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Dienstag, 26.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Weitzel hält Theatersanierung für machbar

Großer Andrang bei öffentlicher Präsentation der Pläne

Von Frank Heindl

Alternativlos: Vorentwurfsstudie „B 1.3“ – 160.000 Kubik­meter umschließt der „dienende“ Neubauteil und ist damit 40% größer als das Große Haus selbst.

Die Brechtbühne war proppenvoll, doch die von vielen erwartete Kritik blieb aus: Als am Montagabend Architekt, Bauamt, Theater und Kulturreferat gemeinsam Rede und Antwort standen und über ihre Pläne zur Sanierung des maroden Stadttheaters Auskunft gaben, hatte sich ein Publikum vor allem aus Theateranhängern eingefunden – schon bei halbwegs kritischen Anmerkungen oder Nachfragen ertönte deutliches Murren.

In einem langen Vortrag erklärte der Münchner Architekt Walter Achatz zunächst die angestrebten Ziele der umfangreichen Sanierung, die ob des gewaltigen Kostenrahmens von 235 Mio. Euro seit Wochen nicht nur in der Kulturpolitik für Aufregung sorgt. Tatsächlich geht es bei der angestrebten Sanierung nicht um eine Schönheitsoperation, sondern ums Eingemachte. Wegen Mängeln beim Brandschutz und zu langen Rettungswegen ist das Stadttheater von der Schließung bedroht, die Statik des gewaltigen Bühnenturms hält der Belastung nicht mehr stand (dass es auch hineinregnet, scheint da fast schon nebensächlich). Dazu kommen akute Mängel bei der Arbeitssicherheit, eine vollkommen veraltete Heizungsanlage aus den 30er-Jahren (!) und vieles mehr. Nötig wird, wie der Architekt erklärt, auch eine Schadstoffsanierung (deren Umfang bisher nicht zur Gänze geklärt ist), neue Bühnentechnik, Verbesserung der Akustik, die Integration anderer Nutzungsorte, deren Miete derzeit das Theaterbudget belastet, im neuen Gebäude. Und schließlich der Bau eines neuen Schauspielhauses, das die bestehende Brechtbühne nicht nur ersetzen soll, sondern als „multifunktionale Spielstätte“ Raum für über die derzeitigen Möglichkeiten deutlich hinausreichende Aktivitäten ermöglichen würde – ein Saal mit 400 Plätzen fehle in Augsburg, erklärte Kulturreferent Thomas Weitzel, er könne beispielsweise für Kabarett, Poetry Slams und ähnliche Veranstaltungen dienen.



Fragen waren erlaubt, Anregungen nicht, Kritiker wurden abgebürstet: Norbert Reinfuss, Thomas Weitzel, Juliane Votteler und Walter Achatz (v.l.) auf dem Podium in der Brechtbühne

Viele Veränderungen hinter der Fassade

Das Große Haus des Theaters soll bei aller aufwändiger Sanierung sein Äußeres behalten – schon aus Gründen des Denkmalschutzes. Doch hinter der Fassade und um diese herum wird sich, falls die Pläne Wirklichkeit werden, vieles tun. Die wichtigsten Veränderungen:

