„Zunächst müssen wir Ihre Recherchen im Stadtrat behandeln“
Stefan Kiefer äußert sich in der DAZ zum “Container-Drama” und erklärt, warum für die SPD der Container “verbrannt” ist.
Das Stadttheater produziert den Regen, in dem man es nicht stehen lassen soll, selbst. So geschehen am 2. März unter blauem Himmel auf dem Augsburger Rathausplatz. “Lasst uns nicht im Regen stehen” war eine Art erhellendes Happening in eigener Sache. Akteure des Stadttheaters brachten in einer einzigen szenischen Darstellung blitzlichtartig etwas auf den Punkt, das man im Gesamtbild des “Container-Dramas” als die “Regenmacher-Rolle” der Theaterleitung einschätzen könnte, wie es ein Artikel der DAZ tags zuvor nahe legte. SPD-Chef Dr. Stefan Kiefer sieht – “falls die Sachverhalte in der DAZ stimmen” – darin Vorgänge, “für die sich der Staatsanwalt interessieren könnte”. Warum Kiefer das Verhalten der Theaterleitung als “rechtwidrig” bewertet, erklärt der Fraktionsvorsitzende der SPD im DAZ-Interview.
Regen selbst produziert: Theaterdemo auf dem Rathausplatz
DAZ: Herr Dr. Kiefer, Sie haben in Ihrer Eigenschaft als Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Immobilienrecht und natürlich auch in ihrer Eigenschaft als Fraktionschef der Augsburger SPD im Bayerischen Rundfunk gesagt, dass Sie der Meinung sind, dass – falls der DAZ-Artikel stimme, sich der Staatsanwalt für die Vorgänge interessieren könnte. Sie können davon ausgehen, dass der DAZ-Artikel tadellos recherchiert ist – und alle Fakten belegbar sind. Wofür sollte sich denn nun genau der Staatsanwalt interessieren?
Kiefer: Der Staatsanwalt müsste prüfen, ob hier auf Seiten des Theaters und auf Seiten von Züblin konkret gegen die Vorschrift des § 298 Strafgesetzbuch verstoßen wurde. Danach sind Preisabsprachen bei Ausschreibungen und auch bereits die Abgabe eines rechtswidrigen Angebots strafbar. Der Zweck dieser Vorschrift liegt darin, den freien Wettbewerb sicher zu stellen und auch die Vermögensinteressen des Ausschreibenden zu schützen.
Wenn nun, wie in Ihrem Artikel beschrieben, die Theaterleitung im Rahmen der Ausschreibung für den Container sehr intensive Gespräche mit einem konkreten Bieter durchgeführt hat, letztendlich mit dem Ziel, dass dieser sich entsprechend vorbereiten und nur dieser den Zuschlag bekommen konnte, dann liegt klar eine Absprache vor, die den Wettbewerbszweck massiv unterläuft. Leidtragend ist dann aber nicht die Theaterleitung, sondern der Theaterbetrieb, die Stadt Augsburg und der Steuerzahler, der dies letztendlich bezahlt. Hätte die Regierung von Schwaben nicht aufgepasst, hätte die Stadtratsmehrheit – auf Empfehlung der Stadtregierung – gerade dieses einzige rechtswidrige Angebot auch noch beauftragt.
“Was Sie beschrieben haben, ist rechtswidrig und ein Skandal”
Da ein Staatsanwalt von Amts wegen strafbaren Vorgängen nachgehen muss, sollte er meines Erachtens diese Vorgänge rund um die mehrfach missglückte Ausschreibung des Theatercontainers prüfen. Ob sich jemand letztendlich strafbar gemacht hat, als Täter, Anstifter oder in Form der Beihilfe, kann ich nicht abschließend beurteilen; das wäre Sache der Strafverfolgungsbehörden und der Gerichte. Ein Verdacht drängt sich jedenfalls auf. Aber unabhängig davon, ob sogar ein Straftatbestand erfüllt wurde, ist das, was Sie beschrieben haben, glatt rechtswidrig und ein Skandal!
DAZ: Seit gestern ist öffentlich bekannt, dass die neue Ausschreibung für den Theatercontainer in eine ganz andere Richtung geht als die alte. So bewertet das die DAZ, auch wenn gestern im Bauausschuss vom Baureferenten eine andere Sprachregelung für den heiklen Sachverhalt verwendet wurde.
