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Donnerstag, 25.09.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Fabian Mehrings Kanu-Slalom

Jetzt treten die Freien Wähler in Augsburg also doch wieder mit einem OB-Kandidaten an. Nach dem entnervten Rückzug von Aiwanger-Presse­sprecher Jürgen Marks vor zwei Wochen soll nun der mehrmalige Kanu-Weltmeister Hannes Aigner Augsburgs Ober­bürger­meisterin Eva Weber (CSU) vom Thron stürzen. Oder soll er nur gegen sie antreten, aber am Ende gar nicht gewinnen?

Von Bruno Stubenrauch

So genau wissen das die Augsburger Freien Wähler wahr­scheinlich selbst nicht mehr. Nach drei 180-Grad-Wendungen innerhalb weniger Wochen dürfte ihnen genau so schwindlig sein wie den eigentlichen Wählern, also den Menschen, die tatsächlich wählen gehen und sich nicht (Freie) Wähler nennen, obwohl sie eigentlich als Kandidaten gewählt werden wollen.

Noch im Juli hatten die Augsburger Freien Wähler gemeinsam mit FDP und Pro Augsburg das Dreier-Bündnis mitte.augsburg aus der Taufe gehoben. Mit dem Bündnis wollten die drei bürger­lichen Kräfte bei den Kommunal­wahlen 2026 das fortsetzen, was sie im Augsburger Rathaus seit über 5 Jahren als Fraktion Bürgerliche Mitte hin­be­kommen haben: ohne partei­politisches Hickhack um die bürger­lichen Wähler werben, die von Ober­bürger­meisterin Eva Weber (CSU) und ihrer sehr am grünen Koalitions­partner orientierten Politik enttäuscht sind.

Dreierbündnis für das Sommerloch

Die Bekanntgabe von mitte.augsburg hatte medial große Aufmerk­sam­keit erregt – auch deshalb, weil die Partner die Suche nach einem gemein­samen Heraus­forderer von Eva Weber geschickt ins Sommerloch gelegt hatten und die Presse damit den August lang mit Spekula­tionen beschäftigten, wer es denn werden würde. Der anfängliche Erfolg von mitte.augsburg dürfte einem Mann missfallen haben, der seine Partei nicht als gleich­berech­tigten Partner unter Gleichen sieht, sondern mit sich und seiner Partei Größeres vorhat. Am 20. August 2025 berichtete die Süddeutsche Zeitung über Bayerns Digital­minister Fabian Mehring und fragte: „Sägt da einer am Stuhl von Hubert Aiwanger?“ [1]

Auch wenn Mehring das gar nicht zu seinen Slimline-Anzügen passende Bild vom Sägen am Stuhl zurückwies, gab er doch mit seiner auf Facebook geposteten Antwort implizit preis, wie er es an die Spitze seiner Partei zu schaffen gedenkt. Indem er zusätzliche Wähler­schichten für die Freien Wähler erschließt, die bisher vor allem dort erfolgreich sind, wo Mehring selbst zu Hause ist: im eher krachledern geprägten ländlichen Raum. Um die Freien Wähler zur zweiten Volkspartei neben der CSU zu entwickeln, möchte Mehring sie vor allem stärker im groß­städtischen Milieu verankern. Konser­va­tive Politik, so schreibt er in dem Facebook-Post, soll wieder so werden, wie Mehring sich mutmaßlich selber sieht: cool. [2]

