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Dienstag, 08.10.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Vom Adler bis zum Mäuserich

Kinderfilmfest: am Sonntag wird der Sieger gekürt

Von Claudia Werdecker

Von einer Filmvorführung zur anderen und von Kino zu Kino zu laufen, das ist zurzeit nicht nur Erwachsenen vorbehalten. Beim 27. Kinderfilmfest können auch die Jüngsten filmerische Leckerbissen aller Couleur genießen. Noch bis Sonntag, 10. Mai, laufen im Augsburger Thaliakino acht Filme, die nicht nur junge Kinofans begeistern.

Am Donnerstag bot das Lichtspielhaus am Obstmarkt allerdings nicht genügend Platz. Sogar das Cinemaxx, in das der Eröffnungsfilm “Die Stimme des Adlers” verlegt worden war, platzte aus allen Nähten: Mehr als 500 junge und jung gebliebene Cineasten hatten sich im größten Saal des Kinos versammelt, um einige Tage im Leben des mongolischen Jungen Bazarbai mitzuerleben.

Für die Eröffnung des Festivals hatten sich die Organisatoren keinen leichten Stoff ausgesucht: Das Nomadenleben im kasachisch-mongolischen Grenzland wird dem 14-jährigen Bazarbai zu langweilig, er verlässt sein Zuhause und zieht seinem Bruder nach, der in der Nähe der Hauptstadt Ulan-Bator in einem Kohlebergwerk arbeitet. Auf seinem Weg begleitet ihn der Jagdadler seines Vaters. Zwischen dem Jugendlichen und dem Vogel entwickelt sich eine innige Freundschaft.

Der 14-jährige Bazarbai und sein Adler

Hauptdarsteller Bazarbai Matyei mit Adler in der mongolischen Steppe


Vor dem Hintergrund der gewaltigen mongolischen Wüstenlandschaft bannt die deutsch-schwedische Produktion Themen auf Zelluloid, die Jugendliche in aller Welt beschäftigen: wachsender Wille zur Selbstbestimmung kontra Abhängigkeit von den Eltern, daraus entstehende Konflikte, Ermessen der eigenen Grenzen. Umso erstaunlicher, dass der Film, der die Probleme Halbwüchsigen behandelt, auch vom deutlich jüngeren Publikum interessiert mitverfolgt wurde. “Die Kinder waren völlig gebannt. Außer etwas Popcornrascheln war nichts zu hören”, berichtet Festivalleiterin Ellen Gratza. Nach der Vorführung gab es noch eine besondere Überraschung: Hauptdarsteller Bazarbai Matyei persönlich stand vor der Leinwand, um Fragen zu beantworten. Dabei stellte sich heraus, dass die eine oder andere vermeintlich naive Kinderfrage durchaus ihre Berechtigung hatte: Schmunzelte das ältere Publikum zunächst noch, als ein junger Zuschauer wissen wollte, ob Bazarbais Eltern im Film echt seien, waren alle umso erstaunter, als der Mongole die Frage bejahte. Zum Abschluss schrieb der heute 17-Jährige Autogramme – und Geduld war bei beiden Seiten vonnöten, denn rund 200 Kinder reihten sich in die Schlange ein und warteten, bis sie dran waren.

Mit nicht ganz so harter cineastischer Kost ging es am verlängerten Wochenende weiter. Wer wollte, der konnte sich vom kleinen Mäuserich Herr Figo verzaubern lassen, der die ausgefallenen Milchzähne von argentinischen Kindern aufsammelt und daraus Perlen schleift. Gruselig wurde es mit der außerirdischen Vertretungslehrerin Ulla aus “Alien Teacher” und einer mysteriösen Katze in “Das zehnte Leben der Titanic”. Einen ernsteren Hintergrund hatte die dänische Produktion “Fightgirl Ayse”, in deren Zentrum die junge Türkin Ayse steht, die heimlich Kung Fu trainiert und sich gegen ihre konservative muslimische Familie wendet. Alle Geschmäcker wurden befriedigt und nicht selten sah man strahlende Kindergesichter, wenn sich nach den Vorführungen die Türen des Kinos öffneten und große wie kleine Zuschauer wieder ins reale Leben entlassen wurden.

“Die Resonanz war bisher sehr gut”, sagte Ellen Gratza am Montag. Das gute Wetter habe den Organisatoren am Sonntag zwar einen Strich durch die Rechnung gemacht, man sei aber dennoch zufrieden. “Außerdem stecken wir gerade erst drin! Jetzt geht es los mit den ganzen Schulverstellungen. Heute Vormittag war schon ein richtiger Trubel im Kino”, so Gratza. Einige Schüler werden übrigens auch dieses Jahr wieder ihre Lieblingsfilme prämieren. Zusammen mit ihrem Lehrer Florian Fischer stellt die Klasse 6f des Augsburger Gymnasiums bei St. Anna die Schülerjury. Am Samstag, 9. Mai, heißt es um 15.15 Uhr im Thalia dann wieder: “And the winner is…”

» Hauptdarsteller Bazarbai Matyei im Interview