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Montag, 07.10.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Engagement für Integration und Partizipation rund um die Uhr

Dass das Thema Integration gerade Konjunktur hat, verdeutlichen die Veranstaltungen, die letzte Woche im Café Tür an Tür, im Zeughaus und im Holbein Gymnasium stattfanden. Neben der fast derselben Teilnehmerzahl wiesen sie eine weitere Gemeinsamkeit auf: Das Engagement für Teilhabe und Chancengerechtigkeit.

Von Udo Legner

Großes Kino im Café Tür an Tür

Der Einladung des Augsburger Bildungsbündnisses zum bereits traditionellen Filmabend folgten 23 Leute – eine Zahl, die die Organisatoren angesichts der nach wie vor anhaltenden Besucherflaute in den Augsburger Programmkinos durchaus zufrieden stimmte. Der dort präsentierte Film „Die Schüler der Madame Anne“ geht auf eine wahren Begebenheit zurück und spielt in einem Pariser Vorort, der als sozialer Brennpunkt gilt. Obwohl ihre Schüler durch scheinbar unüberbrückbare Differenzen gespalten und durch fehlende Unterstützung im Elternhaus keinerlei Motivation zeigen, geht die ambitionierte Geschichtslehrerin Madame Anne einen Schritt, der bei der Schulleitung und im Kollegium auf Befremden stößt: Sie meldet ihre Klasse für den Concours National de la Résistance et de la Déportation an, einem landesweiten Wettbewerb, der seit über 50 Jahren an sämtlichen französischen Schulen (in Collèges wie in Lycées) durchgeführt wird. Als die Lehrerin einen Zeitzeugen des Holocausts einlädt und mit der Klasse die Pariser Shoa-Gedenkstätte besucht, beginnen die Jugendlichen sich für das Thema zu interessieren und ihre bisherigen Einstellungen zu ändern. In dem anschließenden Filmgespräch waren sich die Besucher darin einig, dass es solche Projekte an deutschen Schulen eher die Ausnahme als die Regel sind. Integrationsmassnahmen in und außerhalb der Schule gebe es insbesondere für Flüchtlinge aus der Ukraine, während es für Migranten aus anderen Krisenregionen weniger rosig aussehe. Doch in Bezug auf den dringend höheren Stellenwert von Erinnerungskultur an Schulen gebe es –  zumindest in diesem Schuljahr  – durch die Anne-Frank Ausstellung allen Grund zur Hoffnung. Diese findet, nachdem sie wegen der Corona-Pandemie drei mal verschoben wurde, ab Ende Juni im Augsburger Rathaus mit einem attraktiven Begleitprogramm (Lesungen, Theater, Filme) für die Schulen statt.

Klausurtagung des neuen Augsburger Integrationsbeirats

Zwanzig Mitglieder des neuen dreißigköpfigen Augsburger Integrationsbeirats machten sich am Samstag in einem siebenstündigen Arbeitstreffen daran, sich über ihre Erwartungen, Ziele und Utopien für ihre vierjährige Amtszeit auszutauschen. Der zu gleichen Teilen aus Frauen und Männer bestehende Integrationsbeirat, der durch ein Auswahlverfahren bestimmt worden war, war sich darin einig, dass die Vorzeichen für eine erfolgreiche Amtszeit aufgrund der beruflichen Erfahrungen und Netzwerke der neuen Integrationsbeiräte durchaus gut stünden, auch wenn das Gestalten eines besseren Miteinanders und Zusammenlebens der verschiedenen  Bevölkerungsgruppen in der Augsburger Stadtgesellschaft (47 Prozent aller Augsburger haben einen Migrationshintergrund) durchaus eine Herkulesaufgabe sei.

Der Ausbau der Kooperationen mit Migrantenorganisationen, das Schaffen von neuen Begegnungsorten in den Stadtteilen und mehr Partizipation bei kommunalen Weichenstellungen – dies waren die Ziele, die in der Klausurtagung des neuen Integrationsbeirats festgelegt wurden. 

Der neue Augsburger Integrationsbeirat mit der Vorsitzenden Didem Karabulut (links) und dem Leiter der Geschäftsstelle des Integrationsbeirats, Robert Vogl (rechts) – Foto: DAZ

Willkommenskultur wie auf dem Wunschzettel am Holbein Gymnasium 

22 Schüler aus der Ukraine befinden sich seit einer Woche in der Willkommensklasse des Holbein Gymnsiums, auf deren Stundenplan neben 15 Stunden Deutschunterricht jeweils drei Stunden in den Fächern  Kunst, Sport, Musik und Kochen stehen. Im Deutschunterricht sind sie in drei Kleingruppen eingeteilt, was der Schüler-Lehrerbeziehung sehr förderlich ist und ein Eingehen auf die recht unterschiedlichen Sprachkenntnisse der Schüler ermöglicht, die vom Alter allesamt in der. 8. und 9. Jahrgangsstufe sind. Ermöglicht wird diese  Aufteilung in der ansonsten unter Raumnot leidenden Schule durch die Abiturphase – die 12. Jahrgangsstufe erscheint nur noch zu den Prüfungen – und zum anderen durch die Einstellung neuer Lehrkräfte. Thomas Körner-Wilsdorf, Mitarbeiter der Schulleitung, weist darauf hin, dass es bislang keine Informationen aus dem Kultusministerium gibt, ob diese Fördermaßnahmen auch im nächsten Schuljahr fortgesetzt werden können.

Rekrutierung und Finanzierung der Lehrkräfte

Für Willkommensklassen  – auch am Anna Gymnasium, am Bayernkolleg und an der Waldorfschule gibt es Willkommensgruppen  – steht staatlichen Schulen ein Budget von 40 Wochenstunden zur 

Verfügung. Unterstützung bei der Personalsuche erhält die Schule von der ukrainischen Community sowie von der Organisation Tür an Tür. Ergänzt wird das benötigte Personal durch den Einsatz und das ehrenamtliche Engagement von Eltern und pensionierten Lehrkräften. Laut Studiendirektor Körner-Wilsdorf laufe in den Schulen, nicht nur am Holbein Gymnasium und längst nicht nur für ukrainische Schüler, die soziale Beratung, der sprachsensible Unterricht und die Ganztagsbetreuung generell gut. Dies wird auch von Schulsprecher Emil Winklharrer bestätigt, der die positive Aufnahme der Ukrainischen Schüler durch die Schulfamilie hervorhebt, in der die interkulturelle Arbeit und das Miteinander seit jeher einen hohen Stellenwert haben.

Stadtführung für die ukrainische Willkommensklasse durch die Pensionäre Hans Schweiger (links) und Bernhard Kamm (rechts) – Foto: Udo Legner

Hausaufgaben für die Zukunft: Zwischennutzung von Leerständen

Abhilfe der massiven Raumnot an den Augsburger Schulen könne die Nutzung von Leerstände in der Innenstadt schaffen. Die Umgestaltung der Leerstände zu Lehrstätten und Treffpunkte Mitgestaltung durch und für die ukrainischen Schülerinnen und Schüler würde die Platznot an den Schulen verringern, die Lernmotivation steigern und zudem deutlich machen, dass Partizipation und Integration keine Worthülsen sind.