Kein Fingerspitzengefühl für eine 300.000-Einwohner-Stadt

Für den „jungen, ambitionierten Minister“ (so Mehring über sich selbst in der SZ) liegt es nahe, seinen Plan zuerst dort auszu­probieren, wo er als schwäbischer Bezirks­vor­sitzender der Freien Wähler Einfluss nehmen kann: in der Bezirks­haupt­stadt Augsburg. Doch auch, wenn Augsburg eher konservativ tickt und die CSU hier bei Wahlen noch immer mit schöner Regel­mäßigkeit stärkste Partei wird, so wurde bei den letzten Bundes­tags­wahlen doch deutlich, dass dem im Landkreis-Städtchen Meitingen lebenden Mehring doch das nötige Finger­spitzen­gefühl für das Lebens­gefühl in der 300.000-Einwohner-Stadt abgeht. Der grund­solide, aber doch eher biedere Bürger­meister der Speckgürtel-Gemeinde Gersthofen, Michael Wörle, den Mehring zur Direkt­kandidatur in Augsburg überredete, kam im Februar 2025 nur auf magere 3,7 Prozent. Diese Zahl dürfte Hubert Aiwanger, der im heimischen Rottal-Inn immerhin auf 23 Prozent gekommen war, nicht sonderlich imponiert haben.

Also muss Mehrings nächster Anlauf sitzen: die Kommunal­wahl 2026. Und da passte es so gar nicht in den Plan, dass die Freien Wähler in Augsburg so geräusch­los mit FDP und Pro Augsburg zusammen­arbeiten. Als sich im Lauf des August immer deutlicher heraus­kristal­lisierte, dass der stell­vertre­tende Presse­sprecher der Bayerischen Staats­regierung, Jürgen Marks, mit dem Mehring als Minister in München eng zusammen­arbeitet, als OB-Kandidat des Dreier-Bünd­nisses mitte.augsburg, aber nicht der Freien Wähler, antreten würde, ging Mehring kurzerhand an die Presse. Über die Augsburger Allgemeine lud er sich am 23. August selbst zur Presse­kon­ferenz ein, in der eigentlich die drei Augsburger Partei­vor­sitzenden Marks als OB-Kandidaten präsen­tieren wollten. Mehring ließ wissen, dass es „meine Vision“ sei, Schwarz-Grün im Augsburger Rathaus „durch eine Bayern-Koalition nach dem Vorbild unserer Staats­regierung abzulösen“, also ein Bündnis aus CSU und Freien Wählern. Von FDP und Pro Augsburg keine Rede.

Entscheidung vor Ort? Majestätsbeleidigung!

Diese Intervention von Außen ließen sich die örtlichen Bündnis­partner nicht gefallen. In einer gemein­samen Presse­mit­teilung stellten die Vor­sitzenden von FDP, Pro Augsburg und Freien Wählern klar, dass mitte.augsburg ein über­partei­liches Bündnis Augsburger Gruppie­rungen sei und kein Projekt einer Münchner oder Berliner Partei­zentrale. Ent­schei­dungen treffe man allein vor Ort. Dass auch die örtlichen Freien Wähler diese Zurück­weisung mit unter­zeichnet hatten, muss Mehring wie Majestäts­beleidigung vorge­kommen sein. In einer wütenden Antwort nahm er auch seine eigenen Partei­freunde in Augsburg mit unter Beschuss. Er verwies darauf, dass die drei Gruppie­rungen bei der letzten Kommunal­wahl zusammen­gerechnet auf keine zehn Prozent gekommen seien und sprach ihnen das nötige „Maß an Ernst­haftig­keit und Professio­nalität“ ab. Mehring stellte sich mit seiner Reaktion sogar indirekt hinter die CSU-Ober­bürger­meisterin Eva Weber: „Woher die Akteure von mitte.augsburg das Selbst­be­wusst­sein nehmen, die Ober­bürger­meisterin stürzen zu wollen, erschließt sich mir nicht.“ [3]

Ich persönlich entscheide!

Damit stellte Mehring nicht nur den Sinn eines bürger­lichen Gegen­kandi­daten in Frage, obwohl er sich am Tag zuvor noch zur Bekannt­gabe eben dieses Kandi­daten selbst eingeladen hatte. Er nimmt damit offen eine Gegen­position zu der Ver­ein­barung namens Letter of Intent (LOI) ein, die die Augsburger Freien Wähler Dieter Kleber und Hans Wengenmeier bei der Vor­stellung des Bünd­nisses mitte.augsburg mit unter­zeichnet hatten. In dem LOI kündigten die Bündnis­partner die Auf­stellung eines gemein­samen OB-Kandi­daten an, den sie der „Stillstands-Koalition aus CSU und Grünen“ entgegen­setzen wollen, die „unsere Stadt mit ihrer Kraft- und Ideen­losigkeit lange genug gelähmt“ habe.

