Wohnzimmertheater: Die Buddenbrooks bitten zu Tisch
„Geld Macht Tod“ – die neue Theaterproduktion der Bluespots Productions verlegt die Welt des Lübecker Großbürgertums aus Thomas Manns Buddenbrooks ins Ambiente der Augsburger Renaissance
von Halrun Reinholz
„Buddenbrooks“ auf der Bühne? Man kennt den Stoff als vielteilige Verfilmung, eine ganze Epoche wird mit komplexen Handlungssträngen in Thomas Manns Roman zum Leben erweckt. Ein kleines Theaterensemble muss sich da schon was Besonderes einfallen lassen, um dagegen zu bestehen. Genau das tun die Augsburger Bluespots Productions in bewährter Manier, denn ungewöhnliche Einfälle sind ihr Markenzeichen. Familie Buddenbrook lädt zu Tisch – in Augsburg, wo Glanz und Pomp auch einmal an der Tagesordnung waren. Wo Kaufleute ihren Reichtum zur Schau trugen und ihr Standesbewusstsein pflegten. „Geld Macht Tod“ deutet auf diese Gemeinsamkeit der Macht- und Familienstrukturen, bei allen Unterschieden im Detail, zeitlich oder regional. Deshalb empfangen die Buddenbrooks ihr Publikum im Fugger-Welser-Museum. Das großbürgerliche Ambiente des 19. Jahrhunderts überzeugt auch mit Renaissancedekor.
Für die Aufführung wurde die Romanhandlung auf das Wesentliche reduziert. Es geht ausschließlich um die persönlichen Lebenswelten der drei Geschwister Thomas, Christian und Antonie Buddenbrook, an deren Schicksal den Verfall der Familie auch im Roman festgemacht wird. Thomas, der Kaufmann, hält die Tradition der Familie hoch und führt die Geschäfte mit Geschick und Verantwortungsbewusstsein. Sein jüngerer Bruder Christian ist unfähig, einer geregelten Tätigkeit nachzugehen und seine Schwester Antonie beschmutzt das Ansehen der Familie durch zwei Scheidungen. Thomas, der Fels in der Brandung, kann den Verfall jedoch auch nicht aufhalten. Er heiratet zwar mit dynastischem Gespür eine reiche Kaufmannstochter, diese vererbt ihre musischen Interessen jedoch an den gemeinsamen Sohn Hanno, der den an ihn gestellten Erwartungen nicht gewachsen ist und symbolträchtig dem Typhus zum Opfer fällt.
Stellvertretend für die opulente Romanhandlung trägt die Interaktion der drei Geschwister mit Originalzitaten die Handlung im Fugger-Welser-Museum. Ganz offensichtlich sind diese Hauptdarsteller (Guido Drell für Thomas, Martin Schülke für Christian und Anja Neukamm für Antonie) professionelle Schauspieler, nicht jedoch die Nebendarsteller. Zum bewährten Konzept von Bluespot Productions gehört die Kombination von Schauspielern mit (mehr oder weniger geschulten) Laiendarstellern, was sich auch in diesem Fall nicht nachteilig auswirkt. Anton Limmer (Grünlich und Permaneder – als letzterer besonders bajuwarisch, kommt er doch vom Aichacher Volkstheater), Iris Schmidt (Gerda Buddenbrook), Julia Just (Ida Jungmann) und Johanna Wehle (Gold-Mädchen) und nicht zuletzt Lasse Lohrum als Hanno tragen das Regiekonzept von Angela Kersten ohne Qualitätsverlust mit. Ein stimmiger Abend zwischen Wohnzimmer-Smaltalk, Sekt nachgießen und der sich immer dramatischer zuspitzenden Handlung – das ist dem Ensemble unter der künstlerischen Leitung von Leonie Pichler auch diesmal wieder geglückt. Das publikumsnahe Konzept der Bluespot Productions wurde nicht umsonst schon mehrfach ausgezeichnet. Es liefert den Beweis, dass Theater mitten im Leben steht und alle anspricht – aber dennoch professionelle Qualität zu bieten vermag.