„Zunächst ging es um ein Diskussionspapier und nicht um eine Beschlussvorlage“
Kulturreferent Peter Grab im DAZ-Interview zu seinem Biennale-Konzept
Die Grundkonzeption sei nicht die schlechteste Idee, aber man müsste sie differenzierter ausarbeiten. Diesen Satz hörte man zuletzt aus verschiedenen Mündern, also aus allen politischen Fraktionen und Ecken der Kulturschaffenden. Dennoch steht Grabs Biennale-Konzept vor dem Aus. Insgesamt fehle es an der konzeptionellen Feinabstimmung. Mitte September soll das Konzept in einem nichtöffentlichen Hearing von allen Festivalleitern als untauglich zurückgewiesen worden sein. Nicht nur die Opposition, sondern auch die CSU sei in diesen Kanon eingestimmt. „Sollte ich keine Mehrheit für das Konzept erhalten, so kann ich wenigstens für mich beanspruchen, dass ich zu sparen versuchte“, so Grab im Gespräch mit der DAZ.
Kulturreferent Peter Grab (rechts) im Gespräch mit DAZ-Herausgeber Siegfried Zagler
DAZ: Herr Grab, Ihr Biennale-Konzept war von Ihnen als Diskussionspapier vor der Sommerpause im Kulturausschuss vorgestellt worden. Im Vorfeld dieser Präsentation haben Sie es wie ein Geheimdokument unter Verschluss gehalten. Sogar den OB haben Sie nicht in Kenntnis gesetzt und die Stadträte von Pro Augsburg wollten auch nichts davon gewusst haben. Nach dem Hearing Mitte September steht das Konzept vor dem politischen Aus. Wäre es nicht besser gewesen, die Festivalleiter und die politischen Weggefährten bereits in der Ideen- und Entwicklungsphase mitzunehmen?
Grab: Ihre Informationen treffen nicht zu, ich habe das Konzept nicht unter Verschluss gehalten – warum sollte ich? Schließlich ging es zunächst „nur“ um ein Diskussionspapier und nicht um eine Beschlussvorlage. Das Gegenteil ist der Fall, sofern Sie nicht davon ausgehen, dass die Eröffnung einer Diskussion zuvor auch schon diskutiert sein muss. Nachdem ich alle Betroffenen persönlich informiert habe und selbstverständlich auch die politischen Weggefährten, habe ich das Konzept am 5. Juli im Kulturausschuss präsentiert in der Hoffnung auf eine somit angestoßene inhaltliche bzw. sachorientierte Diskussion. Diese fand bis heute nicht statt, auch nicht im nächsten Kulturausschuss am 25. Juli.
DAZ: Das klingt nun ein wenig missverständlich. Sie haben das Konzept am 5. Juli im Kulturausschuss vorgestellt und Ihre politischen Weggefährten erst am 25. Juli informiert?
Grab: Die politischen Weggefährten waren selbstverständlich vor der Präsentation im Kulturausschuss informiert, ebenso die Betroffenen. Festivalleiter, Stadträte und andere haben nun drei Monate Zeit gehabt, Modifizierungen oder Alternativen vorzuschlagen.
DAZ: Das stimmt. Ich habe mir extra das Protokoll vom 5. Juli angesehen. „Bürgermeister Grab merkt an, er sehe das Konzept als Diskussionspapier und er würde sich freuen, mit welcher Modifizierung auch immer, wenn man zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen könnte“, heißt es dort wörtlich. Öffentlich fand aber weder eine allgemeine Diskussion noch eine spezielle Modifizierungsdebatte statt. Mir sind auch keine internen Handlungs- und Bearbeitungsvorgänge bekannt. Hätten Sie sich nicht mit dem Referat 5 im Rücken um Modifizierungsvorschläge bemühen beziehungsweise mit Nachhaltigkeit auf konstruktive Kritik insistieren sollen?