“Es konnten aus dieser Ausschreibung keine unterschiedlichen Lösungsvorschläge kommen”
Kiefer: Ja, wir wurden darüber unterrichtet, dass zwar wieder eine sogenannte funktionale Ausschreibung durchgeführt werden soll, diesmal aber das Bauvorhaben aufgeteilt wird in mehrere Teilleistungen und auch mehr Spielraum für den Anbieter eröffnet. Das halte ich im Kern für richtig – auch wenn ich den Container ablehne. Denn die im ersten Durchlauf verwendete funktionale Ausschreibung mit enorm vielen Vorgaben im Detail und einer völlig unrealistischen Zeitvorgabe – bei gleichzeitig noch ungelösten Fragen des Bau- und Nachbarrechts – hat ihren eigentlichen Zweck schon im Vorfeld eingebüßt: Es konnten aus dieser Ausschreibung keine unterschiedlichen Lösungsvorschläge kommen, sondern nur ein einziges Angebot eines Großkonzerns mit eigener Planungsabteilung, der den Wunschkatalog aus der Ausschreibung schon einmal in der Praxis umgesetzt hat. Als ich das im Stadtrat vor 5 Monaten bemängelte, wurde ich dafür vom Oberbürgermeister, der sich selbst in solchen Dingen bestens auskennt, heftig kritisiert. Nun wird genau an diesem Kritikpunkt von damals korrigiert.
DAZ: Womit man bei der empfindlichen Frage landet, wer in der Hauptsache dafür verantwortlich gemacht werden kann, dass für die 185.000 Euro Kosten für die Ausschreibung (laut Baureferat 185.000, Kulturreferent Grab taxiert die Summe auf 172.000), die Stadt keine Leistung bekam. Beziehungsweise – sagen wir mal so – eine nicht funktionierende Ausschreibung bekam.
“Das Geld für die erste Ausschreibung war für die Katz”
Kiefer: Beziehungsweise eine Ausschreibung bekam, die eine reine Farce war. Man hätte gleich zur Firma Züblin gehen, ihr alle Wünsche mitteilen und um die direkte Abgabe eines Angebots bitten können – wenn die Stadt Augsburg nicht dummerweise bei dieser Größenordnung des Bauvorhabens gesetzlich zur öffentlichen Ausschreibung verpflichtet wäre.
Wie auch immer, das Geld der ersten Ausschreibung war für die Katz. Verantwortlich sind die, die diese Form der Ausschreibung gewählt und zugelassen haben oder aber wider besseres Wissen nicht dagegen eingeschritten sind. Da kommen für mich die Theaterleitung, das ausschreibende Büro PFP selbst, der Kulturreferent und der Baureferent in Betracht. Mindestens, denn wir haben ja noch einen in Bausachen sehr erfahrenen 2. Bürgermeister und Kämmerer, sowie einen ebenso in Bausachen besonders erfahrenen Oberbürgermeister; wie weit die beiden im Thema waren, weiß ich noch nicht. Nach meinen Erfahrungen zum Curt-Frenzel-Stadion ist es leider schwierig, den konkreten Tatbeitrag der einzelnen Beteiligten herauszufiltern.
Den Hut in dieser Sache hatte aber formal der KuSpo-Referent Grab auf. Er hätte im Interesse der Stadt das Theater und den Vorgang “Interimspielstätte” so überwachen und betreuen müssen, dass sich das Theater nicht derart verselbständigt. Merkle und seine Leute haben dies wohl erkannt, sind aber auch nicht eingeschritten. Zumindest haben Sie darüber geschrieben. Auch das wäre nicht in Ordnung. Die beiden Referenten müssen ein Team sein, ob es ihnen passt oder nicht!
DAZ: Herr Kiefer, bei dem “verpufften” Betrag handelt es sich um Steuergelder der Stadt Augsburg. “Das Geld war für die Katz”, wie Sie sagen. Immerhin zirka 180.000 Euro. Sie haben im Bayerischen Rundfunk am 4. März gesagt, dass die SPD Rede und Antwort verlangen werde, von der Theaterleitung, aber auch von den Referenten. Welche Möglichkeiten haben Sie denn als Rathausopposition, um die am Verfahren Beteiligten so unter Druck zu setzen, dass Sie “Rede und Antwort” geben müssen?
“Man gelangte so zwangsläufig zum Wunschobjekt des Theaters, dem Container”
Kiefer: Zunächst müssen wir Ihre Recherchen im Stadtrat behandeln. Eigentlich müsste der öffentliche Druck insoweit schon viel größer sein. Dieser Skandal verdient es. Wir werden in jedem Fall zunächst im Rahmen einer Anfrage konkrete Fragen an die Theaterleitung und die beiden Referenten stellen. In der Hoffnung, dass sie dies alles offen und ehrlich beantworten. Wenn wir mit dem Ergebnis nicht zufrieden sind, werden wir weitere Schritte überlegen. Mehr will ich dazu noch nicht sagen.
DAZ: Alles andere als ein Theatercontainer neben dem Theater würde das Theater insgesamt gefährden, die Gesamtsanierung für das große Haus ginge mit einer anderen Interimsspielstätte für das Schauspiel schwerlich beziehungsweise gar nicht voran. So wurde die Notwendigkeit eines Theatercontainers in der Kasernstraße begründet. Teilen Sie diese Einschätzung inzwischen nicht mehr?
