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Freitag, 19.04.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Viel Theater beim Friedensfest

Nicht nur im Stadttheater geht es um „Grenzen“

Von Frank Heindl

Das sei, sagt Oliver Brunner vom Theater Augsburg, „der beste Auftakt, den man sich denken kann.“ Klingt heftig nach übertriebener Eigenwerbung, hat aber was Wahres: Am 16. und 17. Juli zeigt das Theater im Rahmen des Friedensfestes eine Produktion des Berliner Theaters Hebbel am Ufer, kurz HAU. „FRONTex Security“ heißt das Stück, das unter Leitung und Regie von Hans-Werner Kroesinger entstanden ist. Das Augsburger Friedensfest hat in diesem Jahr weitere Theater-Highlights zu bieten.

16.07. & 17.07. FRONTex Security: In Hans-Werner Kroesingers Stück geht es auch um die Kälte der Macht und die Macht der Worte (Foto: David Baltzer).

16.07. & 17.07. FRONTex Security: In Hans-Werner Kroesingers Stück geht es auch um die Kälte der Macht und die Macht der Worte (Foto: David Baltzer).


Nochmal zurück zu Hans-Werner Kroesinger. Der ist in Augsburg kein Unbekannter mehr: Im Februar 2014 hatte er in der Brechtbühne „Operation Big Week“ inszeniert, ein Dokumentartheater zur „Augsburger Bombennacht“, recherchiert von Augsburger Schauspielern unter Kroesingers Leitung (die DAZ-Kritik dazu hier). Kroesinger gilt nicht nur in Deutschland als Instanz für dokumentarisches Theater, seine Stücke etwa über den Völkermord in Ruanda oder den Kosovokrieg haben auch international Aufsehen erregt (ein DAZ-Gespräch mit Kroesinger hier). „FRONTex“, uraufgeführt 2013 in Berlin, passt exakt zum Thema des diesjährigen Friedensfests: Unter dem Titel „Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten“ geht es in Augsburg wie in Kroesingers Stück um Grenzen. Zwar stammt das titelgebende Zitat von Walter Ulbricht, der damit im Juni 1961 genau das leugnete, was wenige Wochen später doch stattfand: den Mauerbau zwischen den beiden deutschen Staaten. Das ist 54 Jahre her, der Mauerfall vom 9.11.1989 hingegen jährt sich 2015 zum 25. Mal. Doch fast genauso aktuell wie damals sind Mauern, Zäune und Gräben noch heute in Europa. Grund genug, einmal mehr über das Fortbestehen von Grenzen nach der Abschaffung der Schlagbäume nachzudenken – auch in Augsburg und vor allem im Rahmen des Friedensfestes.

Mozart mit Flüchtlingen und Profimusikern

Kroesinger tut das im Theater – mit einer zweistündigen Analyse der europäischen Grenzpolitik. „Sehr clean“, so Brunner, gehe es dabei zunächst zu – es wird in Abkürzungen gesprochen, die per Übertitelung erklärt werden, also in jenem bürokratisch-militärischen Code, der mehr vertuscht, als er preisgibt. Das Publikum – 200 Personen pro Aufführung – wird für das Stück in zwei Gruppen aufgeteilt. Zwei Aufführungen gibt es – sicher ein theatrales Großereignis für das Friedensfest und für Augsburg. Einseitigkeit kann man den Veranstaltern übrigens nicht vorwerfen: Am 31.7. steht in der Brechtbühne der Operationschef der Grenzschutzorganisation Frontex Rede und Antwort – das Publikumsgespräch mit Klaus Rösler ist auf zwei Stunden veranschlagt. Da es in dessen Job vor allem um die Verhinderung illegaler Immigration geht und da viele den tausendfachen Flüchtlingstod im Mittelmeer in Röslers Verantwortungsbereich sehen, darf man eine kontroverse Diskussion erwarten.

