„Wir wissen nicht, warum man uns jetzt daraus einen Strick dreht“
Die Stadionarchitekten Hermann + Öttl im DAZ-Interview – Teil 2
Im zweiten Teil des Interviews gehen Jürgen Hermann und Stefan Öttl, die Planer des Curt-Frenzel-Stadions, auf die Eisanhebung, die Kritik am „Rampenstadion“ und die Fassade der „leuchtenden Eisscholle“ ein. Mit den beiden Architekten sprach DAZ-Herausgeber Bruno Stubenrauch.
DAZ: Sie erwähnten bereits die Eisanhebung als Bestandteil Ihrer Vorschläge zur Sichtoptimierung. Und weiter, dass die Eisfläche unabhängig davon sowieso erneuert werden muss. Dies wird von Kritikern bestritten. Ihnen wird vorgeworfen, Sie wollten den Aufwand für die Sichtoptimierung als Sowiesokosten kaschieren. Was stimmt nun?
H+Ö: Auf Grundlage externer Gutachten und nach Aussagen eines von den Stadtwerken eingeschalteten Ingenieurbüros ist die Eisanlage nicht weiter verwendbar. Die Ammoniakrohre korrodieren, die Schäden verstärken sich kontinuierlich und stellen ein Sicherheitsrisiko für Leib und Leben dar. Die offen geführte „Harfe“ aus einer Vielzahl von Zuleitungen in den Beton unter dem Eis ist nach heutigen Vorschriften nicht mehr zulässig, wenn die Halle geschlossen ist. Die müsste gasdicht verlegt sein, was mit hohem technischen und wirtschaftlichen Aufwand zwar als provisorische „Vorabmaßnahme“ gemacht werden könnte, aber die grundsätzlichen Sicherheitsprobleme nicht löst. Die Eisbahn müsste dann nach Fertigstellung des CFS erneuert werden, aber wer will das verantworten?
DAZ: Wie sieht die Erneuerung der Eisfläche technisch aus?
H+Ö: Am allerteuersten wäre eine Lösung mit Ausbau der alten Eisbahn und Neuaufbau. Also wird man aus Kostengründen eine Lösung vorziehen, die die alte Eisbahn belässt und darauf aufbaut. Hier gibt es zwei Möglichkeiten: einen niedrigen Aufbau mit einer unter dem Eisbeton liegenden Wärmedämmung und darunter ein Heizestrich als Unterfrierschutz. Den Heizestrich kann man einsparen, wenn man mit einer Auffüllung aus Kapillar- und Magerbeton arbeitet, die nicht auffriert, und die so stark ist, dass der Untergrund darunter im frostsicheren Bereich liegt.
DAZ: Wie verhalten sich die Kosten der beiden Varianten zueinander?
H+Ö: Paradoxerweise ist ein Aufbau mit größerer Höhe, nämlich ab der man sich den Heizestrich schenken kann, billiger als einer mit geringer Aufbauhöhe von 40 cm. Diese Überlegungen wurden von uns bereits im August 2010 aus bautechnischen und wirtschaftlichen Gründen angestellt, nicht aus Gründen der Sichtverbesserung. Der Unterschied liegt bei 120.000 bis 130.000 Euro. Entschieden wurde noch nichts, weshalb wir bei unseren Vorschlägen zur Sichtoptimierung jeweils unterschiedliche Höhen der Eisanhebung angeboten haben.
DAZ: Die Eisanhebung hat Auswirkungen auf die anschließenden Räume. Dem Stadtrat hatten Sie am 7. Dezember Grundrisse vorgestellt, auf denen Rampen und Differenzstufen dargestellt waren. Dem OB – und nicht nur ihm – gefiel ein „Rampenstadion“, wie er es nannte, gar nicht. Was sagen Sie zu diesem Vorwurf?
H+Ö: Im alten CFS mussten die Spieler vom Umlauf 15 cm nach unten aufs Eis gehen, in unserem Vorschlag 15 cm nach oben, das ist also nichts Unübliches. Seit der Stadtratssitzung haben wir unsere Lösung weiter optimiert und am 9. Dezember 2010 an die AGS weitergeleitet. Die Höhenlage in den öffentlich zugänglichen Raumflächen und den Mannschaftskabinen haben wir jetzt so vereinheitlicht, dass dort keine Treppen, Stufen oder Rampen erforderlich werden. Nur der Technikbereich, der andere Raumhöhen braucht, liegt tiefer. Der Zugang zur Eisbahn 2 erfolgt über eine außen liegende Treppe mit drei Stufen und einer behindertengerechten Rampe. Im Zug der Außenanlagenplanung kann das noch harmloser gestaltet werden.
Außerdem stehen die Anschlusshöhen für die Baumaßnahmen des zweiten Realisierungsabschnittes, zu dem die Eisbahn 2 gehört, ja noch gar nicht fest. Hier sind noch alle Möglichkeiten offen. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage nach dem Zustand der Eisbahn 2 und welche Maßnahmen hier eventuell erforderlich sein werden.
