Meinung
Anmerkungen zum FCA: Neuanfang oder falsche Versprechungen? Warum sich der FCA neu erfinden muss
Der Präsident tritt zurück. Der Trainer wirft hin. Bei anderen Bundesligaklubs würde das Dach brennen, doch der FCA bleibt ruhig. Lässt sich mit der Trainersuche Zeit und verpflichtet schließlich einen vielversprechenden Nobody. (Im wahrsten Sinne des Wortes). Ein neuer Präsident lässt noch auf sich warten. Doch aktuell scheint das niemand zu interessieren in der Fußballstadt Augsburg. Denn der Fokus gilt dem neuen Trainergespann und dem Versprechen des neuen Cheftrainers: Der FCA soll eine neue Fußball-Identität entwickeln. Das brennt und klingt so unglaublich spannend, als würden Biesinger und Haller als fröhliche Geister übers Lechfeld schweben.
Von Siegfried Zagler
Der FC Augsburg befindet sich seit drei Wochen in seiner Saisonvorbereitung für die 12. Saison in der Fußballbundesliga und hat bereits eine Reihe Testspiele hinter sich, die erste Schlussfolgerungen zulassen: Erstens wirkt der FCA bezüglich seiner Kommunikation von einer Aufbruchstimmung getragen, wie man sie letztmalig zu Beginn der Seinsch-Ära erfühlen konnte. Und zweitens bleibt der Augsburger Kader, der drei Trainer zu Fall brachte, im Gros unverändert und liefert kaum etwas Anderes ab, als eben das, was in den vergangenen Jahren der Fall war.
Bei den Augsburgern hat mit Enrico Maaßen erstmalig ein Trainer einen Dreijahresvertrag erhalten. Eine Art Eheversprechen für einen Bundesliganeuling, der spärliche Leistungsnachweise mitbringt, aber dafür kiloweise mit Vorschusslorbeeren bekränzt wurde und wird, wie das übrigens bisher bei jedem neuen FCA-Trainer der Fall war.
Maaßens Vita besteht in erster Linie aus Vorschusslorbeeren
Maaßens Vita mag dürftig sein, aber darauf sollte man nicht viel geben, da die letzten FCA-Trainer aus der Versenkung der gescheiterten Bundesligatrainer geholt wurden (Schmidt, Herrlich, Weinzierl), die alle in Augsburg abermals scheiterten, obwohl sie genau das lieferten, was verlangt wurde: Nichtabstieg. Diese grausame Fußball-Zeit – wie auch das letzte Trainerjahr von Manuel Baum – zeigten, dass es auch in Augsburg nicht mehr reicht, einfach nur in der Bundesliga zu kicken. Es kommt nun auch auf das Wie an.
Irgendwie die Liga halten ist nicht mehr genug, weil die ewige Rhetorik des Abstiegskampfs auf Dauer ermüdet und kaum noch ernst genommen wird. Der FCA muss nach elf Saisons ununterbrochener Bundesligazugehörigkeit mehr wollen, als einfach nur überleben. Mit einem Fußball, der von einer “klaren Spielidentität” gezeichnet ist, wie Maaßen das zu seinem Einstand versprach, möchte der FCA das Augsburger Publikum wieder verzaubern und begeistern.
Kann der neue FCA-Trainer sein Versprechen halten?
Die gewaltige Frage, die nun im Raum steht, ist leicht gestellt und schwer zu beantworten: Kann Maaßen sein Versprechen halten? Das Problem, das nicht einfach zu aufzulösen ist, ist mit einem Wort beschrieben: die Mannschaft.
Eine FCA-Truppe, die viel zu oft aus einem Unterlegensheitsgefühl heraus Fußball spielte, nicht viel mit dem Ball anfangen konnte und allzu oft nicht intensiv genug presste, um ihre scheinbar unvermeidlichen Defizite im Ballbesitzmodus auszugleichen, ist in den vergangenen Jahren zu einer grauen Maus der Liga geschrumpft und hat den FCA zu einem nichtssagenden Verein umdefiniert.
Kann Maaßen einen FCA-Kader, der in den letzten drei Jahren mit seinem Nicht-mehr-als-nötig-Kick drei Trainer verschliss, zu einem Team formen, das nicht nur in der Tabelle nach oben klettert, sondern wieder Fans und Zuschauer begeistert? Die Antwort kann nur in einer Gegenfrage münden: Warum eigentlich nicht?
Verweisen kann man diesbezüglich auf Steffen Baumgart. Baumgart kam aus der ostwestfälischen Diaspora und war gerade mit Paderborn in die zweite Liga abgestiegen – übernahm bei Köln das Kommando und führte fast denselben Kader, der im Vorjahr mit großer Mühe dem Abstieg entkam, in europäische Gefilde. Bo Svensson kam aus dem Mainzer Jugendbereich über Lieferingen zu Mainz als Cheftrainer zurück und formte in Windeseile einen Abstiegskandidaten zu einem Team mit Europa im Blick. Über die aktuellen Trainerstars wie Streich, Nagelsmann oder Tuchel muss man nicht reden. Nur soviel vielleicht: Sie kamen alle aus dem Jugendbereich und generierten sofort große Erfolge, ohne vorher eine Minute eine Bundesligamannschaft trainiert zu haben.
