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Mittwoch, 15.10.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

„Augsburg checkt’s“ – Faktencheck mit Fragezeichen

Fünf Partner wollen die Augsburger faktenfit machen: Die dpa, die Stadt Augsburg, die Stadt­werke (swa), die Augs­burger Allge­meine und die Günter Holland Jour­na­listen­schule (GHJS) haben am 8. Oktober das Projekt „Augsburg checkt’s“ gestartet. Ein Disclaimer erweckt aller­dings den Eindruck, dass sich die Augs­burger Partner von den dpa-Fakten­checkern distanzieren.

Von Bruno Stubenrauch

So funktioniert das Projekt: Die Fakten­checker der dpa bereiten die Inhalte vor, die GHJS bereitet sie redak­tionell auf. Die Augs­burger Allge­meine ver­öffent­licht sie als Serie, die swa zeigen sie in ihren Trams und Bussen, und die Stadt bringt sie auf Plakate im öffent­lichen Raum. Über QR-Codes mit der mar­kanten Zirbel­nuss gelangen Inter­essierte zu täglich neuen Fakten­checks – und sollen so lernen, Des­infor­mation zu erkennen und kritisch zu hinterfragen.

Korallen und Klima – ein typischer Faktencheck

Grund genug für die DAZ, einen dieser Fakten­checks selbst zu prüfen. Wir haben uns den Beitrag zur Frage ange­sehen, wie stark der Klima­wandel das Great Barrier Reef vor Australien beeinträchtigt.

  • Behauptung: Dem Great Barrier Reef geht’s gut.
  • Faktencheck: Das Riff verzeichnet eine lang­fristige Ver­schlech­terung seines Öko­systems und 2025 den stärksten Wachs­tums­rück­gang seit Beginn der Messungen. Der Klima­wandel ist schuld.

Auf den ersten Blick ein klassischer Fakten­check – viel Text, irgend­wie logisch und kom­pe­tent klingen­d, viele Quellen, leicht ten­den­ziös geschrie­ben. Liest man jedoch die zugrunde liegen­den Daten des Australian Institute of Marine Science (AIMS), einer Regie­rungs­behörde, ergibt sich ein anderes Bild.

Laut AIMS gilt die prozen­tuale Stein­korallen­bedeckung als ver­läss­licher Indi­kator für die Gesund­heit des Riffs. Betrach­tet man die Ent­wick­lung seit 1986, zeigt sich: 25 Jahre lang war die Lage stabil. Zwischen 2011 und 2017 halbierte sich die Korallen­bedeckung – die Zeit der Klima­alarmisten war ge­kommen. Danach jedoch die Kehrt­wende: Inner­halb von fünf Jahren ver­drei­fachte sich die Bedeckung und übertraf sogar den lang­jährigen Durch­schnitt. Jetzt hatten die Klima­skeptiker Ober­wasser. Erst 2025 kam ein deutlicher Rückgang – endlich Zeit für einen belehrenden Faktencheck!

Das Herausgreifen dieses Einzel­jahres ist aller­dings so wenig aussage­kräftig wie die Wider­legung der globalen Erwär­mung mit einem einzigen kühlen Sommer. Der Trend ins­gesamt ist nahezu waagrecht – und widers­pricht der im Fakten­check behaup­teten „lang­fristigen Ver­schlech­terung“. Die starken Schwan­kungen deuten zudem darauf hin, dass die lineare Klima­er­wärmung allein kaum die Ursache für die sich ändernde Korallen­bedeckung sein kann.

Rettungsanker Korallenbleiche?

Bleibt noch das Argument der Korallen­bleiche. Aber die Regierungs­behörde Great Barrier Reef Marine Park Authority (GBRMPA) hat in ihrem jüngsten Bericht kaum bleiche Korallen fest­gestellt. Die Fakten­checker erklären das salopp damit, dass der Bericht ja nur den austra­lischen Herbst abbildet – in anderen Jahres­zeiten gebe es sie durchaus.

Das ist etwa so sinnfrei wie die Fest­stellung, dass Deutsche im Sommer braun und im Winter blass sind. Oder die Blätter im Herbst bunt und im Frühling grün.

Achtsam bleiben – selbst denken

Fazit: Eine gesunde Skepsis gegenüber Fakten­checks kann nicht schaden. Wir erinnern uns an den pein­lichen Fall vor zwei Jahren, als Luisa Neubauer in der ARD-Sendung „Maischberger“ den baye­rischen Wissen­schafts­minister Markus Blume (CSU) fälschlich der Fake News bezich­tigte und be­haup­tete, Deutsch­land sei auch nach dem Ab­schalten der letzten AKW noch Netto-Strom­exporteur. Die ARD-Fakten­checker stellten sich zunächst auf ihre Seite – mussten aber ihren Beitrag nach Protesten dreimal inner­halb von 48 Stunden korri­gieren, bis schließ­lich zu lesen war: Neubauers Behaup­tung war „nicht korrekt“.

Wir waren’s nicht!

Sind auch der Augsburger Allge­meinen – und ihren Partnern Stadt und swa – die jetzt im Rahmen von „Augsburg checkt‘s“ publi­zierten Fakten­checks nicht ganz geheuer? Der Gedanke liegt nahe. Unter jedem Artikel findet sich ein distan­zie­render „Trans­parenz­hinweis“, in dem es heißt, man recher­chiere nicht selbst, sondern publi­ziere nur – und die anderen Partner seien für den Inhalt ohnehin nicht verantwortlich.

Bleibt zu hoffen, dass die Augsburger dem Projekt kritisch begegnen. Um es mit den Worten von Ober­bürger­meisterin Eva Weber zu sagen: „Fakten sind das Funda­ment unserer Demo­kratie. Nur wenn wir Infor­mationen kritisch hinter­fragen und ver­läss­lich ein­ordnen, können wir als Gesell­schaft gute Ent­schei­dungen treffen.“ Das gilt gleicher­maßen für Faktenchecks.