Das Team um Christiane Lembert-Dobler, seit vier Wochen neue Leiterin des Friedensbüros und damit Ablösung für Mona Rother, die das Amt seit dem Weggang von Timo Köster kommissarisch geleitet hatte, hat noch mehr Theater im Programm. Nicht ganz so hochprofessionell, aber mit enormem Sympathievorschuss: Die Sängerin und Musikerin Cornelia Lanz präsentierte auf der Pressekonferenz zum Friedensfest quirlig, fröhlich und ansteckend ihr neues Projekt: „Zaide. Eine Flucht“ ist Nachfolger der Produktion „Cosi fan tutte“, mit der das Opernprojekt sich einen Grimmepreis geholt hat. Auch für „Zaide“ liefert Wolfgang Amadeus Mozart den Plot: Das Werk ist ein unvollendetes Singspiel, an dem Mozart 1779-1781 gearbeitet hat. Es wurde zu seinen Lebzeiten nie aufgeführt – nun erhält es einige tiefgreifende Eingriffe: Unter der Leitung von Cornelia Lanz wird derzeit ein neues Libretto geschrieben, das die Story – es geht um eine Flucht aus dem Sultanspalast – aus der Sicht von in Deutschland lebenden Flüchtlingen erweitert. Die Darsteller werden ausschließlich Flüchtlinge sein, sie werden teilweise in ihren Landessprachen sprechen (die Übersetzung gibt’s in der Brechtbühne per Übertitelung) und teilweise auch in den Erzähltraditionen ihrer Herkunftsländer agieren – zum Beispiel mit nigerianischem Tanz. Auf der Bühne wird es ein arabisches Musikerensemble geben, ein weiteres kleines Wunder ist die Zusammensetzung des klassischen Orchesters: Es besteht aus Mitgliedern sowohl der Augsburger wie der Münchner Philharmoniker, der Stuttgarter Staatsoper und des Bayerischen Staatsorchesters. Die Finanzierung des Projekts ist übrigens noch nicht in trockenen Tüchern: Crowdfunding betreibt es hier, ein Spendenkonto findet sich im Programmheft des Friedensfestes (S. 75). Außerdem werden noch – auch private – Unterkünfte für die Teilnehmer gesucht.

Flüchtlinge in Ägypten, Herkunftssuche im Libanon

24.07.: Sie präsentieren die „Gaza-Monologe“: Schauspieler des Jungen Theaters Augsburg (Foto: Friedensbüro).

24.07.: Sie präsentieren die „Gaza-Monologe“: Schauspieler des Jungen Theaters Augsburg (Foto: Friedensbüro).


Mehr Theater beim Friedensfest gibt es zum Beispiel am 24. Juli in der Kresslesmühle – ein Programm, das sich vorrangig an Jugendliche richtet. Zunächst liest Schauspielerin Karla Andrä aus einem Text, der die derzeitigen Verhältnisse umkehrt: Eine Familie flieht vor einem Krieg in Deutschland nach Ägypten und erlebt nun ein Flüchtlingsschicksal am eigenen Leib. Anschließend zeigt das Junge Theater Augsburg „Gaza Monologe“ – das Stück will Einblick geben in das Leben Jugendlicher während des Gaza-Krieges und danach.

Ein letzter Theatertipp führt noch einmal ins Stadttheater: Die Gruppe „theater.interkultur“ zeigt im Hoffmannkeller das Stück „Verbrennungen“ von Wajdi Mouawad. Der zurzeit in Frankreich lebende Schriftsteller mit kanadischem Pass und libanesischen Wurzeln beschreibt die Suche eines Zwillingspaars nach den Geheimnissen seiner Herkunft – eine Geschichte von Bürgerkrieg, sinnloser Gewalt und Exil, in der es einmal mehr auch um innere und äußere Grenzen geht. Die Darsteller sind in Augsburg lebende MIgranten. Premiere ist am 17. Juli, zwei weitere Aufführungen folgen am 19. und 21. Juli.