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Dienstag, 26.11.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Verschenktes Thema

Filmfest: Hans-Christian Schmidts “wundersame Welt der Waschkraft”

Von Frank Heindl

“Dem einen reichen 1500 Zloty, der andere ist mit 5.000 Euro auch nicht zufrieden.” So wie der Geschäftsführer der Firma Fliege kann man das Lohngefälle zwischen Deutschland und Polen auch rechtfertigen. In Hans-Christian Schmids Dokumentarfilm über die polnische Wäscherei, in der Berliner Nobelhotels ihre Wäsche säubern lassen hat, gibt es ein paar Momente, in denen der ganze Wahnsinn des globalisierten Wirtschaftens aufscheint. Doch merkwürdigerweise geht der Film diesen Hinweisen nicht nach, verschenkt geradezu sein Thema.

Polnische Wäscherinnen bei der morgendlichen Arbeitsbesprechung - einige von ihnen begleitet Hans-Christian Schmidts Film in ihrem Alltag

Polnische Wäscherinnen bei der morgendlichen Arbeitsbesprechung - einige von ihnen begleitet Hans-Christian Schmidts Film in ihrem Alltag


Stattdessen zeigt sich Schmid vor allem interessiert am Familienleben einiger Wäscherinnen, das, so überraschend ist das nicht, sich vom Leben hierzulande nur wenig unterscheidet: Auch in Polen hat man hat Wohnungs-, Ehe-, Schulprobleme – man hat sie halt auf einem anderen Gehaltsniveau. Dass diese Firma nach rein betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten, geradezu nach einer Formel aus Zahl der vorhandenen Arbeitskräfte, Energiepreisen, Transportkosten und Lohnniveau, gegründet und geführt wird, wird schnell klar. Der zwangsläufige daraus resultierende Gegensatz zwischen menschlichen und betriebswirtschaftlichen Bedürfnissen scheint manchmal auf, etwa wenn eine Arbeiterin nicht mal zur Hochzeit der eigenen Mutter einen freien Tag bekommt. Schmid macht wenig daraus. Er behauptet, dem Zuschauer ein eigenes Urteil möglich machen zu wollen, macht sich aber nicht die Arbeit, ausreichende Fakten zu liefern. Natürlich sind die Arbeiterinnen froh über ihre Jobs, auch wenn sie schlecht bezahlt werden. Aber mit diesem Argument fängt doch die Diskussion erst an – bei Schmid endet sie hier. Fritz Vogt, beim Filmfest gefeierter Banker aus “Schotter wie Heu” (die DAZ berichtete) saß im Publikum. “Wenn Sie einen solchen Film machen, müssen Sie eine Idee haben!”, rief er dem Filmemacher Schmid zu. Das traf ins Schwarze und charakterisiert, was derzeit vielen Dokumentarfilmern zu fehlen scheint: der Mut zur eigenen Stellungnahme, eine wenigstens ein bisschen konkretere Vorstellung davon, wovon ein derartiger Film handeln, was er bewirken soll.

» DAZ-Interview mit Hans-Christian Schmid

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