Grab: Selbstverständlich habe ich dafür geworben, gegebenenfalls Alternativvorschläge zu unterbreiten. Auch habe ich immer wieder darauf hingewiesen, dass dieses Konzept zusätzliche Optionen bietet. Leider waren die Rückmeldungen der Kritiker auf ein Nein beschränkt, es kamen keine Modifizierungsvorschläge. Vielmehr wurde mir stetig erklärt, dass Biennalen in Augsburg nicht gehen würden. Was schlichtweg nicht stimmt, da sie in vielen anderen Städten sehr wohl erfolgreich funktionieren. Leider begnügt man sich also wieder einmal fantasielos damit, alles beim Alten zu belassen – wider besseres Wissen, denn alle bekommen mit, dass Veränderungen vonnöten sind. Mir jedenfalls fehlt der Mut zu neuen Ideen und Konzepten nicht, das habe ich auch in der Vergangenheit bewiesen.
DAZ: Für Ihr kuspo-Konzept sind Sie in der Vergangenheit sehr hart kritisiert worden. Zuerst – das muss ich Ihnen aber nicht erzählen – von der DAZ. Es mag Sie deshalb möglicherweise – und unsere Leser möglicherweise noch mehr – überraschen, aber ich stimme Ihnen zumindest partiell in der Angelegenheit Biennale-Konzept zu. Eine Neuordnung der unübersichtlich gewachsenen städtischen Festivalveranstaltungen wäre dringend nötig – unabhängig vom Spardruck müsste ein Gesamtkonzept erstellt werden.
“Viele vor mir wagten sich an das unpopuläre Thema nicht heran”
Grab: Not setzt Energien, Kreativität und Fantasie frei. Jetzt ist – eben aufgrund des Sparzwangs – der Zeitpunkt gekommen, über solche Grundkonzeptionen nachzudenken. Viele vor mir wagten sich an das – bei den Kulturschaffenden unpopuläre – Thema nicht heran. Man beschränkte sich auf punktuelle Kürzungen, oft genug wurden diese in besseren Haushaltszeiten wieder zurück genommen. Wie bei der Grundlagenermittlung für den Theaterstandort Augsburg gehe ich solche Themen lieber gesamtheitlich an. Nur so sind essentielle und zukunftsorientierte Veränderungen möglich. Außerdem beschränke ich mich bei meinem Konzept nicht nur auf das nackte Sparen. Das wäre nicht kreativ.
DAZ: Man bräuchte längst eine Grundaussage zu einer noch nicht gestellten Frage: Wohin will sich die Stadt mit ihren Festivals entwickeln? Ihr Biennale-Vorschlag hätte in weniger aufgeregten Zeiten vermutlich als erster Schritt dafür getaugt. Nach Informationsstand der DAZ werden Sie am 10. Oktober im Kulturausschuss dafür aber keine Mehrheit finden. Die CSU wird dagegen stimmen. Hauptkritik: Es sei nicht gesichert, dass im zweijährigen Turnus die Fördergelder nicht versiegen.
Grab: Sollte ich keine Mehrheit für das Konzept erhalten, so kann ich wenigstens für mich beanspruchen, dass ich zu sparen versuchte. Ob Fördergelder versiegen oder nicht, zeigt sich erst nach entsprechenden Verhandlungen mit den Fördergebern. Sicher ist, dass Biennale-Festivals an anderen Orten sehr wohl gefördert werden – von Sponsoren wie von der öffentlichen Hand. Warum sollten also Förderer von Augsburger Veranstaltungsreihen ausbleiben, wenn sie entsprechend des Biennale-Konzepts ebenfalls sparen können und gleichzeitig die Festivals im jeweils zweiten Jahr stärker unterstützen?
DAZ: Und warum wollen Sie nun alle Festivals in einen zweijährigen Turnus pressen?