Als ob dies nicht genug wäre, machte Mehring seinen Augsburger Partei­freunden in aller Öffent­lich­keit eine deutliche Ansage, wer im Freie-Wähler-Kreis­verband Augsburg das Sagen hat. Sobald er aus seinem Sommer­urlaub zurück sei, „entscheide ich als Bezirks­vor­sitzender und für mich persönlich, ob unsere Partei und ich als Minister mitte.augsburg unter­stützen können.“

OB-Kandidat geht von der Fahne

Als nach dieser ersten 180-Grad-Wende der noch gar nicht offiziell aus­ge­rufene Jürgen Marks bekannt gab, nicht mehr als OB-Kandidat zur Verfügung zu stehen, gab es hinter den Kulissen weiterhin Versuche, das Bündnis beiei­nander zu halten. Aus den Reihen des soge­nannten Kompe­tenz­teams, das zum Teil aus Personen bestand, die sich zum ersten Mal politisch enga­gierten, erklärte sich die Kultur­managerin Iris Steiner bereit, als OB-Kandi­datin anzutreten, wenn Marks weiterhin als Listen­kandidat zur Ver­fügung stehen würde. Allerdings wurde an das FDP-Mitglied Steiner – mut­maß­lich auf Wink von Meitingen – das vergiftete Angebot heran­ge­tragen, sie müsse ihre Partei verlassen und auf der Liste der Freien Wähler antreten.

Dieses durchschaubar auf Schwächung der bisherigen Partner ausge­richtete Manöver wurde nicht nur von FDP und Pro Augsburg abgelehnt, die ihren Austritt aus dem Mitte-Bündnis erklärten. Die Idee, einen aussichts­reichen Listen­platz bei den Freien Wählern „fremd“ zu besetzen, traf auch bei deren Augsburger Mit­gliedern auf Unver­ständnis. Deren Vor­sitzender erklärte frustriert am 10. September: „Das Bündnis ist nicht aus inhalt­lichen Gründen aus­einander­gegangen, sondern da spielen dann doch partei­taktische Über­legungen eine Rolle.“ [4]

Nur unseriöse Trittbrettfahrer ..

Nach dem Bruch korrigierte Mehring seine Kommu­nikations­linie. Unprofes­sionell und zu wenig ernsthaft waren nun nicht mehr alle drei Augsburger Bündnis­partner gleicher­maßen, sondern nur noch die „kleinen Parteien“ FDP und Pro Augsburg. Diese, so Mehrings Unter­stellung, wollten „die CSU aus der Stadt­regierung drängen“, also in die Stadtrats-Oppo­sition schicken. Die Freien Wähler als Regierungs­parteien in Bayern wollten keine solchen „Wolken­kuckucks­heime bauen“, sondern „den Menschen in Augsburg ein seriöses und ernst­haftes Angebot für die Zukunft ihrer Stadt“ machen, so Mehring im Fernseh­sender a.tv. [5]

Auf einmal klang es so, als habe es die einver­nehm­liche Zusammen­arbeit von FDP, Pro Augsburg und Freien Wählern als gleich­berech­tigter Partner im Rahmen von mitte.augsburg und das gemein­same Ziel, OB Weber abzu­lösen, nie gegeben. Mehrings Vision, die Grünen im Augsburger Stadtrat als Koali­tions­partner der CSU zu beerben, sei angeblich von Anfang der Plan der Freien Wähler gewesen. Auf diesem Weg hätten die Freien Wähler der FDP und Pro Augsburg lediglich eine „eine Tritt­brett­fahrt angeboten“ [6].

Ganz andere Ziele und kein Draht nach München ..

