Wasserkraftwerk am Hochablass: Ratsbegehren vor dem Aus
Kommentar von Siegfried Zagler
Abendstimmung am Augsburger Hochablass
Die Stadtregierung will ihren Bürgern innerhalb von 16 Monaten das zweite Ratsbegehren zumuten. Das erste Ratsbegehren der Stadtregierung war damals eine richtige und notwendige Maßnahme. Der Bürgerentscheid am 21. November 2010 zum Königsplatzumbau hat nicht nur die Kritiker in den eigenen Reihen und die SPD auf Linie gebracht, sondern ist auch dem Willen der Bürgerschaft gefolgt, über eine entscheidende Frage des Königsplatzumbaus nochmal abstimmen zu lassen. Bei dem aktuell beabsichtigten Ratsbegehren bezüglich des geplanten Wasserkraftwerkes am Hochablass liegt eine andere Situation vor. Der Stadtregierung wird dabei von der Opposition vorgehalten, dass ihr Ratsbegehren keine miserable Öffentlichkeitsarbeit heile und auch nicht die eigenen Versäumnisse kaschiere, die Bürger in dieser sensiblen Angelegenheit mitzunehmen.
„(…) damit die Belange erstmals grundlegend diskutiert werden können“
Um es vorsichtig zu formulieren: Man ist geneigt, der Opposition zuzustimmen. „Flucht nach vorne“, so könnte man die Motivlage der Stadtregierung bezeichnen. Hinzu kommt noch eine Besonderheit, die das Ratsbegehren ad absurdum führt: Es gibt keine Bürger, die eine Abstimmung begehren. „Die Mitglieder der Bürgerinitiative „Rettet den Hochablass“ waren über die Absichten der aktuellen Rathauskoalition, dass die Augsburger Bürgerinnen und Bürger im Rahmen eines Ratsbegehrens über ein Rest-Wasserkraftwerk im Hochablass entscheiden sollen, überrascht und halten ein Ratsbegehren für nicht erforderlich.“ So die Initiative, die am Samstag auf einer Versammlung ankündigte, „die fachlich betroffenen Kreise wie Stadtverwaltung, Stadtwerke, Naturschutzorganisationen, Denkmalschutz, Stadt- und Heimatpfleger, Industrie- und Handelskammer am 8.2.2012 zu einem Runden Tisch einzuladen, damit die von dem beabsichtigten Eingriff betroffenen Belange erstmals überhaupt und grundlegend diskutiert werden können.“
Das Ratsbegehren scheint gescheitert, noch bevor die Fragestellung formuliert ist
Doch nicht nur, dass der Bürgerwille für einen Bürgerentscheid fehlt, auch im Stadtrat scheint es für das geplante Bürgervotum via Ratsbegehren auf der kommenden Sitzung keine Mehrheit zu geben. Nach Informationen der DAZ sieht weder die Opposition (SPD, Grüne, Linke) eine Notwendigkeit für ein Ratsbegehren, noch die Freien Wähler. Karl Heinz Englet ist dagegen und selbst in den Reihen des kleinen Koalitionspartners Pro Augsburg gibt es Gegner für das letzte Woche bekannt gewordene Ansinnen der Stadtregierung, die Bürger in Sachen Kraftwerk am Hochablass entscheiden zu lassen. Stand der aktuellen Lage: Das Ratsbegehren scheint gescheitert, noch bevor die Fragestellung formuliert ist. So überraschend das Ratsbegehren aus dem Nichts kam, so schnell scheint es dorthin auch wieder zu verschwinden.
„Bürgernähe statt Bürgerbegehren“, so ein Wahlkampfslogan des damaligen OB-Kandidaten Kurt Gribl. Ziemlich genau vier Jahre später sollte man in aller Gelassenheit feststellen dürfen, dass Ratsbegehren nichts mit Bürgernähe und Bürgerbeteiligung zu tun haben. Ein Ratsbegehren ist nicht dafür gedacht, die Entscheidungsfindung einer eiligen und komplizierten Sachentscheidung auf den Bürger zu übertragen. Und es widerspricht dem Geist des Ratsbegehrens, es als Instrument für taktische Winkelzüge zu verwenden. „Alle reden über die Energiewende – alle betrifft die Energiewende! So müssen alle Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, an dieser Entscheidung mitzuwirken“, so begründet die Augsburger CSU ihren Willen zum Ratsbegehren.
Keine Entscheidung darüber, ob man in Augsburg einen weiteren Beitrag zur Energiewende leisten will
Eine Entscheidung über ein Wasserkraftwerk am Hochablass ist eine Entscheidung darüber, wie und ob dieses Projekt mit diesem Ort in Einklang zu bringen ist – und keine Entscheidung darüber, ob man in Augsburg einen weiteren Beitrag zur Energiewende leisten wolle oder nicht. „Wir haben Vertrauen in die Kompetenz des Augsburger Stadtrats, dass er über die Sinnhaftigkeit und Wirtschaftlichkeit eines Rest-Wasserkraftwerks im Hochablass verantwortungs- und kostenbewusst entscheiden wird“, so die Bürgerinitiative „Rettet den Hochablass“. Der letzte Schritt des Genehmigungsverfahrens hätte auf der kommenden Stadtratssitzung am 26. Januar vollzogen werden sollen. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser letzte Schritt bei der defizitären Informationslage eher im Stadtrat hätte scheitern können, als das Gesamtprojekt durch einen Bürgerentscheid Ende März, wurde offensichtlich von den Spitzenpolitikern der Regierungskoalition höher eingeschätzt. Finanzreferent Hermann Weber, führender Kopf der NCSM, sieht das anders. „Mit den Grünen und der halben SPD hätten wir das durchgebracht“, wie Weber gestern Abend beim Neujahrsempfang der Kreistagsfraktion der Freien Wähler gegenüber der DAZ zu Protokoll gab. Inzwischen ist es kein Geheimnis mehr, dass mindestens drei Mitglieder der Pro Augsburg Fraktion aus wirtschaftlichen Überlegungen heraus gegen das Projekt sind. Weber würde auch einen Bürgerentscheid unterhalb des Quorums (zirka 20.000 Bürger müssen ihre Stimme abgeben) akzeptieren. Für das von Oberbürgermeister Gribl noch am Sonntag, 8. Januar präferierte Überprüfen aller Bürgerbelange wäre – soll es nach dem Fahrplan der Stadtregierung gehen – noch zehn Wochen Zeit. Das wäre der richtige Weg. Das Ratsbegehren ist eine Schnapsidee.