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Donnerstag, 13.02.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Zum Fernsehen ins Stadttheater

Brecht für Kinder: Nur Kinder retten die Veranstaltung

Von Frank Heindl

„Brecht für Kinder“ nannte sich die Veranstaltung, dafür hatte man Klaus Marshall von der Augsburger Puppenkiste gewonnen, hatte Kinder verschiedener Augsburger Schulen mitarbeiten lassen, hatte zwei Moderatoren aus dem Kinderfernsehen angeheuert. Der Erfolg war trotzdem mäßig. Denn im Großen Haus des Stadttheaters wurde, in dem Drang, eine „Großveranstaltung“ zu inszenieren, die Form über den Inhalt gesetzt. Und die jungen Zuschauer mussten es ausbaden.

Malte Arkona und Karen Markwardt konnten zumindest anfangs noch mit kindgerechter Lebendigkeit und glaubhafter, wenn auch auf Erwachsene etwas aufgesetzt wirkender Spontaneität überzeugen. Die Begeisterung nahm allerdings ab, je mehr professionelle Mängel der Veranstaltung wie der beiden Moderatoren sichtbar wurden. Schon die Tatsache, dass die beiden jede Information, die sie dem Publikum lieferten, von Zetteln ablesen mussten, förderte nicht unbedingt ihre Glaubwürdigkeit. Dass auch hier das Witzemachen über Brecht wichtiger war als jeder inhaltliche Aspekt, nervte noch mehr. Muss man denn um Anerkennung bei jungem Publikum unbedingt und immer (und wohl schon seit Jahrhunderten) buhlen, indem man Schule und Lehrer als lästig, langweilig, überflüssig darstellt? Kann man einen Dichter nur interessant machen, indem man seine schlechten Schulnoten hervorhebt (was dann nicht mal stimmt)? Ist es wirklich für Kinder das Spannendste an Brecht, dass er sich angeblich nicht gerne gewaschen hat?

Daneben didaktische Fehler zuhauf, die man jedem Lehrer übel ankreiden würde: Brecht im Original zu hören, mag für Erwachsene interessant sein – was aber haben Kinder davon, wenn man den Text der alten Schallplatten einfach nicht versteht? Ein Fachmann auf der Bühne mag interessant sein – was aber nützt‘s, wenn Jan Knopf auf Publikumsfragen mit Fremdwörtern antwortet, die kein Kind versteht? Außer diesen Fragen gab’s keinerlei Aktivität fürs Publikum – Mitsingen durfte man nur ganz kurz und erst ganz am Schluss. Mitmachen sei „ausdrücklich erlaubt“, stand im Programm – aber wobei? Vor allem aber: Man hatte die Kinder ins Theater gebeten, aber dort fand keines statt. Von Marschalls Marionetten abgesehen wurde nichts gespielt, gab’s keine Schauspielerei und kein Bühnenbild, keine Verzauberung und keine Faszination – die beiden Fernsehmoderatoren boten nichts, was Kinder nicht auch im Fernsehen haben können. Davon allerdings mehr als nötig. Wer denn hier aus einer Patchwork-Familie stamme und von wie viel Eltern denn die Kinder da stammten, meinte Malte Arkona ins Publikum fragen zu müssen.

Ergreifend: Brechts „Kinderfeldzug“

Einzig Kinder hatten den Kindern was zu sagen: Timmi, Julian und Doreen, die Brechts „Gedicht an die Nachgeborenen“ rezitierten und denen in atemloser Stille gelauscht wurde, die Schüler der St-Georg-Schule, die auf der Videoleinwand Ausschnitte aus Brechts Kinderalphabet zum Besten gaben, und die 18 Kinder, die auf der Bühne in sehr bewegender Weise den „Kinderkreuzzug“ vortrugen. Doch selbst der noch wurde zur Hälfte in den Sand gesetzt, weil man viel Geld für Moderatoren, aber keines für eine Souffleuse ausgegeben hatte. Was Bühnenprofis immer wieder passiert, hielt man wohl bei Kindern, die zum ersten Mal im Leben auf der Bühne stehen, für ausgeschlossen. Das arme Mädchen, das sich in seiner Aufregung im Text verhedderte und die Aufführung ins Stocken brachte, tat einem noch lange leid. Noch mehr aber der Hund, der am Ende von Brechts großem Gedicht verhungert ist, so wie wohl auch die Kinder. Das war ergreifend, das war Brecht, und das kam ganz ohne Show aus.

Viel Show, wenig Vertrauen. Wenig Vertrauen in den großen Dichter, der sich für Kinder weit mehr interessierte als die Veranstalter und der ihnen viel mehr zu bieten gehabt hätte. Wenig Vertrauen in das Theater, das Kinder begeistern kann, sie hier aber nur mit Geplänkel einlullen wollte. Und am wenigsten Vertrauen in die Kinder selbst, die mit ihren interessierten und intelligenten Fragen bewiesen, dass sie viel mehr verstanden hätten, als ihnen abverlangt wurde. Fernsehen hätten sie ja auch zuhause können.

Siehe auch die heutigen Artikel:

» Bert Brecht – mausetot

» Kommentar: Glamour – oder was man in der Provinz dafür hält