“Wir sind alle Eishockeyfans”
20.000 Menschen hätten gerne das sechste Play-off-Spiel der Augsburger Panther gegen die Nürnberg Ice Tigers gesehen.
In Augsburg herrscht wieder hohes Eishockeyfieber, was damit zu tun hat, dass der älteste deutsche Eislaufverein zum ersten Mal in seiner langen Geschichte ein Eishockey-Team vorzuweisen hat, das die Voraussetzungen mitbringt, die deutsche Meisterschaft zu gewinnen. Das ist eine Sensation. Die größere Sensation sind aber die Umstände, die dazu geführt haben.
Damit ist nicht Lothar Sigl gemeint, der zwar mit seinen feinen Händchen und seiner klugen und soliden Geschäftsführung die Erfolgsgeschichte des AEV ein Stück weit mitgeschrieben hat, sondern es sind diejenigen gemeint, ohne die der AEV längst in der Versenkung verschwunden wäre, wie es bei den ehemaligen bayerischen Spitzenteams aus Füssen, Landshut und Rosenheim der Fall war und ist. Gemeint sind natürlich die AEV-Fans.
Sie waren da, als der AEV in den achtziger und neunziger Jahren zwischen Insolvenz und zweiter beziehungsweise dritter Liga changierte. Sie waren da, als die neugegründete Panther-GmbH in der damals verspotteten “Zoo-” oder “Operettenliga” unter ferner liefen mitscheibeln durfte. Über viele Generationen hinweg waren und sind die Augsburger Eishockeyfans nicht nur stimmungsvolle Kulisse in einem erschreckend durchökonomisierten Sportbetrieb, sondern der Garant dafür, dass hinter dem AEV nicht nur ein zuverlässiges finanzielles Grundgerüst steht, sondern eine Seele lebt, die den professionellen Eishockeysport in Augsburg zu etwas Besonderem macht.
Wer die Zeiten, als noch Paul Ambros und Leonhard Waitl für Augsburg die Schlittschuhe schnürten, bis zum heutigen Tag aus nächster Nähe mitverfolgte, weiß, dass es neben dem sportlichen Auf und Ab des AEV immer eine dritte Dimension am Schleifgraben gab, nämlich das unvergleichliche Augsburger Publikum. In keinem anderen DEL-Stadion gibt es eine stärkere Unterstützung als im Curt-Frenzel-Stadion. Im vierten Play-off-Spiel gegen Nürnberg brannte die Luft und am morgigen Sonntag wird es nicht anders sein. Wer also wissen will, was es bedeutet, wenn das Augsburger Herz zu schlagen beginnt, sollte zumindest einmal in seinem Leben ein Teil davon sein, wenn es darum geht, die Größe und den Wahnsinn einer über Jahrzehnte gewachsenen Kraft zu spüren.
Gemeint ist die Kraft einer flüchtigen Gemeinschaft, die sich wie eine geheime Loge seit vielen Jahrzehnten zu bestimmten Zeiten einmal pro Woche zu einer Messe trifft, die man nur in Gänze zu verstehen in der Lage ist, wenn man all die Zeichen und Codes entschlüsseln kann, die sich auf dem Eis und auf den Rängen zu Gesetzmäßigkeiten verfestigt haben, die dem Spiel eine ureigene Dramaturgie eingravierten. Eine Dramaturgie, der man folgen muss, wie die Dinge der Schwerkraft.
Aus diesem Grund wäre es falsch, nur davon zu sprechen, dass man im CFS neben dem Spitzensport auch eine großartige Atmosphäre geboten bekomme. Es ist mehr als das, nämlich der Geruch von gelebtem Leben, das als Hauch einer Vorstellung beginnt und als Orkan eines Willens über das Eis bläst, als käme es im Leben der vielen Logenmitglieder nur auf dieses eine Spiel an.