalten Krieg befand, gibt es einen Schauplatz: Bertolt Brechts Geburtshaus. Es ist ein Synonym, besser: ein Symbol für das über Jahrzehnte angespannte Verhältnis der Stadt zu Brecht.
Augsburg im Kalten Krieg gegen Brecht
Auf private Initiative hin wurde 1960 dort eine Gedenktafel zu Ehren des Dichters angebracht. Kein Stadtrat wollte damals an der Enthüllung der Gedenktafel teilnehmen. Wer sich zu Brecht bekannte, hatte damals eine Art Augsburger McCarthy-Problem zu verarbeiten: Er stand unter Verdacht, ein Kommunist zu sein. In den Siebzigern war der Kalte Krieg nicht mehr ganz so kalt. In Deutschland zog frischer Wind in das von der Nachkriegszeit dominierte muffige Klima der Adenauer-Ära. „Links sein“ war auch in Augsburg schick. Bertolt Brecht bekam in seiner Heimatstadt ein wenig Oberwasser. Dennoch scheiterten in den Siebziger Jahren alle Versuche, den berühmtesten Sohn der Stadt aus dem tiefen Keller der Missachtung ans helle Licht zu holen. Die neu gegründete Augsburger Universität wollte die Stadt nicht nach dem weltberühmten Dramatiker benennen. Ein neu gegründetes Gymnasium bekam den Namen von Rudolf Diesel, nicht den von Brecht. In den Siebzigern landeten Brecht-Möbel aus der Staats- und Stadtbibliothek auf dem Sperrmüll. Im Jahr 1978 wusste die von der Stadt Augsburg beauftragte Firma nicht, wo sie das Gebinde zum 80. Geburtstag des Dichters hinhängen sollte und gab es bei einem Trödlerladen in der Nähe des Geburtshauses ab. Diese Kranzniederlegung am falschen Ort sorgte für überregionale Schlagzeilen und reichlich Spott. Damals war das Gebäude Auf dem Rain 7 noch vollständig bewohnt. Erst zu Beginn der Achtziger erwarb die Stadt das Haus und richtete dort nach Beschluss des städtischen Kulturausschusses ein erbärmliches Museum ein. Eines, das das Werk des Dramatikers von seiner politischen Weltanschauung getrennt betrachtete. Ein absurder Blick auf Brecht und eine weitere Stilblüte des Kalten Krieges. Eine Schrulle übrigens, die zirka 30 Jahre später in Form einer von Joachim Lang zu verantwortenden Festivalreihe wieder aufblühen sollte.
Um beim Thema zu bleiben und es kurz zu machen: Das Geburtshaus des Dichters ist eine Art Gradmesser für das Verhältnis der Stadt zu Bertolt Brecht geworden. Es ist ein belastetes Haus und ein unvergleichbarer politischer Ort. Ein Vergleich mit dem Mozarthaus aus Marketing-Sicht ist aber insofern zulässig, da festzuhalten ist, dass das Mozarthaus von Fachleuten konzipiert wurde, bevor man es der Regio zur Vermarktung überließ. Nicht nur aus diesem Grund sollten sich Augsburgs Kulturreferent Peter Grab und Regio-Chef Götz Beck nicht darüber wundern, wenn sich beim Brechthaus eine breite Front gegen eine Trägerschaft einer Marketingfirma namens „Regio“ positioniert.
Der Kalte Krieg 1998 mit der Eröffnung des Brechtmuseums zuende
Hintergrund dieser wohl bereits im Vorfeld gescheiterten Trägerschaft ist der Verlust der Augsburger Staats- und Stadtbibliothek an den Freistaat. Die Pflege des Brechthauses unterstand bisher Helmut Gier, dem Leiter der Staats-und Stadtbibliothek und dem Augsburger Brechtforscher Jürgen Hillesheim. Zusammen mit einer Fachagentur entwickelten sie ab 1996 das Konzept des aktuellen Brechthauses, das 1998 gerade noch rechtzeitig zum 100. Geburtstag des Augsburger Dramatikers fertiggestellt wurde. Dass es dazu kam, war eher dem schnöden Mammon als dem Gestaltungswillen der Stadt geschuldet. Zunächst sollte das Brechthaus nach Vorstellungen des Stadtrates zu einem lokalen Museum gestaltet werden. Es sollte Brechts Augsburger Zeit hervorheben und sein späteres Wirken mit Augsburg in Verbindung bringen. Glücklicherweise sollte daraus nichts werden, da der Bund signalisierte, dass es dafür keine Mittel gebe. Die Stadt überließ die Konzeption ohne Vorgaben den Experten, die in Brechts Geburtshaus eine den finanziellen und räumlichen Verhältnissen entsprechende Brecht-Gedenkstätte einrichteten. – Um es ein wenig zugespitzt zu sagen: Spätestens 1998 mit der Eröffnung eines akzeptablen Brecht-Museums in Augsburg durfte man davon ausgehen, dass der Kalte Krieg zu Ende ist.