  • Im Innern sollen zwei Aufzüge dafür sorgen, dass das gesamte Gebäude zukünftig in allen Bereichen für Rollstuhlfahrer barrierefrei nutzbar wird. Auch das Foyer im dritten Rang, oft genutzt für Einführungsveranstaltungen, wäre dann für alle erreichbar und würde ein „Schmuckstück des Hauses“ (so Intendantin Juliane Votteler).
  • Ein neues Gebäude soll es fürs Orchester geben, darin ein sehr großzügiger Probensaal mit Blick auf den Fugger-Boulevard, der auch von außen einsehbar wäre.
  • Die Treppenhäuser würden von ganz unten bis ganz oben durchgezogen – so soll unter anderem die „Entfluchtungssituation im Zuschauerhaus“ verbessert werden.
  • Der Theaterchor erhielte eine eigene Etage mit Proberaum, Einsingzimmer, Umkleide, Büro.
  • Die Kasernstraße würde es in ihrer heutigen Form nicht mehr geben – sie soll „aufgelassen“ werden, auch ein Durchgang für Fußgänger bestünde dann nicht mehr.
  • Das neue Platzangebot würde auch ein Restaurant, ein Café, einen Theatershop möglich machen.
  • Der Hoffmannkeller bliebe als zusätzlicher Spielort mit eigenem Eingang erhalten.
  • Ebenso könnte das neue Raumangebot für weitere neue Veranstaltungs­orte sorgen. Juliane Votteler könnte sich beispielsweise vorstellen, dass im Probensaal der Philharmoniker auch kammermusikalische Konzerte stattfinden würden, ebenso könnten auch die neuen Probebühnen mit kleinen Produktionen bespielt werden, zum Beispiel wenn im Sommer das Hauptaktionsfeld des Theaters sich auf die Freilichtbühne verlagert.
  • Natürlich würde das sanierte Gelände in seiner Gesamtheit mannigfaltige weitere Vorteile für den Theaterbetrieb bringen. Neun Meter hohe Lagerräume etwa, in denen ganze Kulissen in Originalgröße unzerlegt aufbewahrt werden könnten – davon kann man derzeit nur träumen, da komplette Ausstattungen in verschiedenen gemieteten Räumen in der Stadt aufbewahrt und regelmäßig hin und her kutschiert werden müssen.

2022 könnte alles fertig sein

Die Terminplanung für diese „Träume“ sieht vor, dass das Theater mit Ende der kommenden Spielzeit 2016/2017 das Große Haus verlassen müsste. Nach weiteren Untersuchungen und Planungen wäre 2017 Baubeginn, die Inbetriebnahme des sanierten Großen Hauses könnte ab Mai 2020 erfolgen. Bereits vorher soll mit dem Bau des neuen Schauspielhauses begonnen werden – es wäre diesen Planungen zufolge 2022 fertig, sodass ab dann wieder ein uneingeschränkter Vollbetrieb am Kennedyplatz stattfinden könnte.

Doch die Crux für solche Pläne sind natürlich nach wie vor die Kosten. Die mehrfach kolportierten 235 Millionen Euro, das betonte Architekt Achatz wiederholt, seien die Obergrenze für die Kosten – das Vorhaben könne diese Grenze erreichen, enthalten sei aber eine erhebliche Risikoreserve. Für das Große Haus kommen die Planer damit auf einen Preis von etwa 700 Euro pro Kubikmeter umbauten Raumes – 740 Euro pro Kubikmeter habe die Sanierung des Münchner Gärtnerplatztheaters gekostet, die sich derzeit in der Endphase befindet und ebenfalls von Achatz betreut wird.

Mehr geht nicht: In der fußballfeldgroßen und 15 Meter tiefen Baugrube sollen überwiegend Lagerräume entstehen – in der Mitte dargestellt ist das Requisitenlager, in dem problemlos der gesamte Obere Rathausfletz Platz hätte.

So war, kurz zusammengefasst, der Informationsstand in der Brechtbühne, als das Publikum zur Diskussion aufgefordert wurde. Auf dem Podium warteten Intendantin Juliane Votteler, Kulturreferent Thomas Weitzel, Architekt Walter Achatz sowie Norbert Reinfuss vom Hochbauamt auf kritische Fragen. Moderatorin Silvia Laubenbacher blitzte gleich mal ab mit ihrem Vorschlag einer „zeitlichen Splittung“, um Kosten auf einen längeren Zeitraum zu verteilen. Zeitliche Dehnung erhöhe die Kosten, argumentierte Reinfuss. Ohnehin sei das Große Haus von der Schließung durch feuerpolizeiliche Anordnungen bedroht, und schließlich seien die dargestellten Pläne „kein Luxus-, sondern ein Sachprogramm.“ Augsburg habe eine komplette Sanierungsphase übersprungen, die an ähnlich gelagerten Häusern in den 70ern und 80ern stattgefunden habe – das müsse man nun ausbaden, jeder weitere Aufschub erhöhe den Aufwand.

