Wie die EU Verbrechen fördert
„Landraub“ von Kurt Langbein ab heute im Savoy-Kino
Von Frank Heindl
Am vergangenen Samstag hat Regisseur Kurt Langbein im Thalia-Kino „Landraub“ vorgestellt – ab heute ist sein Film täglich um 19 Uhr im Savoy zu sehen. „Zwei Welten, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten“, lässt Langbein aufeinandertreffen: Die der Investoren, die weltweit Ackerland aquirieren, um industrielle Landwirtschaft zu betreiben, und die der betroffenen Kleinbauern, die rechtlos, enteignet und bitterarm die Konsequenzen einer Agrarpolitik ertragen müssen, an der die Europäische Union maßgeblich beteiligt ist.
Zwei Jahre lang ist österreichische Regisseur um die Welt gereist, um rechtzeitig zum von den Vereinten Nationen für 2015 ausgerufenen „Jahr des Bodens“ zu recherchieren, wie es um die Ackerböden steht. Denn weltweit geht immer mehr Ackerfläche verloren – durch Versiegelung, Erosion, Klimawandel. Diese Verknappung macht das Thema seit einigen Jahren für zahlungskräftige Großinvestoren interessant: Sie kaufen weltweit, im großen Stil und oft genug unter skandalösen Bedingungen Ackerland auf. Langbein demonstriert diesen neuen Kolonialismus an Beispielen aus Europa, Asien und Afrika. Die Bilder sind erschreckend aus vielerlei Hinsicht.
Eine äthiopische Plantagenarbeiterin erzählt von ihrem Arbeitsalltag – 24 € verdient sie im Monat, ein Hungerlohn, von dem sie nicht einmal ihre Kinder ernähren kann. Doch von den Tomaten, die sie in gigantischen Gewächshäusern erntet, darf sie nicht ein einzige mit nach Hause nehmen – die Eingänge sind schwer bewacht, die Beschäftigten werden nach Dienstschluss durchsucht und abgetastet.
„Sie werden lächeln, wenn Sie Ihre Bank besuchen“
Indonesien ist mittlerweile für zehn Prozent der weltweiten Treibhausemissionen verantwortlich – weil der dortige Regenwald in enormem Maß abgeholzt wird und aus den Böden CO2 entweicht. Anschließend werden hier Palmölplantagen angelegt. Deren Renditen sind enorm: Wer hundert Millionen Dollar anlegt (für Weltkonzerne ein Klacks), der verdient vom dritten Erntejahr an 38 bis 40 Millionen – pro Jahr. „Sie werden lächeln, wann immer Sie Ihre Bank besuchen“, verspricht der Investoren-Berater Suriya Moorthy. Den Zuschauer aber überkommt ein unheimliches Grauen beim Anblick von scheinbar unendlich großen Palmölplantagen, die buchstäblich bis zum Horizont reichen.
Dass diese Wirtschaftsweise Ökologie und Sozialgefüge zerstört, den Reichtum Weniger fördert und gleichzeitig die Verarmung von Hunderttausenden herbeiführt, ist offensichtlich. Der Film zeigt aber auch, dass die industrielle Landwirtschaft nicht einmal mehr Nahrungsmittel erzeugt – im Gegenteil fördert sie auch den Hunger, weil die angebauten Pflanzen fast ausschließlich für die Märkte der Industriestaaten benötigt werden.
Die EU finanziert den Landraub
In Kambodscha werden tausende von Kleinbauern entschädigungslos von ihren Feldern vertrieben, 65 Prozent des kambodschanischen Ackerlandes sind in den Händen großer Konzerne. Auf Feldern, die vorher ihre Besitzer und die Bevölkerung ernährt haben, lassen Investoren Zuckerrohr für den Weltmarkt anbauen, die vertriebenen Bauern suchen Zuflucht in buddhistischen Klöstern und finden dort zu Solidarität und Gegenwehr. Ein besonderer Skandal ist die Tatsache, dass die EU dieses Verbrechen mit Millionensummen fördert und den Landraub der Regierung damit erst lukrativ macht – 40 Prozent der Gelder für die neuen Zuckerrohrplantagen kommen aus Europa. Appelle an die Europäische Kommission bleiben folgenlos – in Brüssel glaubt man den Zusicherungen der kambodschanischen Regierung, alles sei Rechtens. Dass die EU so Armut und Hunger erzeugt und davon auch noch profitiert, scheint zweitrangig. Und dass eine Politik, die aus selbständigen Bauern bettelarme Tagelöhner macht, für die Flüchtlinge von morgen verantwortlich ist, scheint ebenfalls keine Relevanz zu haben. Und so ist es nur folgerichtig, dass die „freie Marktwirtschaft“ auf Dauer nur überlebensfähig ist, wenn sie ihre Grenzen abschottet gegen ihre verarmten Opfer.
In der Diskussion mit dem Publikum weiß der Regisseur im Anschluss wenig konkreten Rat. Als Bürger und Wähler müssten wir Druck ausüben, aber auch als Verbraucher – schließlich kämen „60 Prozent von dem, was wir konsumieren, aus Ländern, in denen die Menschen eh zu wenig zu essen haben – wir sind große Profiteure.“ Im November wird sein Film auch vor dem Europäischen Parlament gezeigt. „Da werden vermutlich nicht alle Parlamentarier da sein“, prognostiziert ein Zuschauer. So dass zunächst wohl nur die Politik der kleinen Schritte fruchtet: „Frische regionale Kost ist ein politisches Statement“, sagt Langbein. Und wer Palmöl in Kosmetika und Lebensmitteln (auch biologisch erzeugten) vermeiden will, der kann die Hilfe einer Smartphone-App nutzen: „Codecheck“ erkennt am Barcode im Supermarkt, welche Stoffe das Produkt enthält. Zu finden bei Google Play oder direkt hier: https://play.google.com/store/apps/details?id=ch.ethz.im.codecheck.
Bereits seit September ist das empfehlenswerte Buch zum Film im Handel: Kurt Langbein: „Landraub“. Weitere Informationen zu Film und Buch unter www.landraub.com und www.facebook.com/Landraub.
“Landraub” läuft vom 8. 10. an täglich im Savoy und wird mindestens drei Wochen lang im Programm bleiben. Sondervorstellungen für Schulklassen sind jederzeit möglich, auch dann noch, wenn der Film nicht mehr im offiziellen Programm läuft.