Wunderwelt in Miniatur
Für eine Ausstellung im Maximilianmuseum kehrt der „Pommersche Kunstschrank“, ein Kleinod aus Augsburger Herstellung, an seinen Entstehungsort zurück.
Von Halrun Reinholz
Augsburg war schon im 17. Jahrhundert (und noch danach) eine Hochburg des Kunsthandwerks, an dem nicht nur die hervorragenden Silberschmiede ihren Anteil hatten. Die zahlreichen Künstler aller Sparten wurden von Agenten koordiniert, die durch ihre Kontakte in herrschaftliche und zahlungskräftige Kundenkreise wichtige Aufträge in die Stadt holten. Der „Pommersche Kunstschrank“ war eine Bestellung des Herzogs Philipp II. in Stettin, Vermittler war der kultivierte und kunstsinnige Augsburger Patrizier und Kaufmann Philipp Hainhofer. Von 1611-1616 dauerte die Ausführung des Kunstschranks – ein Miniaturmöbel mit vielfältigem, vermeintlich praktischem Inhalt (Schreibutensilien, Hausapotheke, Spielkarten, …), das jedoch ausschließlich zu Repräsentationszwecken angefertigt wurde. Beim „Pommerschen Kunstschrank“ handelte es sich allerdings um ein besonders prächtiges und kostbares Stück, das nach seiner Fertigstellung von Hainhofer persönlich nach Stettin gebracht und dem Herzog feierlich übergeben wurde. Ein zeitgenössisches Gemälde von Anton Mozart, das diese Übergabe dokumentiert, ist ein zentrales Element der Ausstellung im Maximilianmuseum.
Inhalt ohne Hülle
Der Pommersche Kunstschrank gehört nun dem Kunstgewerbemuseum in Berlin. Während des Zweiten Weltkriegs war der Inhalt nach Thüringen ausgelagert, nicht jedoch der Schrank selbst, der einem Bombenangriff zum Opfer fiel. Die Hülle aus Ebenholz mit Silberbeschlägen kann daher auch nicht ausgestellt werden. Die Abbildungen und vor allem ein Werbefilm für die Berliner Museen aus dem Jahr 1934 (der in der Ausstellung gezeigt wird) lassen erahnen, wie prächtig das Kunstwerk einst war. Christoph Emmendörffer, dem Leiter des Maximilianmuseums, gelang das Kunststück, die Objekte aus dem Pommerschen Kunstschrank vom Berliner Kunstgewerbemuseum auszuleihen und in den Zusammenhang der kunsthandwerklichen Tradition der Reichsstadt Augsburg zu stellen. So ist die Ausstellung denn auch zweigeteilt: Im Erdgeschoss des Maximilianmuseums wird unter der Überschrift „Die Schöpfer“ der kulturhistorische Zusammenhang dokumentiert, im zweiten Stock („Das Werk“) werden die Exponate gezeigt.
Philipp Hainhofer und die Augsburger „Kunstszene“
Übergabe des Pommerschen Kunstschranks von Philipp Hainhofer an Herzog Philipp II. von Pommern-Stettin, Augsburg, Anton Mozart, um 1615, Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum (Foto: Saturia Linke)
Exemplarisch für das Wirken der Augsburger Künstler und ihre europaweiten Abnehmer steht der Kunstagent Philipp Hainhofer. Der Kaufmann und Patrizier war weit gereist und verkehrte in einflussreichen Kreisen. Dass der vordere Teil des heutigen Maximilianmuseums sein Elternhaus war, ist in dem Zusammenhang Zufall, verstärkt aber durchaus den „genius loci“. Die teils sehr wertvollen und einzigartigen Exponate im dokumentarischen Teil der Ausstellung erlauben aufschlussreiche Einblicke in die Praktiken der Vernetzung im Kunst(handwerks)betrieb des 17. Jahrhunderts. Unter anderem konnte Emmendörffer drei der legendären (und auch künstlerisch wertvollen) Stammbücher von Philipp Hainhofer zusammenführen – wichtige Dokumente seiner weitreichenden Beziehungen in höchste Kreise und schon zu seinen Lebzeiten eine Attraktion für Reisende. Die Korrespondenz Hainhofers mit dem Auftraggeber Herzog Philipp II. von Pommern gewährt Einblicke in die Entstehungsgeschichte des Kunstwerks (das ursprünglich nur ein Behältnis für Schreibutensilien werden sollte) bis in kleinste Details. Dokumentiert werden auch die Werkstätten der ausführenden Künstler, die der Maler Mozart in seinem Übergabe-Gemälde namentlich aufführt.
Prunkmöbel und ihr Innenleben
Im zweiten Teil der Ausstellung sind die rund 250 Objekte zu sehen, die zur Innenausstattung des Pommerschen Kunstschranks gehörten. Funktionsfähige wissenschaftliche oder medizinische Geräte, Utensilien für die Toilette, Schreibzeug, Spiele (Karten aus Silber, ein Schachspiel) sowie Tafelsilber sind im Kleinformat kunstvoll gearbeitet. Die Objekte waren noch nie ausgeliehen, Renovierungsarbeiten im Berliner Museum brachten die einmalige Gelegenheit mit sich, die Kunstwerke nach 400 Jahren erstmals wieder an ihrem Entstehungsort zu präsentieren. Zur Benutzung waren die Dinge nie gedacht, die Kunstmöbel samt Inhalt waren wertvolle Zier- und Vorführobjekte. In diesem Zusammenhang zeigt die Ausstellung auch andere ähnliche Exponate, unter anderem einen bisher unbekannten Kunstschrank aus Augsburger Herstellung, der sich in Privatbesitz befindet sowie weitere hochwertige Leihgaben aus verschiedenen Museen.
Der Glanz der Reichsstadt
Nach Ausstellungs-Highlights wie Adriaen de Vries und dem Zarensilber ist es dem Maximilianmuseum mit dieser Schau einmal mehr gelungen, den Glanz der Reichsstadt Augsburg sachkundig zu präsentieren. Ein Glanz, der sich (wie bei den Kunstmöbeln) trotz edler Hülle oft erst beim zweiten Hinsehen zu erkennen gibt und deren Schätze zuweilen einer Lupe bedürfen. Der reich bebilderte und ausführliche Katalog enthält alle wichtigen Zusammenhänge ebenso wie die Einzelheiten der Entstehungsgeschichte der Objekte. Doch ist er keineswegs ein Ersatz für die Ausstellung selbst: ein gleichermaßen intellektuelles wie sinnliches Vergnügen für den Besucher.
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Wunderwelt. Der Pommersche Kunstschrank.
Sonderausstellung im Maximilianmuseum,
28. März – 29. Juni 2014.
Katalog 39,80 Euro.
Turnusführungen, Themenführungen und Vorträge.
Info unter www.maximilianmuseum.augsburg.de.