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Mittwoch, 12.02.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Von Lichtgestalten und Schattenmännern

Von Siegfried Zagler

Fußballer, die im Dunkeln stehen sind die „wahren Helden der Fußarbeit“. „Grätscher, Terrier und Wasserträger sind die unauffälligen und unersetzlichen Helden des Fußballs. Viel zu selten werden sie gewürdigt“, so die beiden Journalisten der Süddeutschen Zeitung, Stefan Mayr und Dominik Prantl im Vorwort zu ihrem im März erschienen Buch über die in der öffentlichen Wahrnehmung vernachlässigten „Müllmänner des Fußballs“.



„Die Lichtgestalt des deutschen Fußballs, die vor allem deshalb stets glänzen kann, weil andere in ihrem Schatten die Drecksarbeit verrichten. Prominenter Profiteur der Terrier und Schattenmänner.“ Gemeint ist Franz Beckenbauer, dem die Autoren gerade mal vier Zeilen gönnen. Es folgt eine ausführliche Ode auf Schwarzenbeck, der gnadenlos unterschätzte zentrale Mann einer Dreierkette, der „sobald Beckenbauer in der Offensive herumturnt, viel mehr ist als nur ein knallharter Abräumer.“ Damit ist beinahe alles zum redaktionellen Paradigma der Autoren gesagt. Zum erstenmal wird in der deutschen Fußball-Reflexion den Künstlern unter den grätschenden Abwehrstrategen ein Buch gewidmet. Die Vogts, Schwarzenbecks, Försters, Kohlers, Briegels, Schnellingers und Co. haben den deutschen Fußball stärker geprägt als die Lichtgestalten der Balljongleure, um so wichtiger sei es, dass die Lücke in der Betrachtung dieser wahren Fußballhelden „mit aller Macht zugegrätscht“ wird. Und weil die Kunst der Schattenmänner überall nach Vollendung strebt, geht die hellsichtige Betrachtung derer, „die im Dunkeln stehen“ weit über das „Land der Vorstopper“ (Poschmann) hinaus.

Die unbeliebte Kunst der Unterbindung

Anekdoten und Kurioses über bekannte wie unbekannte Defensivstrategen, Foulspieler und Abwehrbollwerke sowie beinahe wissenschaftliche Beschreibungen über taktisches Abwehrverhalten und die Grätsche an sich bilden ein unterhaltendes wie fein gestricktes Potpourri fußballerischen Wirkens, dessen unbeliebte Kunst in der Unterbindung des Spielflusses besteht. Eine Leseprobe: „Wer ist der beste brasilianische Verteidiger aller Zeiten? Nein, nicht Lucio, nicht Nilton Santos und auch nicht Robert Carlos. Es ist Domingos da Guia. Er wird zwischen 1933 und 1947 Landesmeister in Uruguay, Argentinien und Brasilien. Sie nennen ihn „El Divino Mestre“ (göttlicher Meister“) und seine Kunst in spielerischer Gelassenheit den Ball aus dem Strafraum zu befördern, geht als „domingada“ in den Sprachschatz Brasiliens ein. Keiner kann ihn besser beschreiben als der Maradona der Schriftsteller, Eduardo Galeano: „Im Osten die Chinesische Mauer, im Westen Domingos de Guia. Es gab keinen solideren Verteidiger. Ein Mann von unerschütterlicher Ruhe, tat er alles mit unschuldigem Pfeifen und Blicken zur Seite. Die Schnelligkeit verachtete er. Er spielte in Zeitlupe, ein Meister der Spannung, Genießer der Langsamkeit.“ Einer der beiden Autoren, Stefan Mayr, hat selbst viele Jahre als Manndecker Fronarbeit geleistet. Von der TSG Lechhausen über die FCA-Jugend schaffte er den Sprung in den Kader des FC Augsburg. Anfang der Neunziger spielte er einige Spiele in der Bayernliga-Truppe des FCA. Sein damaliger Trainer Armin Veh stieg in die Elite der deutschen Trainergilde auf, während Mayr in der Bedeutungslosigkeit der Bezirksligen bis zum Karriereende seiner maßlos unterschätzen Kunst nachging.

Stefan Mayr, Dominik Prantl

Grätscher, Terrier, Wasserträger

Die wahren Helden der Fußarbeit

Eichborn

160 Seiten

12,95 Euro