Verkleinern geht nicht

Auch ein Rückbau komme nicht infrage, fügte Weitzel hinzu, als gefragt wurde, ob Augsburg überhaupt ein solch großes Theater brauche. Die derzeitige Planung sieht vor, den Zuschauerbereich unverändert zu belassen – eine Verkleinerung wäre viel teurer. Im Übrigen habe das Augsburger Theater eine „normale“ Größe für ein Drei-Sparten-Haus und könne nur in dieser Größe sein derzeitiges Programm leisten. Die große Zahl von Schauspiel-Darbietungen pro Jahr zeige, „dass das Theater angenommen wird“ und sei nur mit dem geplanten Raumangebot zu schaffen – mit Parallelbespielung zweier Spielstätten. 90 Professoren der im Aufbau befindlichen Uniklinik und deren „Apparat“, so Weitzel weiter, erwarteten mit Sicherheit ein kulturelles Angebot in diesem Rahmen.

Ob denn mittlerweile ein Anruf von Horst Seehofer gekommen sei, hakte die Moderatorin nach, mit Geldversprechungen in großer Höhe? Und nun überraschte Weitzel dann doch mit geballtem Optimismus: Man treffe bei den Gesprächen in München auf „großes Wohlwollen gegenüber unserem Projekt“, man pflege intensive Kontakte und werde die nächsten Wochen nutzen, um „Finanzierungsmodelle zu erdenken.“ Wie die aussehen könnten, ließ er nicht so richtig durchblicken – einen rettenden Strohhalm scheint Weitzel in der Tatsache zu sehen, dass die Realisierung des Gesamtprojektes sich über einen längeren Zeitraum hinziehen soll: „Wir reden über acht Jahre Minimum.“ Klar zu machen sei auch, dass die Planungen keinen „Luxusbaukörper“ vorsähen und keine „nice to have“-Dinge beinhalteten. Und deutlich müsse auch werden, dass 50 Prozent der Theaterbesucher aus dem Umland kämen. Da man dieses nicht zum Zahlen zwingen könne, „sollte der Freistaat einspringen.“ Mehr könne und wolle er im Moment nicht sagen, betonte Weitzel. Da konnte das Gefühl aufkommen, der Mann halte noch ein paar Trümpfe versteckt. Aber vielleicht schien es dem Kulturreferenten ja einfach geboten, genau diesen Eindruck zu erzeugen …

Auf jeden Fall „nice to have“: Vier je 400 qm große Probebühnen im Norden, gerechtfertigt als Schallschutz­puffer für’s Kloster Heilig Kreuz; an der Volkhartstraße soll ein solitärer Orchesterprobensaal „deluxe“ mit einer aufwändigen Glasfassade dem Verkehrslärm trotzen.

Der Optimismus kam an

Dem Publikum gefiel dieser Optimismus – es kam tatsächlich und ernsthaft die Frage auf, ob man nicht die marode Freilichtbühne und das verfallende Gignoux-Haus gleich mit sanieren könnte. Noch ernsthafter wurde dann aber doch noch nach der „roten Linie“ gefragt: Wie viel kann die Stadt maximal selber leisten? Das wisse man jetzt nicht, gab Weitzel zu, und betonte noch einmal, es komme darauf an, in welche „zeitliche Tranchen“ das zu leistende aufteilbar sei. Außerdem sei darüber nachzudenken, wie der städtische Gesamthaushalt aussehe. Im Moment, so Weitzel, entfällt auf die Kultur ein Anteil von 3,6% am Haushalt. Erhöhe man diesen Anteil um nur ein Prozent, so habe die Kultur zehn Millionen mehr zur Verfügung.

Alles Träume? Zum Schluss jedenfalls gab Weitzel noch Grundsätzliches zu bedenken: Die Stadtgesellschaft brauche das Theater als ein Forum der Diskussion. Hier zeige sich ihre Gestaltungskraft und ihren Gestaltungswillen. Hier könne man sich treffen, sich austauschen – und zwar außerhalb der ökonomischen „Wertschöpfungskette“, sprich: ohne auf Heller und Pfennig angeben zu müssen, ob sich etwas lohnt oder bezahlt macht. „Das“, so Weitzel, „mag für den einen Luxus sein – für den anderen ist es ein Bedürfnis.“

Grafiken und Bildunterschriften: Bruno Stubenrauch