Kommentar zum FCA: Führung im Tiefenrausch
Der FCA wird dieses Jahr absteigen!
Wer diesen Imperativ nach dem 23. Spieltag ohne einen Hauch von Konjunktiv oder Ironie an die Wand schreibt, betreibt Kaffeesatz-Lesen. Im Fußball ist Unvorhersehbares stets möglich, weshalb dieser Sport weltweit so beliebt ist. Selbstverständlich ist es möglich, dass der FCA auch heuer die Liga hält. Schaut man allerdings genauer hin, dann hält man den Abstieg für ziemlich wahrscheinlich.
Kommentar von Siegfried Zagler
“In Tiefen von 20 Metern können die ersten Symptome auftreten. Typische Erscheinungen einer Stickstoffnarkose sind ein eingeschränktes Urteilsvermögen und logisches Denken, auch was Gefahrensituationen angeht – sowie Euphorie oder Angst.”
Dies lässt sich auf Wikipedia erfahren, wenn man unter “Tiefenrausch” nachliest. In der Sprache der Taucher wird auch von “Überdruckkrankheit” gesprochen, die sich dann einstellt, wenn ein Mensch zu schnell eine gewisse Tiefe erreicht.
Der FC Augsburg stürzte in dieser Saison mit rekordverdächtiger Geschwindigkeit in eine gefährliche Tiefe, also – um in die Fußballsprache zu wechseln – in die Abstiegszone, in der er sich seit dem ersten Spieltag befindet und sie seitdem nicht verlassen hat. 15 Spieltage steht der FC Augsburg nach 23 Spieltagen auf dem Relegationsplatz und der Abstand zum direkten Abstiegsplatz wird immer kleiner.
Das ist die Realität, die bei einem Bundesligaklub mit der Kragenweite des FCA vorkommen darf. Und man darf sich zusätzlich Gelassenheit einreden, indem man festhält, dass Köln, Freiburg und Frankfurt in den vergangenen zehn Jahren, also seit der FCA ununterbrochen Bundesligafußball spielt, abgestiegen und wieder aufgestiegen sind. Und offenbar hat diesen Klubs ihre einjährige Verweildauer in der Zweiten Liga eher geholfen als geschadet. Das sind allerdings die Ausnahmen.
Die Regel sieht so aus, dass die seit FCA-Zugehörigkeit abgestiegenen Bundesligaklubs sich als gebrochene Urgesteine mit der Rückkehr ins Oberhaus sehr schwer tun. Kaiserslautern, Stuttgart, Düsseldorf, St. Pauli, Berlin, Hannover, Nürnberg, Hamburg, Schalke und aktuell wohl Bremen zeigen es Woche für Woche: Kann ein Klub den Abstieg nicht als einmaligen Betriebsunfall mit dem direkten Wiederaufstieg vergessen machen, wird die Budget-Differenz zu den Bundesligaklubs zu groß, sodass sich das deutlich auf die Wirtschaftskraft und Kaderstärke auswirkt. Damit ist ein Allgemeinplatz beschrieben, den außerhalb der FCA-Führungsriege jedes Kind, jeder Kicker und jeder Spatz auf dem Dach kennt: Ein Abstieg in die Zweite Liga ist sehr gefährlich und sollte mit allem, was möglich ist, verhindert werden.
Während sich aber die Abstiegskonkurrenz in Bielefeld, Wolfsburg und Berlin dort verstärkte, wo es dringend notwendig war, verpflichtete der FCA von Fürth mit Maximilian Bauer einen Innenverteidiger für die nächste Saison, was nur dann zu verstehen wäre, wenn Hofmann/Blitzer mit dem Gedanken spielen, einen der beiden Augsburger Spitzenkräfte in der Innenverteidigung (Oxford oder Uduokhai) nach der Saison zu verkaufen.
Auf “eingeschränktes Urteilsvermögen und logisches Denken” lässt auch der Risikotransfer Ricardo Pepi schließen. Pepi kann, wenn überhaupt, dem FCA in ein bis zwei Jahren helfen. Aktuell spielt er unter dem Niveau von Hahn, Niederlechner oder Finnbogason. Dass man für diesen Kicker 16,4 Millionen Euro zu einer Zeit investiert, in der der FCA in höchster Abstiegsgefahr schwebt und die FCA-Baustellen zahlreich und einfach erkennbar sind, ist auf der Ebene der Vernunft nicht vermittelbar.