FCA Kader mit reichlich Potential und Problemstellen
Eine Mannschaft, wie die des FCA, die oft genug zeigte, dass sie auf einem überdurchschnittlichen Bundesliganiveau spielen kann, um einen Spieltag später phasenweise keinen Fuß vor den andern zu bringen, ist schwer zu nehmen. Die Leistungsschwankungen des FCA wurden möglicherweise zurecht den Trainern angekreidet – möglicherweise aber zu unrecht.
Betrachtet man den Kader jedoch wohlwollend, lässt sich festhalten, dass mit Gruezo, Jensen, Vargas, Maier und Dorsch fünf Spieler im Kader stehen, deren Potentiale längst nicht ausgeschöpft wurden. Mit Abstrichen gilt das auch für Sarenren Bazee und Caligiuri.
Caligiuri steht wie kein anderer Spieler für den gesamten Kader: phasenweise große Klasse, dann wieder kaum der Rede wert. Könnte man Caligiuri so trainieren und im Mannschaftsgefüge so positionieren, dass er formstark bliebe, wäre er für viele Bundesligamannschaften eine Bereicherung.
Pepi hat in einer Bundesligamannschaft nichts verloren
Hochproblematisch bleiben beim FCA (neben den Torhüterqualitäten) die Außenbahnen: Vargas und Iago sind links in der Defensive zu schwach, Framberger und Gumny defensiv wie offensiv zu oft unter Bundesliganiveau. Bezüglich der Innenverteidigung gehört der FCA zu den Top-Mannschaften der Bundesliga: Oxford und Uduokhai sind Riesen, auch wenn sie zuletzt unter ihrem Niveau spielten. Gouweleeuw fällt dagegen etwas ab, zeigte insgesamt zu wenig Führungsspirit, schoss zu viele Böcke im Stellungsspiel wie im Spielaufbau. Gut möglich, dass er unter Maaßen sein Kapitänsamt abgeben muss. Mit Maximilian Bauer steht für die Innenverteidigung ein interessanter Neuzugang parat.
Mit Neujustierungen kleiner Stellschrauben könnte Maaßen nicht nur Zeichen setzen, sondern auch den Kader in eine Spur bringen, in der Strukturbildung im Zusammenhang mit verbesserter individueller Klasse in eine Form gegossen wird, die ein Kontinuum bildet, eine Zuverlässigkeit herstellt, auf die man sich jedes Wochenende freuen könnte.
Der FCA gab in den vergangenen Spielzeiten ein Bild ab, als würde jeder Spieler halbwegs ordentlich und leidenschaftslos seinen Stiefel herunterspielen. Damit soll nun Schluss sein. Doch um den FCA im Spiel nach vorne variabler und erfolgreicher zu machen, bräuchte es aber (neben einem passfähigen Torhüter) noch ein oder zwei starke Zielspieler im Sturm. Pepi hat in einer Bundesligamannschaft nichts verloren und Niederlechner nur, wenn er wieder zu der Form zurückfindet, die er in seinem ersten FCA-Jahr hatte. Malone scheint eine ewige Versprechung zu bleiben. Das Transferfenster ist bis 1. September geöffnet.
Wer wird Präsident?
Der FCA geht zum ersten Mal seit seiner Rückkehr in den Profifußball ohne einen “Besitzer-Präsidenten” in die Saison und ordnet sich in Sachen Führung neu. Mit einem neuen Trainer, einem neuen Präsidenten (mit Stallgeruch) und – so die Hoffnung – einer neuen Spielkultur startet der FCA in zwei Wochen in die neue Saison. Ein spannender Prozess hin zu einer neuen Philosophie, aber ein Prozess, der nicht allzu lange dauern darf.
Konkret sieht es nämlich so aus, dass wegen der Katar-WM der Ligabetrieb nach dem 15. Spieltag vom 12. 11. 22 bis 21.1. 23 für zehn Wochen eingestellt wird. Nach dem 15. Spieltag beginnt eine lange “Winterpause”, die dann zu Ende ist, wenn in Deutschland der Winter beginnt.
“Wegen Katar dürfte Maaßen Weihnachten noch in Augsburg feiern”, spottete bei der Trainervorstellung ein Augsburger Sportjournalist hinter vorgehaltener Hand, der daraufhin daran erinnert wurde, dass ein gewisser Dirk Schuster bereits nach 14 Spieltagen gehen musste. Kurzum: Auch ein Enrico Maaßen muss liefern. Aufbruchstimmung hin oder her: Löst Maaßen sein Versprechen nicht ein, muss er damit rechnen, dass ihm die Vorschusslorbeeren vom Haupt fliegen und sein Vertrag so viel zählt wie eine Wolke im Wind.
Sollte Maaßen scheitern, bleiben alle Fragen offen
Am 31. Juli erwartet den FCA in Lohne eine lösbare Aufgabe im DFB-Pokal, dann beginnt der heiße August mit den Bundesligaspielen gegen Freiburg(H), Leverkusen(A), Mainz (H), und Hoffenheim (A). Dann folgen im September Hertha (H) und Bremen (A). Dann folgt eine Englische Woche mit einem Heimspiel gegen Bayern (ohne Lewandowski) und Schalke (A). Nach diesen neun Spielen sollte man den “neuen FCA” nach den Versprechungen von Maaßen bewerten. Sollte Augsburgs Werbeträger Nummer eins weiterhin denselben hässlichen Fußball spielen, wie in den vergangenen Jahren, dann gilt für Maaßen frei nach Brecht, dass sich für ihn der Vorhang schließt. Und zurück bleiben wir betroffen – und alle Fragen offen.