Verschwinden hinter der Fülle des Werks
Frank Mardaus in der Galerie im Höhmannhaus
Von Frank Heindl
Vor zweieinhalb Jahren stellte der Künstler Frank Mardaus im Augsburger Stadtarchiv unter dem Titel „WE-0007“ ein sehr persönliches und höchst komplexes Archiv der Erinnerungen aus. Seit einigen Wochen präsentiert er im Höhmannhaus einen Nachfolger der Ausstellung: „Vertraulich – Nur für den Dienstgebrauch“ geht noch einen Schritt weiter in der Abstraktion dessen, was Erinnerung, was Bewusstsein, was den Menschen und den Künstler ausmacht.
Wie schon „WE-007“ bezieht sich die neue Ausstellung auf das „Lebenswerk“ des Ehepaars Caroline und Frank Mardaus, sie Schriftstellerin, er Fotograf, beide in intensivem künstlerischen Austausch, beide daran interessiert, diesen Austausch und die dahinter stehenden (Lebens-) Erfahrungen nicht nur für sich selbst, sondern auch für den Ausstellungsbesucher verständlich zu machen. Und auch wieder nicht. Denn noch in „WE-007“ ging es darum, das wirre Assoziationsgeschehen zwischen Du und Ich, Vergangenheit und Gegenwart, Kunst und Leben mit einer Art „Bewusstseinsmaschine“ (DAZ berichtete) und mit dem Instrument eines riesigen, penibel systematischen und trotzdem nicht überblickbaren Archivs des eigenen Lebens transparent zu machen. Doch mit „Vertraulich – Nur für den Dienstgebrauch“ nimmt Mardaus diesen Schritt – der nie einer in persönliche Nähe, eher einer zu abstraktem Verständnis war – wieder zurück und verschwindet hinter der enormen Fülle seines Werks.
Aus großen Fotos werden winzige Reproduktionen
„Vertraulich – Nur für den Dienstgebrauch“ stellt zwar mehr als 7000 Fotos von Frank Mardaus aus und einen Wust von 10.000 Seiten Text. Doch als wolle er seinen Drang zum Archivieren parodieren, hängen Mardaus‘ Fotos zu Tausenden als winzige Reproduktionen an den Wänden der Galerie im Höhmannhaus, sind seine Texte und die seiner Frau nur als Mikrofiches präsent. „Ich mache Kunst“, könnte das heißen, „aber ich zeige sie nicht mehr her.“ Thomas Elsen, Leiter des Höhmannhauses, hält sehr viel von Frank Mardaus‘ Fotokunst, betont aber: „Die wirkliche fotografische Qualität von Frank Mardaus wird in der Ausstellung nicht gezeigt!“ Eigentlich keine Werkschau sei die Ausstellung, so Elsen ironisch, eher eine „Wegschau“. Noch schlimmer ergeht es den Texten von Caroline Mardaus: Sie wurden anlässlich zweier Künstlergespräche im Höhmannhaus zwar vorgelesen, sind aber dem Besucher, der an normalen Tagen die Ausstellung sieht, nicht zugänglich.
Oder jedenfalls nur dem sehr wohlhabenden: In einer Vitrine, die vor nicht langer Zeit der Aufbewahrung des „Zarensilbers“ im Maximilianmuseum diente, werden die Mikrofisches mit den Miniaturen von Texten und Fotos geradezu sakral präsentiert. Teils tagebuchartige Einträge sind das, Erinnerungen, an Familiäres, an Ausstellungen, an Erinnerungen, daran, wie süß die Dosenmilch schmeckte, „als wir noch jung waren.“ Und 7000 jener Fotos, die Frank Mardaus knipste, seit er zehn Jahre alt wurde, und die er eines handgemachten Papierabzugs für würdig befand. Nicht nur hochästhetische Werke, sondern auch Misslungenes, Verschwommenes, Dunkles. 50 Stück dieser Mikrofiche-Sammlungen hat Mardaus herstellen und mit einer ISBN-Nummer versehen lassen, man kann sie beim Maro-Verlag erwerben. Bis zum Ausstellungsende zum Subskriptionspreis von 8.000, danach für 15.000 Euro.
„Ein sehr selbstbewusstes Statement“
Wer das Werk erwirbt, wird es benutzen wollen, kann in die gar nicht verschwurbelten, in vieler Hinsicht „ganz normalen“ Gedanken- und Assoziationsketten des Künstlerpaares eintauchen, mit ihnen nach Italien und Estland reisen, kann zwischen Vor- und Rückbezügen hin und her switchen und Fotos betrachten, deren Qualität Thomas Elsen nicht genug rühmen kann. Wer die Ausstellung besucht, muss sich allerdings damit abfinden, dass ihr eigentlicher Inhalt „nur für den Dienstgebrauch“ bestimmt ist, dass der Künstler sein Werk nahezu geheim hält und für sich beansprucht, ein gewisser „Foto-Ästhetizismus“ störe ihn – Mardaus‘ Fotos sollen nicht konsumiert, sondern benutzt, und das heißt für den Künstler: in ihrem Zusammenhang und im Zusammenhang seines Lebens gesehen werden. Dass sie auf diese Weise nahezu verschwinden, auf Plastik gebrannt und nur mit Spezialgeräten zu betrachten, nennt Thomas Elsen „ein sehr selbstbewusstes Statement.“
Frank Mardaus: Vertraulich – Nur für den Dienstgebrauch. Noch bis zum 20. Mai in der Neuen Galerie im Höhmannhaus, Maximilianstraße 48, Dienstag 10-20 Uhr, Mittwoch bis Sonntag 10–17 Uhr.
» www.hoehmannhaus-augsburg.de