Grab: Nicht alle. Das Friedensstadtprofil soll vor dem Hintergrund des immens hohen Anteils der Bevölkerung mit Migrationshintergrund gestärkt hervor gehen. Gleichzeitig bietet der optionale Zusammenschluss von diversen Veranstaltungsreihen unter dem Dach von „City of Peace“ die Möglichkeit, auch weiterhin jährlich stattfinden zu können, indem die sich daraus ergebenden Synergieeffekte zu entsprechenden Einsparungen führen. Diese Bereitschaft wird jedoch nicht dadurch gefördert, indem Stadträte Festivalleiter ermuntern, dass sie (angeblich) von Kürzungen bzw. dem Biennale-Prinzip verschont bleiben würden. So kann kein kreativer Handlungszwang entstehen. Und am Ende haben die Haushaltsexperten das Sagen …
„Vielmehr stärke ich mit meinem Konzept die Festivals, indem sie künftig über einen höheren Etat verfügen würden“
DAZ: Ihre Kritiker werfen Ihnen auch vor, dass Sie mit „dem Rasenmäher“ über die Veranstaltungsreihen fahren, keine Unterschiede zwischen Elefanten (Brechtfestival) und kleinen Tieren machten (lab30) und somit sozusagen im Konzept zuwenig Konzept zeigen.
Grab: Die “Rasenmähermethode” ist in Wirklichkeit diejenige, wie sie nun im dritten Jahr nacheinander vom Stadtrat angewandt wurde, als pauschal alle betroffenen Haushaltsstellen gekürzt wurden. Das ist eben nicht mein Ansatz. Vielmehr stärke ich mit meinem Konzept die Festivals, indem sie künftig über einen höheren Etat verfügen würden. Darüber hinaus eröffnet das Konzept weitere Perspektiven wie zum Beispiel das erwähnte “City-of-Peace”-Programm. Und ich habe bei der wichtigsten Dachmarke einen klaren Schwerpunkt gesetzt, nämlich der Friedensstadt. Die so genannten “kleinen” Veranstaltungsreihen wie Jazzsommer, Filmtage, lab30 oder Klapps wollte ich nicht zugunsten der “Elefanten” Brecht und Mozart opfern, denn sie haben alle ihr berechtigtes Publikum und bereichern unsere kulturelle Vielfalt. Wer also kritisiert, man solle sich statt des Biennale-Konzepts auf die Dachmarken konzentrieren, muss auch dazu sagen, dass somit kein Geld mehr für die “kleinen” Festivals zur Verfügung stünde! Die größten Kritiker haben bis heute keinen Alternativvorschlag gebracht und beschränken sich auf ein reflexartiges Nein, ohne die Konsequenzen zu bedenken.
„Alle sollten einen Solidarbeitrag leisten“
DAZ: Das Verhältnis zwischen der Einsparung und dem, was man damit kaputtmache stimme nicht. Das leuchtet doch ein und ist am deutlichsten bei den kleinen Veranstaltungsreihen nachvollziehbar.
Grab: Entweder oder! Alle sollten einen Solidarbeitrag leisten, ob groß oder klein. Der Beitrag der “Kleinen” ist logischerweise entsprechend geringer. Bei den zuletzt vom Stadtrat beschlossenen Sparmaßnahmen wurden auch Bagatellbeträge mit beschlossen – nach dem Grundsatz, dass alle Haushaltsstellen betroffen sein müssten und auch Bagatellbeträge in der Summe eine ordentliche Summe ausmachen. Andersherum: Soll man nur bei den “Elefanten” sparen? Mit welcher Berechtigung? Alle Festivalleiter haben bisher geklagt, dass sie über einen zu geringen Etat verfügen. Sparauflagen sind also für alle schmerzhaft. Ein Solidarbeitrag ist jedoch erst einer, wenn alle mitmachen. Wenn bei der Bildung oder bei den Sozialausgaben gespart wird, wieso dann nicht bei den großen wie kleinen Festivals?
