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Freitag, 22.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Warum Frauke Petry im Rathaus sprechen soll

Würde Frauke Petry im Rathaus sprechen, entspräche dies der Integrität der Friedensstadt Augsburg – Petrys Ausgrenzung würde diese Integrität eher in Frage stellen.

Kommentar von Siegfried Zagler

Die AfD war von Beginn an eine rechtspopulistische Partei, die – Lucke hin oder her – keine Alternative zu was auch immer darstellte. Nach ihrem Essener Parteitag im vergangenen Sommer ist die AfD sukzessive zu einem rechtsextremen Monster mutiert, also zu einem Parteiapparat verkommen, der sich kaum noch ziert, die Rhetorik eines völkischen Nationalsozialismus zu verwenden. Höcke, Gauland, von Storch und Petry wären, würden sie „normalen“ Parteien angehören, längst in ein Ausschlussverfahren verwickelt. Doch in einer Partei, in der mächtige rechtsextreme Schaltkreise im Parteiapparat den Ton angeben, muss niemand, der die Sprache der Unmenschlichkeit anschlägt, mit einem Ausschlussverfahren rechnen.

Die steigenden Umfragewerte der AfD auf Bundes- und Landesebene kommen deshalb einer Katastrophe gleich. Und sie kommen dem Schreiber dieser Zeilen wie eine Heimsuchung einer wiederkehrenden Krankheit vor, gegen die man sich bereits immunisiert wähnte. Eine schwerwiegende Krankheit, deren Bekämpfung zu den wichtigsten Aufgaben der politischen Kaste zählt. Das gilt für die Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik wie für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, die sich mit demokratischem Selbstbewusstsein auf vielen Ebenen den kruden rassistischen und menschverachtenden Reden von Höcke, Gauland, von Storch, Petry und Co. entgegenstellen.

So zeigt und bildet sich die Integrität und die Lebendigkeit der Friedensstadt Augsburg, indem ein Bündnis des bürgerschaftlichen Engagements und fast alle Rathausparteien zu einer Art Gegenrede in Form einer Mahnwache auf dem Rathausplatz aufrufen. Auch die geplante Gegenveranstaltung des Stadtrats im Goldenen Saal ist ein wirkungsvolles Zeichen gegen den Aufmarsch des rechten Randes einer Gesellschaft, die immer weniger den Rezepten und Lösungsfindungsprozessen der bürgerlichen Parteien vertraut, wenn es zum Beispiel um die Flüchtlingskrise geht.

Mit dem Versagen der Politik bezüglich der Flüchtlingskrise ist der Aufwärtstrend der AfD hinreichend erklärt – und die These, dass die AfD wieder in den unbedeutenden politischen Raum verschwindet, wenn es einen Europäischen Kanon in Sachen Flüchtlingspolitik geben würde, ist nicht viel mehr als ein Allgemeinplatz.

Es kommt also nicht darauf an, ob man die Bundesvorsitzende der AfD als Rednerin im Augsburger Rathaus verhindern kann oder nicht, sondern darauf, ob die Gegenveranstaltungen ein Erfolg werden oder nicht. Mit juristischen Winkelzügen und Einschüchterungsversuchen eine Rede einer umstrittenen Person verhindern zu wollen, entspricht genau dem Gegenteil davon, was eine Friedensstadt ausmachen sollte. Petrys Aussagen zum Schusswaffengebrauch sind obszön und liegen außerhalb jener Grenze, die von fortschrittlichen und liberalen Staaten zu ziehen sind – und dennoch werden diese Aussagen eben in diesen Staaten durch die Meinungsfreiheit gedeckt – gerade noch, sollte man hinzufügen. Das Recht auf Meinungsfreiheit ist eines der höchsten Rechte und  mit der Würde des Menschen unantastbar.

Das Augsburger Rathaus als sakralen Ort der Kontemplation, als heiligen Hügel der städtischen Identität und als Weihe der Friedenspreisträger zu mystifizieren, um gegenüber dem grobkörnigen Gedöns einer Frau Petry eine moralische Keule schwingen zu können, ist eine bodenlose Strategie der Stadt, weil sie eine Strategie der Schwäche ist. Wenn man davon absehen könnte, dass im Oberen Fletz des Rathauses, wo der Stadtrat tagt, beim Ringen um Entscheidungen geflucht, gelogen, diffamiert, gefeixt, gelacht und gefeiert wird, wie das in allen freien politischen Räumen üblich ist, dann könnte man die OB-Segnung des Augsburger Rathauses zum heiligen Tempel der konfliktfreien Zusammenkunft mit einem Lächeln quittieren, weil sich ein Oberbürgermeister damit selbst zum Hohepriester dieses Tempels erklärt hätte, also zu einer geistigen Führungsfigur, die als moderner Leviathan nicht nur die materiellen Entscheidungen im Sinne der Stadt trifft, sondern auch als Pontifex Maximus für den Seelenfrieden der Gemeinde zuständig ist.

Kurt Gribl war schlecht beraten, seine ursprüngliche Position nach dem Petry-Interview des Mannheimer Morgen zu revidieren. Petry im Oberen Fletz sprechen zu lassen, um sie mit ihren eigenen Waffen zu schlagen, wäre ein politisches Agieren aus der Position der Stärke gewesen. So aber agiert Kurt Gribl aus der schwachen Position eines geistigen Denkmalschützers heraus. Eine Position, die die politische Stadt schwächer dastehen lässt als sie ist. Eine angeblich zu schützenden Integrität der Stadt Augsburg vorzuschieben, um eine persona non grata von dem Ort fernzuhalten, an dem sie am besten gestellt und entlarvt werden könnte, befördert nur eine Partei. Die Augsburger AfD wird durch diese Form der Dämonisierung und der damit entstehenden zusätzlichen öffentlichen Aufmerksamkeit nicht nur weitere Prozentpunkte aus dem rechten Spektrum hinzugewinnen, sondern auch potentielle Wähler aus der bürgerlichen Mitte. Mit dem Instrument der Ausgrenzung entfernt man nicht nur die AfD von der Plattform der Demokratie, sondern untergräbt auch die Grundpfeiler unserer demokratischen Kultur.