Wer wird uns regieren?
Noch sind es gut sieben Wochen bis zum Wahltag. Alles ist noch offen. Vieles noch möglich. Nur zwei Sachverhalte erscheinen gewiss: Es wird wieder auf ein politisches Patt hinauslaufen, da die erste ernst zu nehmende DAZ-Prognose für den 16. März weder dem eher bürgerlichen Lager noch dem eher linken Lager eine Mehrheit ermöglicht. Die nächste Prognose: Sowohl die CSU als auch die SPD werden Prozentpunkte verlieren. Um es zu ironisieren: Niemand würde es wundern, würden CSU und SPD aus ihren Verlusten den Wählerwillen für eine große Koalition herauslesen.
Von Siegfried Zagler
Die Augsburger Kommunalwahlergebnisse 2002 und 2008 nach Sitzen
Das bei dieser Kommunalwahl erstmals angewendete Verteilungsverfahren nach Hare/Niemeyer bedeutet für die kleinen Parteien einen Vorteil bezüglich des ersten Sitzes. Nimmt man die Wahlbeteiligung der letzten Kommunalwahl an (knapp unter 50 Prozent), dann würden bereits etwas mehr als 800 Wähler den ersten Stadtratssitz einbringen. Für jeden weiteren Sitz benötigten die Parteien 1.700 Wähler.
Versucht man kommende kommunale Wahlergebnisse zu prognostizieren, greift man gern auf zurückliegende Wahlen zurück. Die CSU und die SPD lagen zusammen bei den letzten beiden Augsburg-Wahlen durchschnittlich bei 47 Sitzen. Seit 1990 schmiedeten CSU und SPD Koalitionen mit kleinen Partnern und zwangen somit stets eine große Partei in die Opposition. Damit soll nach dem 16. März Schluss sein, so die Experten im politischen Augsburg, und zwar deshalb, weil man sowohl bei der CSU als auch bei der SPD genug davon habe, dass man sich sechs lange Jahre von kleinen politischen Gruppen erpressen lassen müsse.
Keine bürgerliche, aber auch keine linke Mehrheit
Wieviel die beiden großen Parteien verlieren werden, hängt natürlich von der Stärke der Kleinen ab, die mit der AfD, der CSM und den erstarkten Freien Wählern sowie mit Pro Augsburg und der FDP (und möglicherweise mit der ÖDP) erstmalig das bürgerlich-konservative Lager im großen Stil zersplittern und somit bei der CSU für starke Verluste sorgen könnten. Die SPD wirkt insgesamt zu schwach, um von dieser Situation profitieren zu können. Die Grünen werden wohl nicht über acht Sitze hinauskommen und zusammen mit den Linken und der SPD werden sie wohl keine Mehrheit im Augsburger Rathaus bewerkstelligen. Somit wird der „linke Block“ deutlich unter 30 Sitzen bleiben. Das Gleiche gilt für die CSU, die CSM und Pro Augsburg in der Summe, womit man wieder beim klassischen Patt wäre. Mit der AfD und den Freien Wählern kann sich derzeit niemand eine Koalition vorstellen.
24 Sitze für die “Kleinen”
Um konkret zu werden, gehen wir die Sache von unten an: AfD 2, Linke 2, FDP 1, FW 2, Pro Augsburg 3, CSM 3, Grüne 7 (zusammen 20 Sitze). Diese Verteilung würde dazu führen, dass 40 Sitze auf die CSU und die SPD verteilt würden. Von diesen 40 Sitzen gingen 21 an die CSU und 19 an die SPD, wie eine differenzierte Umfrage unter den Lesern der DAZ ergab. Für alle kleinen Parteien und Wählervereinigungen wäre das Eintreten dieser Prognose eine Enttäuschung. Sie blieben damit nämlich weit hinter ihren eigenen Erwartungen zurück.
Würde man die Erwartungen der kleinen Parteien und Wählervereinigungen ernst nehmen, käme der Block außerhalb der beiden großen Parteien auf insgesamt 36 Sitze (AfD 3, Linke 3, FDP 2, FW 4, Pro Augsburg 10, CSM 6, Grüne 8). Reduziert man die unrealistische Pro Augsburg „Selbsteinschätzung“ auf eine immer noch optimistische Zahl (4), dann käme man auf 30 Sitze, es blieben für die CSU und die SPD ebenfalls 30 Sitze. Müssten sich die beiden großen Parteien 30 Sitze teilen, gingen DAZ-Leser von folgender Verteilung aus: 17 für die CSU, 13 für die SPD, was – wie eine DAZ-Umfrage unter Experten aus der lokalen Journalistenschar ergab – zu weit entfernt von der politischen Gesamtkonfiguration der Stadt wäre. Hare/Niemeyer hin oder her. Gehen wir also wieder zurück und fassen die kleinen Parteien zu Schnittmengen zusammen.
Nehmen wir eine Verteilung vor, ohne dabei aufs Detail zu achten: Die AfD, Linke und FDP bekommen zusammen 6 Sitze. Freie Wähler und Pro Augsburg 6 Sitze. CSM und Grüne zusammen 11 Sitze, ergibt zusammen 23 Sitze, nimmt man schließlich noch die ÖDP mit einem Sitz dazu, dann blieben für die beiden großen Parteien 36 Sitze. Davon würden wiederum die DAZ-Leser der CSU 19 und der SPD 17 Sitze zuordnen. Mit dieser Mehrheit könnten beide bequem regieren. Dass es so kommen könnte, es also auf eine große Koalition in Augsburg hinaus läuft, wird von vielen politischen Beobachtern vermutet.
Gribl könnte die Stichwahl gegen Kiefer verlieren
Interessant ist auch die Einschätzung der DAZ-Leser in Sachen OB-Wahl. Kurt Gribl wird von zwei C-Parteien als Oberbürgermeister vorgeschlagen. Aus diesem Grund wird er zunächst mit einem deutlichen Vorsprung die OB-Wahl gewinnen. Falls er allerdings nicht auf den ersten Schlag über 50 Prozent kommen sollte und es somit zu einer Stichwahl käme, könnte Kurt Gribl diese Stichwahl gegen seinen SPD-Konkurrenten Stefan Kiefer verlieren. Ob diese Annahme eintreten wird oder nicht, hängt davon ab, wie gewählt wurde und mit welcher Nachhaltigkeit die Pro-Kiefer-Empfehlungen der Grünen, der Linken und der Freien Wähler verfolgt werden.