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Freitag, 19.04.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Wahlkampf-Endspurt: Roth und Trittin auf dem Rathausplatz

Einen Wahlkampfauftritt “mit viel Wind im Gesicht” legten am heutigen Dienstag Mittag die Grünen Bundestagskandidaten Claudia Roth und Jürgen Trittin auf dem Augsburger Rathausplatz hin. Gut 150 Zuhörer verfolgten die Reden der beiden Bundespolitiker und ließen sich auch vom 20-minütigen Regenguss während Jürgen Trittins Rede nicht vertreiben.

Jürgen Trittin, Claudia Roth und Dr. Anton Hofreiter (Bundestagskandidat München-Land) auf dem Augsburger Rathausplatz

Beide Spitzenpolitiker fanden zu Beginn ihrer Ansprachen deutliche und ausführliche Worte zur Pädophilie-Affäre, die zurzeit den Grünen Wahlkampf überschattet. Die Forderung nach strafrechtlicher Freistellung von sexuellen Handlungen zwischen Kindern und Erwachsenen im Göttinger Grünen Wahlprogramm aus dem Jahr 1981, von Trittin damals presserechtlich verantwortet, sei ein Fehler gewesen. Man habe diese Haltung 1989 korrigiert, “viel zu spät”, so Trittin. “Wir vertreten das nicht mehr”, so der Grüne Spitzenkandidat. “Für uns ist seitdem völlig klar: Jede Form sexuellen Umgangs mit Kindern ist Missbrauch”. Aber bei dieser Wahl gehe es nicht darum, was Parteien einmal in ihrer Geschichte falsch gemacht haben: “Es geht darum, dass dies aufgeklärt wird, und zwar offen aufgeklärt wird. Dafür haben wir gesorgt.”

“Valium und Vakuum” von der “Teflon”-Kanzlerin

Hart in die Kritik gingen Roth und Trittin anschließend mit Angela Merkel. Claudia Roth parodierte die Kanzlerin nebst ihrer Standardgeste, der Raute vor dem Bauch aus Daumen und Zeigefingern: “Deutschland geht es gut, bitte wählt mich”. Aber nur Valium und Vakuum sei es, was Merkel, die wie Teflon alle Skandale von sich abperlen lasse, im Wahlkampf biete, so Roth.

Auch Trittin “kann den Satz, dass es diesem Land gut geht, nicht unterschreiben”: Jedes siebte Kind in Deutschland sei von Hartz IV abhängig. Wenn das so sei, dann stimme etwas nicht in diesem Land. “Und ich kann es nicht akzeptieren, dass in diesem Land 7 Millionen Menschen im Niedriglohnsektor arbeiten müssen. Denen geht es nicht gut. Und was ist die Antwort von Frau Merkel nach acht Jahren Kanzlerschaft? ‘Ich muss mir das Problem mal ankucken'”, so Trittin ebenso energisch wie vorwurfsvoll.

Globales zum Veggie-Day

Auch der “Veggie-Day”, der Vorschlag eines fleischlosen Angebots in Kantinen an einem Tag in der Woche, war Thema für Jürgen Trittin, der dazu mit einer Erklärung aufwartete, die weit über den Tellerrand hinausging: “Man hat den Vorschlag als Verbotspolitik abgetan, man hat so getan, als ob das eine individuelle Geschichte wäre. Aber auf einem Globus, auf dem über 800 Millionen Menschen hungern und zugleich ein Drittel der Getreideproduktion nicht den Menschen zugute kommt, sondern der Fleischproduktion für die Industrieländer, ist das nicht eine Frage des individuellen Vergnügens, sondern der globalen Verantwortung und der globalen Gerechtigkeit.”

Es sei auch keine Petitesse, dass diese Fleischproduktion verantwortlich sei für 18 Prozent der Treibhausgase. “Wenn man Klimaschutz ernst nimmt, muss man sich auch mit der Fleischproduktion auf diesem Globus auseinandersetzen”, so Trittin.

Für Trittin war der heutige Auftritt in Augsburg Auftakt einer anstrengenden Woche auf seiner “Deutschland-ist-erneuerbar-Tour” vor der Bundestagswahl am kommenden Sonntag. Bereits heute abend spricht er im 480 km entfernten niedersächsischen Göttingen. Morgen folgen Bremen und Hamburg, am Donnerstag und Freitag stehen Köln, Hannover und Berlin auf Trittins Tourprogramm.