Verfemte Literatur in der Unibibliothek präsentiert
Sammlung Salzmann ist ab Sommer der Öffentlichkeit zugänglich
Von Frank Heindl
Mehr als 76 Jahre her ist dieser eine unter vielen unseligen Tagen der deutschen Geschichte: Am 10. Mai 1933 brannten in 22 deutschen Universitätsstädten die Bücher jener Autoren, die von den Nazis als Verfasser von „Schund- und Schmutzliteratur“ verunglimpft, verfolgt, ins Exil getrieben oder ermordet wurden. Am vergangenen Freitag erhielten verfemte Literatur und verfemte Literaten nun auch in Augsburg einen Ort der Erinnerung: An der Universität wurde die Sammlung Salzmann präsentiert, die hier vom kommenden Sommer an auch der Öffentlichkeit zugänglich sein wird.
Der Sammler Georg Salzmann war persönlich gekommen, um bei der Ausstellung der Bücher zugegen zu sein, die er 40 Jahre lang auf eigene Faust und eigene Kosten gesammelt hat. Sie umfasst nahezu 12.000 Bände – viele rare Erstausgaben von im „Dritten Reich“ verpönten Schriftstellern darunter. Von 80 Autoren hat Salzmann das vollständige Werk zusammengetragen, bei manchen, zum Beispiel Stefan Zweig, umfasst die Sammlung 300 Bände – acht Regalmeter Literatur.
Bibliotheks-Chef Ulrich Hohoff freute sich darüber, dass der Umzug weitgehend abgeschlossen sei. In wahrer Kärrnerarbeit wurde die Sammlung lieferwagenweise aus Gräfelfing nach Augsburg geschafft. Im Moment sind zwar noch Sichtung und Ordnung, Restaurierung und Katalogisierung angesagt, aber bereits vom kommenden Sommer an soll ein Gros der Sammlung, ca. 8.000 Bände, der Öffentlichkeit zugänglich sein. Zwei Räume in der Teilbibliothek der Geisteswissenschaften stehen dafür zur Verfügung – in unmittelbarer Nähe zu Germanistik, Geschichte und Politik – den Disziplinen also, die sich mit den „verbrannten“, endlich aber doch geretteten Büchern beschäftigen sollten.
Bayerns Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch zog in seinen einführenden Worten eine Parallele zum Denkmal der Bücherverbrennung am Berliner Bebelplatz: Unter einer Glasplatte sind dort unterirdisch leere, weiße Bücherregale zu sehen. Heubisch zeigte sich entschlossen, „die Lücke nicht zu einer Erinnerungslücke werden zu lassen“ und begrüßte, dass die Sammlung Salzmann nun einen Ort gefunden hat, an dem sie Wissenschaft und Öffentlichkeit zugänglich ist.
Da die Präsentation im Rahmen der Aktionswoche „Deutschland liest“ stattfand, lag es nahe, eine kleine Lesung anzuschließen. Heubisch selbst las aus Erich Kästners Augenzeugenbericht von der Berliner Bücherverbrennung („Begräbniswetter hing über der Stadt. (…) Es war widerlich“), danach aus Oskar Maria Grafs Aufforderung „Verbrennt mich!“ und schließlich aus einem offenen Brief des Schriftstellers und Revolutionärs Ernst Toller an Goebbels. Anschließend las der Augsburger Literaturwissenschaftler Jörg Adam Gedichte der ebenfalls verfemten Else Lasker-Schüler (zehn Gedichte am Stück waren allerdings deutlich zu viel!).
Georg Salzmann: scharfe, vehemente Rezitation
Höhepunkt der Lesung war sicherlich der Vortrag von Georg Salzmann selbst: Der 80jährige las ein Kapitel aus Lion Feuchtwangers Roman „Jud Süß“, jenem Werk, in dem der Autor wortgewaltig und detailliert beschreibt, wie der Jahrhunderte alte Judenhass immer wieder dazu führt, dass Juden für alles Schlechte auf Erden verantwortlich gemacht werden. So auch im rezitierten Kapitel, in dem ein brutaler Hausierer den Mord an dem Mädchen Babette einem jüdischen Konkurrenten in die Schuhe schiebt. Da las einer – scharf, vehement, nicht immer gut akzentuiert, manchmal sogar etwas vernuschelt, aber trotzdem großartig – der sich mit dem Stoff identifizierte, dem daran lag, die Barbarei des Judenhasses noch einmal fühlbar zu machen – in den Worten eines der Autoren, deren Rettung er zu seiner Lebensaufgabe gemacht hat.
» Kommentar: Vergessene Autoren wieder lesen!