“Zurück zur Sachpolitik”
Sechs Augsburger CSU-Stadträte steigen aus
Wie bereits berichtet haben sechs Stadtratsmitglieder am gestrigen Dienstag der CSU den Rücken gekehrt und bilden ab sofort eine eigene Fraktion mit dem Namen “Neue CSM”. Vorausgegangen waren seit längerem schwelende Querelen auf personeller Ebene.
“Wir müssen und wollen uns wieder der Sachpolitik in Augsburg zuwenden, Augsburg hat Sachpolitik verdient”. Mit diesen Worten leitete Bürgermeister Hermann Weber, einer der sechs Neufraktionäre, die Begründung der neuen Gruppierung ein, sich von der CSU zu trennen und eine eigene Fraktion zu bilden. Weber bescheinigte Oberbürgermeister Kurt Gribl eine “ausgezeichnete Politik für Augsburg”. Der OB habe auch in der Zusammenarbeit mit München “Exzellentes für die Stadt erreicht”. Die Neue CSM denke deshalb nicht daran, im Stadtrat Mehrheiten umzustürzen: “Wir wollen dem Oberbürgermeister nach wie vor die Mehrheit sichern”, so Weber.
Claudia Eberle, am Montag zur Vorsitzenden der neuen Fraktion gewählt, erklärte, wie es zu dem Namen “Neue CSM” (Neue Christlich Soziale Mitte Augsburg) kam. Man sei keine Kopie der CSM, die sich vor 30 Jahren von der CSU abgespalten hatte. Aber auch damals habe man Sachpolitik statt Personalpolitik machen wollen, der Leitspruch sei “Der Ton macht die Musik” gewesen. Fairer Umgang miteinander und Sachpolitik statt Personalpolitik seien “die Dinge, die uns auf jeden Fall wichtig sind”. Auch Eberle betonte, dass die Neue CSM “zu 100 Prozent” OB Dr. Kurt Gribl stütze.
“Das ist ein Schritt, der tut einem im Herzen weh”
Fünf der sechs Neukoalitionäre, Claudia Eberle, Dimitrios Tsantilas, Uschi Reiner, Rolf Rieblinger und Hermann Weber haben inzwischen auch offiziell der CSU den Rücken gekehrt und ihre Mitgliedschaft aufgekündigt. Wolfgang Kronthaler will diesen Schritt mittelfristig ebenfalls tun: “Ich bin seit 1965, also 46 Jahre CSU-Mitglied, aber unter diesen personellen Querelen gibt es für mich kein Weiterbleiben in der CSU”, so der Noch-CSU-Stadtrat gestern.
Pressekonferenz der Neuen CSM: Rolf Rieblinger, Dimitrios Tsantilas, Claudia Eberle, Hermann Weber, Uschi Reiner und Wolfgang Kronthaler (v.l.)
Auf 38 Jahre CSU-Mitgliedschaft blickt Hermann Weber zurück, davon 28 Jahre in der Fraktion, die er neun Jahre leitete. “Das ist ein Schritt, der tut einem im Herzen weh”, so Weber zu seinem Parteiaustritt. Aber Versuche, innerhalb der CSU wieder “in Gleichklang” zu kommen, seien immer an “Verhaltensweisen des Kollegen Schley” gescheitert. Für Weber ist es deshalb undenkbar, jemals wieder auf einer Wählerliste mit Tobias Schley aufzutreten. “Das ist einfach eine Situation, wo ich sage, das tue ich mir nicht mehr an”.
Kein Platz im “Tableau der aufstrebenden Kräfte”
Das umfangreichste Statement gab Dimitrios Tsantilas in Form eines laut Weber “guten persönlichen Briefs, der alle unsere Gefühle subsumiert”, ab: Die CSU-Probleme hätten bereits bei der Listenaufstellung zur Kommunalwahl 2008 begonnen. Einige “gute politische Köpfe und charakterlich ansprechende Personen” hätten im “Tableau der aufstrebenden Kräfte” keine Zukunft gehabt. Weiter brandmarkte Tsantilas die “kompromisslose Personalpolitik von Tobias Schley mit Unterstützung von Dr. Volker Ullrich, Bernd Kränzle und weiteren Personen mit dem alleinigen und ausschließlichen Ziel der Sicherung bzw. Erreichung der eigenen politischen Karriere”. Die Interessen der Stadt Augsburg und der Augsburger würden bei deren Überlegungen keinerlei Rolle spielen.
Wenig gab es gestern zu den sachpolitischen Zielen der Neuen CSM zu hören. Man wolle “ein christlich-soziales Menschenbild nach außen vertreten”, so Weber. In einer Stadt Augsburg mit mehr als einem Drittel Menschen mit Migrationshintergrund sei es “für uns wichtig, dass alle, die in Augsburg sind, sich in Augsburg auch wohl fühlen. Darauf legen wir Wert, daran wollen wir mit sachlicher Politik arbeiten”.
» Der persönliche Brief von Dimitrios Tsantilas im Volltext (pdf, 37 kB)