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Samstag, 23.11.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Von Zukunftsdenkern und Blumenmalern

Warum der Augsburger Blumenmaler keine Kunst macht und sich die Zukunft nicht denken lässt

Von Siegfried Zagler



Die Stadtwerke bezahlen viel Geld für eine Image-Kampagne der Stadt. Die Image-Kampagne heißt „Projekt Augsburg City“. Es handelt sich dabei um eine Kampagne, die aktiviert wurde, als das so genannte „Tunnelbegehren“ die Königsplatzumbaupläne der Stadtregierung gefährdete. Damals ging es nicht nur in politischer, sondern auch in städtebaulicher Hinsicht ums Ganze. Die Kampagne hat möglicherweise mit dazu beigetragen, das „Tunnelbegehren“ abzuwehren. Warum „Projekt Augsburg City“ fortgesetzt wurde, erschließt sich nicht von selbst. Die Rathaus-SPD hat diesbezüglich nachgebohrt und keine befriedigende Antwort bekommen. SPD-Fraktionschef Stefan Kiefer ging es dabei um den Zweck und die Intransparenz bezüglich der Kosten dieser Kampagne. Natürlich spielt bei Kiefer, dem zukünftigen SPD-OB-Kandidaten, der Gedanke mit, dass die Rathausregierung und somit OB Kurt Gribl mit dieser Kampagne bereits heute Wahlkampf betreibt. Ausgelöst wurde der Zwist durch ein neues Format innerhalb des Projekts: „Die Zukunftsdenker“. Ein Format, das dem „Projekt Augsburg City“ irreparablen Schaden zugefügt hat, nachdem die „Zukunftsdenker“ mit viel Gedöns auf einer Pressekonferenz vorgestellt wurden. Es gab die fürchterlichste Reaktion, die eine Image-Kampagne auslösen kann: Desinteresse und verhaltenes Gelächter. In existenzialistisches Schwarz getaucht, wurden Köpfe in Sartre und Camus-Pose vorgestellt. Menschen, die von der Zukunft offensichtlich betroffener sind als andere, weil sie mehr als ihre Arbeitskraft verkaufen müssen. Die Frage, ob Menschen in die Zukunft sehen können, beantwortete Hanna Arendt mit einem trockenen „Ja“. „Sie können ein Versprechen machen und es halten.“

Projekt Augsburg City überzeugt nicht, sondern nervt

Kein Mensch interessiert sich dafür, wie Geschäftsleute ein städtebauliches Versprechen interpretieren. Kein Mensch nimmt der Business-Kaste die Fähigkeit zum „Zukunftsdenken“ ab, zumal sie offensichtlich für die allzu platte „Denker-Unterstellung“ zur Kasse gebeten wurde. Sartre hin, Camus her: Hätte die Agentur für ein Jota nachgedacht, wäre sie womöglich von selbst darauf gekommen, dass ein intellektuelles Feature in einem Kinderbuch für Kollateralschaden sorgen kann. Eine „Alles-ist-schön-und-alles-wird-gut-Botschaft“ wie „Projekt Augsburg City“ verträgt nichts gegen den Strich. Zukunft ist eine Kategorie, die sich bestenfalls mittels Erfahrung erahnen lässt. Man kann „vorausdenken“, weil man Daten vergleicht und auswertet. Zukunft lässt sich nicht denken, sondern bestenfalls prognostizieren. Ließe sich Zukunft denken, hätten sich die Image-Macher denken können, dass „ihre Zukunftsdenker“ in die Hose gehen. Vermutlich ist diese Einsicht bei den Kampagne-Machern in der Gegenwart angekommen. Die Zukunftsdenker sind innerhalb von „Projekt Augsburg City“ zu einem nahezu unsichtbaren Mosaik geschrumpft. Unabhängig davon, muss sich Stefan Kiefer keinen großen Kopf darüber machen, ob Kurt Gribl mit einer von den Stadtwerken finanzierten städtischen Imagekampagne beim Wähler punkten könnte. Ein in Form und Inhalt dergestalt einsilbig dargestelltes Reklame-Hurra auf den neuen Königsplatz überzeugt nicht, sondern nervt.

