Wenn man in der Verkehrspolitik unterschiedliche Ziele verfolgt, darf man nicht koalieren
Warum die Grünen nicht mehr wissen, wer sie sind
Kommentar von Siegfried Zagler
Die Augsburger Grünen nehmen nach der Kommunalwahl im Rathaus eine Rolle ein, die ihnen selbst und ihren Wählern unheimlich zu sein scheint. Sie sind ein Teil der Regierung, stellen mit Reiner Erben einen Umwelt- und Integrationsreferenten und haben mit der CSU/SPD einen interfraktionellen Vertrag geschlossen, der einige klassische Grüne Zielsetzungen garantiert und dennoch dürfen sie „Opposition spielen“, wenn es um den Umzug des Post-SV geht oder um die Semmeltaste oder wie zu Beginn der neuen Stadtratsperiode, als es um die Erhöhung der Aufwandsentschädigungen für Fraktionsvorsteher der großen Rathaus-Fraktionen ging.
Die Grünen dürfen gegen den eigenen Regierungspartner argumentieren, wenn sie sich an die Abmachung halten und am Ende des Tages die Hand heben, wenn über den Haushalt abgestimmt wird. – Die Frage, die sich nicht nur viele Grüne Parteimitglieder in Augsburg stellen, lautet also: Was ist davon zu halten? Die Antwort ist einfach: Nichts!
Wie weit darf eine Grüne Stadtratsfraktion gehen, um noch glaubwürdig zu sein? Wie viele Parkhäuser dürfen die Grünen zum Beispiel moderierend zulassen, um noch als Grüne Partei zu gelten? Allein im Koalitionspapier der SPD/CSU sind vier Projekte festgezurrt. Eine dieser Planungen könnte den Augsburger Grünen den Garaus bereiten, nämlich die „Erstellung einer Angebotsplanung für ein nicht in städtischer Hand zu errichtendes und zu betreibendes Parkhaus im Bereich Innenstadt/Ost z.B. im Bereich Magesberg/Schmiedberg“, wie es im Koalitionspapier von CSU und SPD heißt.
Falls auch das immer wieder im Raum stehende Parkhaus am Predigerberg realisiert werden sollte, würden in einer Stadtratsperiode mit Grüner Beteiligung vier Parkgaragen entstehen beziehungsweise geplant werden, wenn man die Augustaarkaden und Kongress am Park dazu zählt.
Wenn man in der Verkehrspolitik vollkommen unterschiedliche Ziele verfolgt, darf man auf lokaler Ebene nicht koalieren. Ein zurückhaltender Umgang bei weltanschaulichen Differenzen bedeutet das Ende der politischen Debatten und somit das Ende der politischen Sprache und somit den Übergang der Politik in die Verwaltung. Augsburgs Oberbürgermeister hat in Augsburg nach seinem grandiosen Wahlsieg die lokale Politik vom Kopf auf die Füße gestellt und so waten die Grünen und die SPD bis zu den Knien in der Verwaltung, ohne etwas Bedeutsames auf Beine stellen zu können, das als etwas typisch Grünes oder als ein typisches SPD-Projekt erkenntlich wäre.
Bei der SPD muss das nicht weiter stören. Die Augsburger Sozialdemokraten sind nach der Kommunalwahl auf dem Sterbebett gelandet. Die Grünen aber, soeben noch eine vitale Partei, bekommen ein paar Zuckerstücke und verkaufen dafür ihre Grundüberzeugung in Sachen Verkehr unter Wert. Wenn man seinen politischen Gegner nicht mehr bekämpfen darf (weil er merkwürdigerweise ein Partner geworden ist), obwohl er in grundsätzlicher Themenstellung eine grundsätzlich andere Politik betreibt, dann weiß man als Partei nicht mehr, wer man ist.