Kritik an Stadtregierung wegen Schließung von Stadtteilbüchereien und Schwimmbad
Die Augsburger Stadtregierung, insbesondere Personalreferent Frank Pintsch, stehen in der Kritik. Die Opposition wirft der Stadt Mängel in der Bildungs- und Sozialpolitik vor. Es geht um die Personalumstrukturierungen bezüglich der Corona-Pandemie.
Von Siegfried Zagler
Im Julistadtrat 2021 gab es dazu einen mündlichen Bericht. Im August wurde der Ältestenrat dahingehend informiert, dass die Stadt das Gesundheitsamt personell erheblich aufstocken werde, um die zu erwartende Covid-19-Welle besser in den Griff zu bekommen, als das im Sommer 2020 der Fall war. Personal müsse von anderen Ämtern abgezogen werden, damit die Infektionsketten-Verfolgung besser funktioniere.
“Von einer Schwimmbadschließung und Stadtteilbücherei-Schließungen sei explizit dabei nicht die Rede gewesen, erinnert sich der SPD-Fraktionsvorsitzende Florian Freund an die Sitzung des Ältestenrats. Einwände gab es aus diesem Gremium deshalb keine.
Am 10. September, also genau vor einem Monat, informierte die Pressestelle der Stadt via Pressemitteilung allerdings darüber, dass die Stadt einige Dienstleistungen vorübergehend einschränken werde. Dies sei dem erhöhten Personalbedarf geschuldet, “der im Gesundheitsamt zur Pandemie- Bewältigung zwingend erforderlich ist”, so die Stadt in ihrer Pressemitteilung, die offensichtlich von der Opposition und den Medien nicht groß beachtet wurde, da kurz vor Schulbeginn andere Corona-Themen im Fokus waren. Von einer Komplettschließung der Stadtteilbüchereien in Göggingen und Lechhausen war dabei nicht die Rede, sondern von eingeschränkten Öffnungszeiten.
Pintsch: Einschränkungen angesichts steigender Inzidenzen unvermeidbar
Inzwischen wurden 150 städtische Personalkräfte für die Erfassung von Indexfällen, bei der Kontaktpersonennachverfolgung, an der Corona-Hotline oder im Bereich der Corona-Einreise-Verordnung umbeordert. Von den personellen Umstrukturierungen betroffen sind fast alle Bereiche der Stadtverwaltung – mit der Konsequenz, dass das Bauplanungsamt mit seinen Planungen länger braucht und im Bürgeramt der Bereich Sozialversicherung nicht voll besetzt ist. Am sensibelsten sind aber die Einschränkungen im sozialen Bereich. So wurden die Stadtteilbüchereien in Lechhausen und Göggingen entgegen der städtischen Ankündigung komplett geschlossen, für das Haupthaus in der Innenstadt wurden die Besuchszeiten reduziert, ebenso für die Stadtteilbücherei in Kriegshaber. Das Hallenbad in Göggingen wurde für die Öffentlichkeit geschlossen und ist nur noch für Vereine und Schulsport offen.
Opposition: Das ist nicht unser Verständnis von moderner und ausgleichender Bildungs- und Sozialpolitik
“Bis auf Weiteres”, so die Stadt, deren zuständiger Ordnungs- und Personalreferent Frank Pintsch dazu sagt, dass der Gesundheitsschutz für die Bürgerinnen und Bürger in Augsburg nach wie vor höchste Priorität habe. “Zur Erfüllung der vom Freistaat Bayern vorgeschriebenen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung mobilisieren wir alle notwendigen Kapazitäten und versuchen gleichzeitig Einschränkungen im städtischen Dienstleistungsangebot so gut wie möglich zu vermeiden”, so Pintsch, der betont, dass die beschriebenen Einschränkungen im Leistungsangebot der Stadt angesichts steigender Inzidenzen jetzt unvermeidbar seien.
Die Schließung des Gögginger Bades für die Öffentlichkeit und die komplette Schließung der Stadtteilbüchereien in Göggingen und Lechhausen stoßen jedoch auf eine Kritik-Kanonade. Die Fraktion SPD/DIE LINKE-die soziale fraktion fordert in ihrer heutigen Stellungnahme ein Umsteuern seitens der Stadtregierung.
“Wir haben bei der Stadt Augsburg über 6500 Mitarbeiter*innen, welche in verschiedenen Bereichen tätig sind. Warum gerade aus diesen Bereichen Personal so abgezogen werden muss, dass die Einrichtungen komplett geschlossen werden müssen, erschließt sich mir nicht. Lange genug waren Freizeit- und Kultureinrichtungen durch Lockdowns geschlossen, es besteht also ein massiver Bedarf bei den Menschen in unserer Stadt. Es ist unsere Verpflichtung, diesen Bedarf so gut wie möglich zu decken. Besonders bedauerlich ist es, dass mit den Stadtteilbüchereien und dem Gögginger Bad Einrichtungen betroffen sind, deren Nutzer bereits in den letzten Corona-Wellen starke Einschränkungen verkraften mussten: Familien mit Kindern und Seniorinnen und Senioren. Das ist nicht unser Verständnis von moderner und ausgleichender Bildungs- und Sozialpolitik“, so Florian Freund (SPD), der der Fraktion vorsitzt.
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Frederik Hintermayr (Linke) sieht die Stadtverwaltung in einem hausgemachten Dilemma: “Grundsätzlich sind die Bemühungen der Stadtregierung die Corona-Nachverfolgung besser sicherzustellen, als dies im vorherigen Jahr war, löblich. Dieses Personal jedoch genau dort abzuziehen, widerspricht allen gemeinsam im Stadtrat bekundeten Bemühungen, öffentliches Leben stattfinden zu lassen. Problematisch ist, dass das städtische Personal an vielen Stellen auf Kante genäht ist. Statt weiter Geld in Prestigeobjekte der Stadtregierung zu pumpen, sollte sowohl besser Personal zur Sicherung von Öffnungszeiten der Bibliotheken und Bäder als auch für eine funktionierende Corona-Nachverfolgung eingestellt werden.”
Förderverein: Diese Einrichtungen müssen massiv gestärkt werden
Kurt Idrizovic, der für die “Freunde der Stadtbücherei Augsburg e.V.” spricht, zitiert aus einer neueren Untersuchung der “Akademie für Sprache und Dichtung”, die darauf hinweist, das die Kluft der Lesefähigkeit zwischen Kindern aus bildungsfernen Schichten und Kindern aus bildungsorientierten Familien dramatisch gewachsen sei. “Diese Einrichtungen müssen jetzt massiv gestärkt werden, wenn wir nicht ein Fünftel der Kinder zu Analphabeten machen wollen. Hier arbeitet das Fachpersonal, das Kinder und Jugendliche auf den Weg in die Teilhabe bringt und zu Demokraten ausbildet, die zwischen Realität und Fake-News unterscheiden können”, so Idrizovic, der sich mit seinen Projekten seit vielen Jahren für das Lesen einsetzt.