Augsburgblume: Mit einem Trompetenstoß aus dem Kopf geschlagen

Nicht weniger peinlich gestaltete sich der Verlauf einer Idee, die ebenfalls im städtischen Amt für Medien und Kommunikation zu verorten ist. Es handelt sich um jene Kapriolen, die die sogenannte „Augsburgblume“ ausgelöst hat. „Ursula Baier Pickartz, Leiterin des zentralen Stadtmarketings, hat die Blume schon immer gefallen. ‘Ich war von Anfang an entzückt von der Augsburgblume. Ich habe mich immer gefreut, wenn ich sie entdeckt habe. Sie zaubert mir ein Lächeln auf die Lippen’, sagt sie.“ So Miriam Zissler in der Augsburger Allgemeinen vom 25. Mai 2012. Weiter im Text heißt es: „Die positive Seite, etwa die Symbolkraft des Motivs, die emotionale Bindung der Augsburger zu der Blume, soll nicht verloren gehen. In diesen Wochen arbeitet Ursula Baier Pickartz an einem Marketingkonzept für die Stadt, die Augsburgblume soll ein Bestandteil davon werden. (…) Wie und wo, das will Ursula Baier Pickartz noch nicht verraten. Darüber macht sie sich Gedanken.“ – Die Gedanken von Frau Baier Pickartz erhärteten sich nicht im Wie und Wo, sondern landeten dort, wo sie hingehören: in einer städtischen Mülltonne. Zwei Monate nach dem Erscheinen dieses AZ-Artikels wurde Frau Baier Pickartz die „Augsburgblume“ mit einem Trompetenstoß aus dem Kopf geschlagen.

„Eine tatsächliche Nutzung der Blume wurde nie in Erwägung gezogen“

„Die Stadt Augsburg möchte sich in aller Deutlichkeit von den Aktivitäten des sogenannten Blumenmalers distanzieren“, so eine städtische Pressemitteilung vom 26. Juli. „Die Stadt Augsburg hat weder jetzt noch in Zukunft den Plan, die Augsburgblume in ihr Stadtmarketingkonzept zu implantieren.“ Deutlicher ist selten eine Idee als Schnaps gekennzeichnet worden. Die Begründung dafür könnte direkt aus der Feder von OB Kurt Gribl geflossen sein: „Eine tatsächliche Nutzung der Blume wurde nicht in Erwägung gezogen, da sonst die legitimen Interessen all jener missachtet worden wären, denen durch die „Augsburgblume“ ein Sachschaden entstanden ist. (…) Gute und neue Konzepte sind nie einstimmig, sie aber auf einem Straftatbestand aufzubauen ist nicht im Sinne unserer Stadtgesellschaft.“ Aufgrund des Strafbestandes wurde der „Augsburger Blumenmaler“ am vergangenen Mittwoch zu 12.000 Euro Geldstrafe und zu einer Gefängnisstrafe, die auf Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Dass der Richter mit seinem Strafmaß gegenüber dem geständigen „Künstler“ Milde walten ließ, hätte er nicht über den künstlerischen Mehrwert der Sprayarbeiten des jungen Mannes begründen können. Nichts deutet nämlich darauf hin, dass es sich bei der „Augsburgblume“ um etwas handelt, das mit Kunst in Verbindung zu bringen ist. Die Blumenmalereien sind in Augsburg überall zu finden. Sie generieren keinen Subtext im öffentlichen Raum, wie in etwa die naive Blumenmalerei des Yorker Künstlers Michael de Feo, der seine Blumen gezielt dort „pflanzt“, wo sie den Betrachter zu der Frage zwingen, ob diese Raumgestaltung an diesem Ort gelungen ist oder nicht.

Die Blumen des 25jährigen Augsburgers erzählen nichts, verweisen auf nichts, ihre Anordnungen im öffentlichen Raum sind beliebig. Keine Blume in Augsburg verweist auf mehr als auf den Hinweis „Bernhard Trum war hier“. Es geht dabei noch nicht einmal um die Frage, ob es sich um schlechte oder gute Kunst handelt. Niemand wird beim Betrachten einer „Augsburgblume“ den Drang verspüren, darüber zu urteilen, ob sie gelungen ist oder nicht. Als Harald Oskar Naegeli, einer der bekanntesten europäischen Sprayer, 1981 von einem Schweizer Gericht wegen Sachbeschädigung zu neun Monaten Gefängnis verurteilt wurde (!), hatte Naegeli mit seinen zarten und scheinbar schwebenden Figuren auf “öffentlichen Leinwänden” längst den Kunstbegriff erweitert. Niemand konnte in Zürich an einer Naegeli-Figur vorbeigehen, ohne herausarbeiten zu wollen, warum man dergestalt unerwartet von ein paar „Pinselstrichen“ berührt werden kann. Daran sollte man das uninspirierte Gesprühe des Augsburger Blumenmalers nicht messen. Die „Augsburgblume” wirft nur eine interessante Frage auf: Wie lange wird es dauern, bis das pubertäre Ding aus dem Stadtbild verschwunden ist?