Noch immer fehlt ein städtisches Brechtkonzept
Das in die Jahre gekommene Brechthaus war, wie gesagt, bis vor kurzem ein Anhängsel von Helmut Gier, dem Leiter der Staats- und Stadtbibliothek. Helmut Gier ist in Rente, die Staats- und Stadtbibliothek ist nicht mehr im Besitz der Stadt Augsburg und in den vergangenen 15 Jahren ist in Sachen Brechtrezeption und Museumskultur viel geschehen. Es gibt also jede Menge Handlungsbedarf der Stadt in Bezug auf Bertolt Brecht. Aber nicht nur, weil man das Brechthaus modernisieren muss, sondern weil es neben der umstrittenen Festivalreihe und der Verleihung des Brecht-Preises seitens der Stadt noch immer kein Konzept mit der Stoßrichtung gibt, das Verhältnis der Stadt zu Brecht jenseits diverser Event-Reihen in eine erkennbare Struktur zu gießen.
Die Entwicklung der „Dachmarke Brecht“ muss von der Stadt geleistet werden
Am Ende ist festzuhalten, dass Augsburgs Kulturreferent Peter Grab wieder einmal bewiesen hat, dass er seinen Job nicht versteht. Die erste Gelegenheit beim Schopf zu packen, um über die Modernisierung des Brechthauses hinaus ein städtisches Brecht-Konzept anzustoßen, hat er jedenfalls mit Grandezza verpasst. Indem er die Weiterentwicklung des Brechthauses (kaum war es dem Zugriff der Staats-und Stadtbibliothek entronnen) der Regio auf den Bauch binden wollte, hat Grab in Sachen Brecht nicht nur städtisches Desinteresse an Brecht angezeigt, sondern auch einen weiteren schwer überwindbaren Stillstand in Kauf genommen. Was es bedeuten würde, wenn man heute Brecht bei der Regio abgeben würde, hat Tourismusdirektor Götz Beck mit seiner Vorstellung eines hemdsärmligen Marketing-Konzeptes im letzten Kulturausschuss eindrucksvoll dargestellt. Peter Grab ist offenbar nicht nur im Kulturbeirat, wo er Kurt Idrizovic ins offene Messer lief, gescheitert. Momentan sieht es danach aus, als würde Grab mit seiner Regio-Idee auch im Kulturausschuss abblitzen. Nach Auffassung der SPD, der Grünen, der Linken und wohl auch der CSU muss die Entwicklung der „Dachmarke Brecht“ von der Stadt geleistet werden.
Dass Grab als Kulturreferent gescheitert ist, scheint ausgemachte Sache zu sein
„Federführend für eine solche Konzepterstellung muss die Brechtforschungsstelle und das Kulturreferat sein“, wie das die Augsburger Grünen nach dem Kulturausschuss in einer Presseerklärung formulierten. Darüber kann man geteilter Meinung sein. Derzeit wird jedenfalls auf vielen Ebenen der Lokalpolitik, in vielen Zirkeln der Kulturschaffenden über die Entwicklung eines städtischen Brechtkonzeptes diskutiert. Peter Grab, so scheint es, steht dabei außen vor. Eine geplante Veranstaltung der SPD im Brechthaus mit Brechtforscher Jürgen Hillesheim will Peter Grab wegen der anstehenden Kommunalwahl nur genehmigen, wenn er selbst dazu eingeladen wird. Ein Skandal und eine weitere Schrulle im politischen Gezerre um das belastete Brechthaus. Das Schreiben liegt der DAZ vor. Dass der Kulturreferent der Stadt Augsburg lange vor der Kommunalwahl gescheitert ist, scheint spätestens nach seiner „Regio-Nummer“ ausgemachte Sache zu sein.