DAZ - Unabhängige Internetzeitung für Politik und Kultur
Freitag, 01.12.2023 - Jahrgang 15 - www.daz-augsburg.de

Ausgepept?

Erfolg kann man auch beim FC Bayern nur charmant verkaufen, wenn man ihn hat



Von Siegfried Zagler

Die große Frage, die sich derzeit innerhalb der deutschen Fußballgemeinschaft nach den Niederlagen des FC Bayern gegen Dortmund und Leverkusen zusammenbraut, hat eine epische Dimension. Es geht nämlich nicht nur um den Erfolg oder Misserfolg eines Fußballvereins, sondern um den Fall eines Helden.

Pep Guardiola gilt als Mann, der Geschichte geschrieben hat, so die Legende, da er mit dem FC Barcelona den Fußball neu erfunden hat. Die spanische Nationalmannschaft hat das Barca-System übernommen und die geschundene spanische Fußballseele ins helle Licht geführt. Pep Guardiola ist ein Held, weil er mit seinem Konzept nicht nur einen Verein, sondern ein Land entwickelt hat. Aus diesem Grund kommt die folgende Frage einem Sakrileg gleich, weil sie etwas unterläuft, das nicht zu unterlaufen ist, wie zum Beispiel die Schwerkraft.

Die ungehörige Frage lautet also: Was leistet eigentlich Pep Guardiola beim FC Bayern München? Welche Idee, welche Philosophie hat der FC Bayern in den zwei Pep-Jahren verinnerlicht? Wofür steht der FC Bayern heute? Das sind Fragen, die sich Helmut Markwort und die Aufsichtsräte des FC Bayern wohl längst gestellt haben und allein der Umstand, dass sich diese Frage ohne ironischen Unterton stellen lässt, setzt voraus, dass eine Antwort nichts Gutes zutage fördern könnte. Ist Pep Guardiola ein Trainer, der den FC Bayern fortführen kann oder ist er ein Missverständnis?

Guardiola ist eine Persönlichkeit, die eine Erfolgsmaschine als etwas Charmantes darstellen kann. Pep Guardiola verkörpert ethische Werte, so ist sein Charisma entstanden. Als er in Barcelona Trainer war, stand er für beispiellose Jugendförderung, flache Hierarchien, Bescheidenheit der Spieler, Fairness auf und neben dem Platz. Der FC Bayern München hat diesen „Mehrwert“ des Katalanen erkannt. Nur mit Guardiola wollte man sich von der regionalen Imageprägung („Mia san mia“) hin zu einem europäischen Edelklub und Global Player à la Real Madrid entwickeln.

Erfolg kann man aber nur charmant verkaufen, wenn man ihn hat. Guardiola ist mehr als eine Erfolgsversprechung, viel mehr. Er ist Lichtgestalt und somit menschgewordener Bote aus einer göttlichen Welt, wo der wahre Fußball zu Hause ist. Seine Gesten und Zeichen am Rand des Geschehens sind nicht für die Spieler bestimmt, sondern sind die irdischen Zeichnungen der Fußballgötter, die den gewöhlichen Menschen im Stadion und an den Bildschirmen vor Augen führen, dass man nur tun müsse, was er will, dann wird der Funke springen und sich alles fügen. Ohne Erfolg kann man sich Guardiola nicht vorstellen. Ohne Erfolge verliert Guardiola seine Aura und somit alles, was er hat. Ohne Erfolg verwandelt er sich in ein irrwitziges Hampelmännchen, in einen Fußball-Kaspar, der allen gute Laune predigt, ohne zu wissen warum. Von diesem Absturz ist Pep Guardiola nicht mehr weit entfernt. Inzwischen müssen sich die Münchner Spieler fragen lassen, ob sie seine unentwegten Anweisungen auf dem Spielfeld überhaupt registrieren. Inzwischen wird er von Oliver Pocher in öffentlich-rechtlichen Talkshows nachgeäfft, inzwischen muss er sich von Lothar Matthäus in taktischer Hinsicht kritisieren lassen. Eine schier endlose Verletzungsmisere hat die Bayern und somit Guardiola in schwere Bedrängnis gebracht. Der Rücktritt Müller-Wohlfahrts hat seine Position geschwächt. Im Pokal ausgeschieden, in der Champions League gegen Barca nur Außenseiter. Sollten die Bayern nächste Woche ausscheiden, ist einer wie Guardiola angeschlagen. Ein Titel pro Jahr ist zu wenig für einen Mann der auszog, um in Fußball-Deutschland eine Revolution anzuzetteln.

Im dritten Jahr müsste Guardiola vermutlich schmerzvolle Fragen beantworten: Welcher Spieler ist während seiner Zeit als Cheftrainer beim FC Bayern besser geworden? Welcher Spieler aus dem Jugendbereich ist an die Mannschaft herangeführt worden? Und warum kann ein Trainer mit einem intellektuellen Image immer noch keinen deutschen Satz geradeaus sprechen? Kein Verein in Europa hat einen nominell besseren Kader als der FC Bayern. Das ist auch ein Verdienst von Guardiola, doch langsam ist es an der Zeit, dass diese Mannschaft das Versprechen einlöst, das man mit diesem Trainer verbindet. Fliegt der FC Bayern gegen Barca raus, tickt für Guardiola die Uhr.