Beide Außenverteidiger (Framberger/Iago) sind schnell, aber Framberger ist nach vorne technisch zu limitiert und Iago verteidigt zu schlampig. In der Mitte der eigenen Hälfte klafft ein Loch, weil dem hochbegabten Dorsch als Sechser kein Abräumer zu Seite steht. Gruezo wächst in diese Rolle nicht hinein und wirkt insgesamt nicht handlungsschnell genug. Arne Maier braucht auch noch Zeit. Mit Jeffrey Gouweleeuw steht ein Kapitän im Abwehrzentrum, der immer häufiger patzt und kaum Führungsqualität zeigt, doch das größte Problem der Augsburger Abwehr steht in dieser Saison zwischen den Pfosten: Rafal Gikiewicz lässt einen Ball nach dem anderen nach vorne prallen, zeigt wenig Strafraumbeherrschung und gehört auch innerhalb der Gruppe der Mannschaften, die gegen den Abstieg kämpfen zu den schlechtesten Keepern. Schaut man auf die Augsburger Nummer zwei (Tomas Koubek), dann kann man sarkastisch festhalten, dass einer der schwächsten Keeper der Liga beim FCA seinen Stammplatz sicher hat.
Ein weiteres Problem: Mit Altintop, Werner, Baier, Bobadilla und Caiuby hatte der FCA in seiner besten Zeit Spieler, die aus dem Mittelfeld torgefährlich nach vorne wirkten, mit Dynamik, Technik und Willen Löcher in die gegnerische Abwehr rissen, Sicherheit am Ball zeigten und für überraschende Momente sorgten. Wer sollte das aktuell im Verbund mit wem können? Tobias Strobl, Ruben Vargas, Iago, André Hahn, Raphael Framberger, Florian Niederlechner, Alfred Finnbogason, Ricardo Pepi, Jan Moravek sorgen weder für kreative Momente noch für Torgefahr. Sie wirken nicht zusammen und fabrizieren meist Stückwerk.
Aus dem Spielaufbau heraus, bekommt der FCA fast gar nichts zustande. Es gibt kaum präzise Zuspiele in die Spitzen, keine schnelle Kombinationen in die Box oder gar einen dribbelstarken und torgefährlichen Mittelfeldspieler. Die Angriffsmittel des FCA lassen sich mit zwei Fingern abzählen: Balleroberung und Umschaltspiel oder wilde Flankenläufe von Iago/ Vargas oder Framberger. Mit Laufbereitschaft , Kampfkraft und Spielglück lassen sich diese Defizite zwar kompensieren, aber eben nicht auf Dauer.
Eine weitere Baustelle lässt sich mit Felix Uduokhai ausmachen. Vor seiner langwierigen Muskelverletzung gehörte Uduokhai zu den besten Innenverteidigern der Bundesliga. Längst wieder fit, sitzt er nur noch auf der Bank. Natürlich lässt es sich von außen nicht beurteilen, ob es dafür rationale Gründe gibt, wie etwa Formschwäche. Doch sollte Uduokhai in Sachen Form bei der Stärke der Vorsaison angekommen sein, wäre es skandalös, würde FCA-Trainer Markus Weinzierl aus systemischen Gründen auf Uduokhai verzichten. An anderer Stelle hat die DAZ bereits darauf hingewiesen, dass von Markus Weinzierl nicht viel mehr als Holzschittarbeiten zu erwarten sind.
Aktuell steht der Augsburger Punkteschnitt bei 0,96 pro Spiel (22 Punkte aus 23 Spielen). Sollte sich daran nichts ändern, steigt der FCA sicher ab. In der Vorsaison hatte der in Augsburg unbeliebte Trainer Heiko Herrlich am 23. Spieltag 26 Punkte. Als Herrlich schließlich nach dem 31. Spieltag gehen musste, hatte er mit dem FCA immer noch einen besseren Punkteschnitt als Markus Weinzierl ihn in dieser Saison je hatte.
Das FCA-Schiff treibt auf Klippen zu und wird sinken, wenn niemand dagegen steuert. Doch die Kapitäne unternehmen nichts. Wie lässt sich die Betriebsblindheit der Augsburger Führungsriege erklären? Darauf gibt es keine Antwort, außer eben diese: Sie befinden sich im Tiefenrausch!