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Dienstag, 23.07.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Welche Fahnen sie zu welchem Anlass auch schwingen: Nationalisten haben auf dem Rathausplatz nichts verloren

Warum die Friedenstadt mehr MUT zeigen muss, wenn Nationalisten ihre Straßen und Plätze besetzen

Kommentar von Siegfried Zagler

„Diejenigen, die jetzt am lautesten meckern, wären die ersten gewesen, die sich beschwert hätten, wenn die Stadt nichts unternommen hätte“, so OB Kurt Gribl im Februar dieses Jahres auf einer Pressekonferenz. Gemeint waren diejenigen, wie zum Beispiel der Schreiber dieser Zeilen, die damals die Auffassung vertraten, dass man die Bundesvorsitzende der AfD ohne großes Rahmenprogramm seitens der Stadt im Rathaus hätte sprechen lassen sollen. Der aggressive Aufmarsch der türkischen Nationalisten am vergangenen Sonntag auf dem Rathausplatz wurde bisher von keiner städtischen Stelle negativ kommentiert und bewertet, obwohl es der Friedensstadt gut stehen würde, würde man sich in dieser Hinsicht deutlich positionieren.

Das Augsburger Rathaus ist derzeit mit drei Buchstaben geschmückt: MUT. Das soll das Motto des diesjährigen Friedensfestes darstellen. Ein Motto, das zu einer Farce verkommt, wenn wenige Wochen vor dem 8. August ein nationalistischer Mob Fahnen schwingt und – unkommentiert von der Stadt und der großen wie friedlichen Mehrzahl der türkischen Community – Hetz- und Kriegsparolen auf dem Rathausplatz skandieren darf.

Der Aufmarsch der türkischen Nationalisten ist vom deutschen Versammlungsrecht gedeckt. Damit ist man aber schon am Ende der Toleranz angekommen. Solche Aufmärsche müssen in einer offenen und demokratischen Gesellschaft geächtet werden. Egal wo, egal zu welchem Anlass: Aggressiver Nationalismus ist in einem vereinten und offenen Europa gleichzusetzen mit Hinterwäldlertum, das es zu bekämpfen gilt. Das gilt natürlich für jeden Fleck der Erde. Für Grönland wie für Augsburg gilt die Haltung, dass man sich nie wieder mit Nationalisten arrangieren darf, was im Grunde schon geschieht, wenn man sich vor ihnen fürchtet und schweigt. Deshalb soll an dieser Stelle gesagt sein, dass Nationalisten in Augsburg und anderswo mit den Mitteln der Rechtsstaatlichkeit zu bekämpfen sind: “Verschwindet wieder!”, möchte man sagen. Wer die Politik Recep Tayyip Erdogans und sein Sultanat namens Türkei mit einer gleichgeschalteten Justiz und Presse glühend gut findet, soll sich dort wohl fühlen, wo die Menschenrechte mit Füßen getreten werden, wo die freie Meinungsäußerung, das wichtigste Gut jeder Demokratie, unterdrückt und bekämpft wird und ein Klima der Angst und Einschüchterung herrscht und der Begriff “Säuberung” verwendet wird, als wäre nichts dabei, politische Gegner und Feinde wie lästige Insekten zu eliminieren.

Die Türkei befindet sich spätestens seit Samstag im freien Fall – sie fällt heraus aus den Strukturen und ethischen Prämissen einer Zivilgesellschaft und es gehört nicht viel Fantasie dazu, sich vorzustellen, dass in wenigen Jahren Millionen Türken als politisch Verfolgte auf der Flucht sein werden. Der Binnenkrieg der Türkei geht uns alle an. Die ewig Gestrigen auf dem Rathausplatz haben uns das am Sonntag deutlich vor Augen geführt.