Kiefer: Nein, diese Einschätzung in dieser Absolutheit habe ich noch nie geteilt. Wir waren uns nur einig, dass das Theater eine zweite Spielstätte braucht und diese unmittelbar neben dem Stadttheater ein gewisses Einsparpotenzial mit sich brächte. Für die SPD waren aber immer auch andere Faktoren für eine zweite Spielstätte wichtig, wie zum Beispiel die Belebung der Altstadt durch die Komödie. Deswegen haben wir ja auch gegen die Kündigung der Komödie gestimmt. Letztendlich tue ich mir nach den Vorkommnissen rund um die Farce-Ausschreibung für den Container schwer, all den anderen Analysen, Gegenüberstellungen, Gutachten, auf die sich die Theaterleitung in seiner Argumentation gestützt hat und die letztlich zum Container geführt haben, überhaupt noch Glauben zu schenken. Was bei der Ausschreibung passiert ist, kann ja auch bei der Erstellung dieser Unterlagen passiert sein. Man gelangte so zwangsläufig zum Wunschobjekt des Theaters, dem Container. Aber alternativlos ist der Container sicher nicht. “Alternativlos” war zu Recht das Unwort des Jahres 2010.
DAZ: Zum Schluss noch eine persönliche und eigentlich unverschämt schwierige Frage. Sie haben sich im Sommerinterview der DAZ gegenüber als Theaterfreund geoutet. Die SPD stehe ohne Wenn und Aber zum Drei-Sparten-Theaterstandort Augsburg. Warum braucht eine Kleinstadt wie Augsburg ein Drei-Sparten-Haus? Diese Frage fällt mir dazu vorab ein. Doch nun zur schwierigen Frage: Was muss ein gutes Theater in Augsburg haben bezieungsweise machen – und wie? – damit es ihrer Meinung nach gut ist?
“Vielleicht gehören teure perfekte Spielstätten sogar schon bald der Vergangenheit an”
Kiefer: Augsburg ist eine Kulturstadt – unabhängig vom jeweiligen Kulturreferenten – und muss die Chance nützen, in diesem Bereich zu punkten, mit den Pfunden zu wuchern. Dazu gehört quasi als Flaggschiff auch ein Drei-Sparten-Theaterstandort. Augsburg ohne Kultur ist wie Heidelberg ohne Universität oder Hamburg ohne Hafen. Undenkbar.
Zwei Aufgaben sollte das Theater aus meiner Sicht erfüllen: Zum einen muss es qualitativ gut, auf der Höhe der Zeit sein, um auszustrahlen; allein der Name Brecht in Augsburg verlangt auch Offenheit und Modernität. Dafür ist aber nicht die modernste und teuerste Spielstätte entscheidend. Vielleicht gehören teure perfekte Spielstätten sogar schon bald der Vergangenheit an. Die Bühnenerlebnisse, die mich am meisten bewegt haben, waren sehr kreativ: ein Lesetheater nur mit einem Tisch und zwei Stühlen zu Ödon von Horvaths “Jugend ohne Gott” auf dem “Lusterboden”, einem Dachspeicher des Wiener Burgtheaters und ein Lesetheater zu Orwells “Farm der Tiere” in einer Dresdner Kneipe, vorgespielt von Schauspielern, die die DDR erlebt haben. Prickelnd! Und dabei haben Dresden und Wien durchaus pompösere Spielstätten als die beiden benannten Räume. Aufwändige Musical-Aufführungen wie “Les Miserables” oder “Das Phantom der Oper” in Hamburg und Duisburg haben mich dagegen – trotz bester Kulissen und Theaterräume – vergleichsweise kalt gelassen.
Soviel zur notwendigen Qualität, wie ich sie erwarte. Zum anderen muss sich Theater in Augsburg schon aufgrund der Höhe der Zuschüsse zwingend neues Publikum erschließen und begeistern, nicht nur die die Stammkundschaft der Etablierten und Bildungsbürger, sondern gerade auch Menschen aus der Arbeiterschaft oder Migranten.
In beiden Bereichen – ich denke da nur an “Die Weber von Augsburg” – stimmte mich unser Augsburger Theater bislang recht hoffnungsvoll, weshalb ich eigentlich nicht nachvollziehen kann, weshalb es sich derart auf diesen Container eingeschossen hat. Nun hat das Theater sogar massiv Zuschauerverluste. Wir, die SPD würden das Theater eigentlich gerne weiter mit voller Kraft unterstützen, aber der Container ist für uns verbrannt. Und die Verantwortlichen für diesen Brand sitzen vielerorts, aber sicher nicht in der SPD-Fraktion!
DAZ: Herr Kiefer, vielen Dank für das Gespräch.
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Fragen: Siegfried Zagler.
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