DAZ: Nach Eisanhebung müssen die Eismaschinen über eine Rampe fahren. Eine der Maschinen darf das nicht, weil sie keine Handbremse hat, wie wir gehört haben. Eine neue „Zamboni“ würde 235.000 Euro kosten, also Ihren Vorschlag erheblich verteuern.
H+Ö: Das Befahren der Rampe mit 3,8% und das Anhalten auf der Rampe stellt laut Hersteller kein Problem dar. Lediglich für den Fall, dass die Fahrzeuge auf der Rampe abgestellt werden, müsste das ältere der beiden mit einer Feststellbremse nachgerüstet werden, was technisch einfach möglich ist.
DAZ: Ein Kritikpunkt der Panther-Geschäftsleitung an Ihrem Optimierungsvorschlag ist, dass Sie die Eisfläche verkleinern wollen. Und zwar auf ein Maß, bei dem keine internationalen Spiele mehr möglich sind.
H+Ö: Wir planen mit einer Spielfeldgröße von 29 x 60 Metern. Sowohl IIHF, DEL und DEB haben uns schriftlich bestätigt, dass diese Spielfeldgröße zur Durchführung internationaler Spiele zulässig ist.
DAZ: Kürzlich wurde von der Fangruppierung „Bürger für das CFS“ die Frage aufgeworfen, ob die enormen Kosten der leuchtenden Außenfassade – von 3 Millionen war in Internetforen die Rede – dazu führen, dass es für viele Innenbereiche wie die multifunktionale Eventzone der Panther nur noch zum Rohbau reicht. Was ist da dran?
H+Ö: Erstens: Unsere Kostenschätzung für die Fassade beläuft sich auf 1,7 Millionen. Diese sind Bestandteil der gesamten 16,2 Millionen, die zur Verfügung stehen. Behauptungen, diese Kostenschätzung sei getürkt worden, um den Auftrag zu bekommen, sind falsch. Wir arbeiten seit über zehn Jahren mit einem Ingenieurbüro für Baudurchführung als Subunternehmer zusammen, der die Kosten- und Terminplanung unserer Objekte macht und absolut zuverlässig und seriös arbeitet. Die 1,7 Millionen stimmen. Da stehen wir dazu.
Zweitens: Der Masterplan hat drei Realisierungsabschnitte. Nur der Abschnitt 1, der die DEL-Ertüchtigung des CFS beinhaltet und 16,2 Millionen kostet, wurde vom Stadtrat beschlossen. Die Eisbahn 2 mit Umgriff ist Realisierungsabschnitt 2. Erst der Abschnitt 3 sieht den Ausbau der multifunktionalen Eventzone der Panther vor. Aus Gründen des Bauablaufs machte es aber Sinn, den Eventbereich – ebenso wie die Unterkellerung der Südtribüne mit den Wechselkabinen – jetzt gleich im Rohbau mitzuerstellen. Auch mit dem Hintergedanken, dass die Stadt die Mittel für den Ausbau aus dem 3. Abschnitt vielleicht früher zur Verfügung stellt. Oder dass die Panther einen Sponsor finden, z.B. die Augsburger Allgemeine, der sagt: „Ihr wollt das, also bauen wir es gleich mit aus“. Wir wissen nicht, warum man uns jetzt daraus einen Strick dreht. Wir haben einen Mehrwert in den ersten Realisierungsabschnitt hereingebracht, der uns jetzt boshaft ans Bein gebunden wird.
DAZ: Eine letzte Frage zur Fassade: In Augsburg haben wir bereits eine Bücherei in der Gestalt eines aufgeschlagenen Buchs. Die Bezeichnung des Stadions als „leuchtende Eisscholle“ ist eine ähnliche Vergegenständlichung eines angedeuteten Inhalts: Eisscholle gleich Eisstadion. Ist das nicht Zeitgeist, Popanz, eine moderne Form des gotischen Primitivismus, der mit der Renaissance als überwunden galt?
H+Ö: Die „Eisscholle“ ist keine Erfindung von uns, sondern eine Erfindung der Augsburger Presse. Wir finden es auch nicht gut. „Eisscholle“ war nicht unsere Intention und auch nicht die Intention „Eisscholle ist gleich leuchtend“. Wenn Sie andere realisierte Projekte von uns anschauen, werden Sie feststellen, dass wir keine Zeitgeistarchitekten sind. Jedes Objekt ist irgendwie ein Statement, aber eher auf eine zurückhaltende Art und Weise.
Letztendlich wird ja die Form des CFS von der vorhandenen Dachkonstruktion bestimmt. Die haben wir nur weiterentwickelt. Die Fassade erfüllt funktionale Anforderungen. Der Sockelbereich ist infolge der Beanspruchung massiv aus Beton. Darüber haben wir die Dachform. Dazwischen haben wir eine Fassade, die den Zweck erfüllt, das Ganze wärme-, schall- und lichtdicht zu schließen. Das ist nichts anderes als eine Blechkiste. Und davor werden diese leichten und sehr kostengünstigen Polycarbonatplatten montiert, die man illuminieren kann, um beispielsweise zu zeigen: „Heute ist ein Spiel“.
DAZ: Vielen Dank für das Gespräch.
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Den Teil 1 des Interviews finden Sie hier.