DAZ: Nach unserem Wissenstand gibt es sogar innerhalb der Grünen Stimmen, die das Biennale-Konzept als verbesserungswürdig betrachten. Implizit heißt das, dass es fortschreibungswürdig ist. Bei einigen Festivalleitern ist es nicht anders, obwohl sie in der Öffentlichkeit alles in Bausch und Bogen zurückweisen. Kann man nach dem 10. Oktober mit einem neuen Anlauf rechnen? Falls ja: Wie könnte der aussehen?
Grab: Der 10. Oktober ist überhaupt nicht entscheidend. Wenn mein Konzept dazu führt, dass am Ende ein Ergebnis erzielt wird, ist es mir egal, ob vor oder nach dem 10. Oktober. Bis jetzt haben wir jedenfalls unnötig viel Zeit verloren. Ich wünsche mir, dass gerade vor dem Hintergrund der langen Vorlaufzeiten von Festivals solche Entscheidungsprozesse schneller und berechenbarer vonstatten gehen. Schließlich wurde der KGSt-Vorschlag, die Festivals zu überprüfen, bereits am 12. April in der Interfraktionellen Arbeitsgruppe präsentiert und diskutiert! Und wo stehen wir heute? Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir bereits im Juli Klarheit schaffen können – das ist für alle Beteiligten besser als eine endlose Hängepartie.
„Sollte der Stadtrat kein Sparen mehr auferlegen, bedarf es des Konzepts in dieser Form nicht mehr“
DAZ: Nach unserem Kenntnisstand kommt weder bei der KGSt noch in Hermann Webers Sparliste ein Sparvorschlag in diese Stoßrichtung vor. Warum fängt also ausgerechnet der Kulturreferent an, in dieser Richtung zu sparen?
Grab: Richtig ist, dass die KGSt für das Referat 5 unter anderem den Vorschlag Nr. 61 einbrachte, der sich mit der Überprüfung von Festivals befasst. Ein konkreter Sparbetrag war damit noch nicht verbunden – wie bei anderen KGSt-Vorschlägen auch. Dies ist der Grund, warum in der darauf folgenden ersten Vorschlagsliste des Kämmerers, welcher laut seiner eigenen Aussage noch weitere folgen werden, die Nr. 61 noch nicht enthalten war. Die Behandlung der Festivaleinsparungen ist also zu einem späteren Zeitpunkt dran. Da Festivalleiter je nach Veranstaltungsreihe nach deren Auskunft bis zu 18 Monate Planungszeit benötigen, sah ich mich in der Verantwortung nicht abzuwarten, bis dieser KGSt-Vorschlag behandelt wird. Die Festivalleiter haben einen Anspruch auf rechtzeitige Planungssicherheit. Diese will ich ihnen geben, indem ich den Spargremien frühestmöglich ein rundes Konzept vorschlagen möchte. Mit dem Biennale-Konzept werde ich der Haushaltskonsolidierung gerecht, welche von allen Referenten und also auch von mir erwartet wird. Gleichzeitig kürze ich nicht nur einfach wie andere nach der Rasenmähermethode, sondern biete den Festivalleitern in jedem zweiten Jahr einen höheren Etat an, was sich fundamental von früheren Sparvorschlägen unterscheidet. Nebenbei sichere ich somit alle Festivals. Dies alles jedenfalls so lange, wie es der Sparzwang des Stadtrats erforderlich macht. Sollte der Stadtrat kein Sparen mehr auferlegen, bedarf es des Konzepts in dieser Form nicht mehr. Allerdings bleibt noch die Frage offen, ob sich unsere Stadt weiterhin über dreißig Veranstaltungsreihen leisten kann und will.
DAZ: Herr Grab, vielen Dank für das Gespräch.
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Fragen: Siegfried Zagler.
» Der KGSt-Sparvorschlag Nr. 61 im Volltext (pdf, 37 kB)