Pressemitteilung Freie Wähler (Screenshot)

Wie sehr Mehring den Kreis­verband Augsburg auf Linie gebracht hat, lässt sich an einer Presse­mit­teilung vom 11. September ablesen. Die Freien Wähler Augsburg wieder­holen darin die Bot­schaft, die Mehring am Tag zuvor auf a.tv ver­breitet hatte. Dieter Kleber und Hans Wengen­meier, die Unter­zeichner des Letter of Intent, wieder­holen Mehrings Be­haup­tung über unter­schied­liche Wahl­ziele von Freien Wählern einer­seits und FDP/Pro Augsburg anderer­seits, sowie die Bot­schaft vom guten Draht der Freien Wähler in die Bayerische Staats­regie­rung, ohne den sich eine Kommune in Bayern nicht erfolg­reich regieren lasse – als ob die CSU, mit der die Freien Wähler ja koa­lieren wollen, keinen Draht nach München hätte [7].

Ein Koalitionspartner braucht keinen OB-Kandidaten

In Sachen OB-Kandidatur unternahm Mehring eine zweite 180-Grad-Wende. Zwei Wochen, nachdem er aus dem Urlaub den Versuch, Eva Weber als Ober­bürger­meisterin abzu­lösen, für sinnlos erklärt hatte, hoffte er nun, Jürgen Marks für eine Kandi­datur allein für die Freien Wähler gewinnen zu können. Wenn dieser bei seinem Rück­tritt bleibe, würden die Freien Wähler ganz auf einen OB-Kandi­daten ver­zichten und sich auf eine starke Liste mit Marks an der Spitze konzen­trieren. „Eine andere Option sehe ich für uns Freie Wähler nicht“, erklärte der Digital­minister am 10. September. [8]

Der endgültige Bruch: Prominenz statt Kompetenz

Wieder 14 Tage später nun die nächste Wende. Am 24. September gab Mehring auf einer Presse­kon­ferenz bekannt, dass der Kanu-Sportler Hannes Aigner als OB-Kan­di­dat für die Freien Wähler ins Rennen gehen wird. „Wir setzen auf ein promi­nentes Kind der Stadt, das im Eiskanal groß geworden ist und Augsburg als mehr­facher Europa- und Welt­meister auf der ganzen Welt erfolg­reich repräsen­tiert hat.“ [9]

Bekanntheit reicht Mehring als Quali­fikation offenbar aus. Im Letter of Intent hieß es noch, dass ein OB-Kandidat „mit kommu­nal­poli­ti­scher Kompetenz“ gefunden werden solle, „um die weitere poli­tische Aus­fransung am rechten und linken Rand zu stoppen“. Damit ist die Abkehr vom über­partei­lichen Bündnis mitte.augsburg perfekt.


Quellen:

[1] Süddeutsche Zeitung: „Sägt da einer am Stuhl von Hubert Aiwanger?“ (20.08.2025)
[2] Facebook Fabian Mehring: „An Stühlen sägen? Nicht mein Business ..“ (24.08.2025)
[3] Augsburger Allgemeine: „Neues Augsburger Parteien­bündnis weist Unter­stützung von Staats­minister zurück“ (25.08.2025)
[4] Donaukurier: „FDP, Pro Augsburg und Freie Wähler gehen wieder getrennte Wege“ (10.09.2025)
[5] a.tv: „Wahlbündnis zerbricht – Streit um Einfluss in Augsburg“ (10.09.2025)
[6] Augsburger Allgemeine: „Digital­minister Mehring kontert Kritik aus Augsburg: Betteln nicht um Mitfahrer“ (10.09.2025)
[7] Freie Wähler Schwaben: „Augsburg: Freie Wähler wollen Grüne in Stadt­regierung ersetzen“ (11.09.2025)
[8] Augsburger Allgemeine: „Bayerns Digitalminister Mehring macht Kommunalwahl in Augsburg zur Chefsache“ (10.09.2025)
[9] Augsburger Allgemeine: „Fabian Mehring im Interview: Freie Wähler wollen in Augsburg mitregieren“ (23.09.2025)