Damit macht sich ein Ordnungsreferent lächerlich
Mit dem sprechenden Sommerwohnzimmer nimmt die geistige Vermüllung der Innenstadt zu
Kommentar von Siegfried Zagler
Es ist an dieser Stelle schon öfter darauf hingewiesen worden, dass es zu den Pflichten der Daseinsfürsorge einer Kommune gehört, dass zum Beispiel die Bürger einer Stadt nachts schlafen können – selbst dann, wenn sie im Augsburger Stadtzentrum in der Nähe der Maximilianstraße wohnen. Es ist ebenfalls unermüdlich darauf hingewiesen worden, dass die bisherigen städtischen Maßnahmen in Sachen Lärmemission und Nachtruhe lediglich schnell vorübergehende Erleichterung schafften.
Das so genannte “Dönerverbot” wurde vom zuständigen Verwaltungsgericht kassiert, eine Sperrzeitverlängerung für die Innenstadtgastronomie wurde nur halbherzig und mutlos ins Auge gefasst, das erlassene Tempo-20-Limit auf der Maxstraße zu wenig kontrolliert. Das Gleiche gilt für das so genannte “Wildpinklerverbot”. Jeder Ordnungsreferent in den vergangenen 15 Jahren gab an, den innerstädtischen Ordnungsdienst verstärkt zu haben. Von Kirchner über Böhm zu Ullrich und Wurm war immer die Rede von “umfangreichen Maßnahmepaketen”. Planungswerkstätten arbeiteten Konzepte aus. Nichts sollte Wirkung zeigen: Die Partymeile zwischen Ulrich und Rathaus mit all ihren Auswüchsen wurde von der Stadt nicht wirksam bekämpft, sondern eher noch mit den so genannten Maxfesten und den Nachfolgeveranstaltungen verstärkt.
Nichts hat bisher nachhaltig funktioniert. Und als bereits 2009 die Stadtverwaltung auf die aberwitzige Idee kam, dass die Stadt selbst, also der “gute Geist” der Straßen, Plätze und Gebäude in Form von Bodenaufschriften zu ihren Bürgern sprechen lassen will, dokumentierten Gribl, Böhm und Co. mit Textbausteinen aus dem Poesiealbum der Verwaltung nicht nur ihre bescheidenen lyrischen Fähigkeiten, sondern auch ihre Hilflosigkeit gegenüber einer Problemlage, die im Grunde mit schlichten ordnungspolitischen Maßnahmen und deren hartnäckiger Umsetzung aus der Welt zu schaffen gewesen wären.
Nachhaltige Ordnungspolitik hätte nichts mit “law und order” zu tun, sondern mit einer notwendigen städtischen Politik, die zu dem Spagat fähig ist, der beides ermöglicht: hohe innerstädtische Aufenthaltsqualität (zu der auch Nachtruhe gehört) und spontane Handlungsspielräume. Handlungsspielräume, die auch launige Partystimmung ermöglichen. Das Changieren zwischen Sichern von Ruhe und Ordnung und dem Sichern eines liberalen Grundgefühls, das Spontanität und Lebensfreude generiert, beinhaltet keine politischen Widersprüchlichkeiten, sondern gehört zum Handwerkszeug der Innenpolitik, also zu einem staatstragenden Handwerk, das in Kommunen “Ordnungspolitik” heißt. Dazu bräuchte man allerdings einen fähigen Ordnungsreferenten. Zu bedauern ist an dieser Stelle, dass sich Volker Ullrich zu früh in den Bundestag hat wegloben lassen. Er wollte sich an diesem Spagat messen lassen. Dirk Wurm hat sich nun, wie einst Walter Böhm, dem gespenstischen Nonsens einer sprechenden Stadt unterworfen. Damit macht sich ein Ordnungsreferent lächerlich.
Wenn nun der gute Geist des Rathausplatzes, wie “Bernd das Brot” zu seinen “Nutzern” spricht, dann ist das in der Sache nicht nur unwirksam, sondern inhaltlich beinahe so unerträglich wie das Gegröle und Gepöbel des Partymobs. “Ähnliches heilt ähnliches” ist ein Grundsatz der Homöopathie, den sich die Stadt nicht zum Lehrsatz ihres politischen Denkens machen darf. Der geistigen Vermüllung der Augsburger Innenstadt wird jedenfalls mit dem sprechenden Sommerwohnzimmer Vorschub geleistet.