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Montag, 22.07.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Unterm Rad

„Es wird alles immer gleich ein wenig anders, wenn man es ausspricht.“

Hermann Hesse

Wer Fan des FCA ist, hat derzeit nicht viel zu lachen. Obwohl die Mannschaft schönen Fußball spielt, verliert sie fast jedes Spiel. Nach dem Desaster gegen Partizan Belgrad gilt das mehr denn je. Betrachten wir also das Spiel ein wenig genauer.

Von Siegfried Zagler

Unverständlich ist es, dass das Spiel nicht ausverkauft war. FCA-Pressesprecher Dominik Schmitz wies darauf hin, dass aufgrund der Umwandlung der Stehplätze in Sitzplätze das Fassungsvermögen des Stadions sich von 30.660 auf 26.160 Zuschauer reduzierte, weshalb sich die Zuschauerzahl von 22.948 Zuschauern relativiert, man also nicht so weit von einem ausverkauften Haus entfernt war wie es den Anschein hatte. Nur 800 Tickets sind in Belgrad verkauft worden, doch auch außerhalb des Partizan-Blocks blieben viele Sitzplätze frei. Man kann es drehen und wenden wie man will: Ein Run auf das erste Heimspiel im Europapokal sieht anders aus. In Augsburg und in der Region wachsen die Bäume nicht in den Fußball-Himmel.

Die Haupttribüne mag zwar komplett für die ganze Bundesligasaison verkauft sein, dass aber an einem warmen Herbstabend bei einem Spiel dieser Kategorie nur ein Drittel der Haupttribüne besetzt ist, ist ein Unding. Hier muss sich der FCA und die Agentur sofort etwas einfallen lassen. Es ist deprimierend, 50 Euro für ein Ticket auf der Gegentribüne zu bezahlen, um dann in eine fast leere Haupttribüne zu starren. Diese Tribüne ist ein Stimmungskiller und wirft ein schlechtes Licht auf den FCA und die gesamte Stadt.

Unabhängig davon, ist festzuhalten, dass das Spiel des FCA gegen Belgrad sehr unterhaltsam war. Es wurde kombiniert, es wurde mit langen Bällen die Flügel gewechselt, die Angriffe wurden sowohl durch die Mitte als auch über die Außen vorgetragen, es ging mit Abschlussdrang nach vorne und es gab 10 Torchancen, fünf davon waren Hochkaräter. Was aber nützt dies alles, wenn am Ende wieder eine Niederlage steht? Von zehn Pflichtspielen gewann der FCA nur eins. Was für die meisten vorherigen Partien galt, galt auch gegen Partizan: Der FCA war in vielerlei Hinsicht besser und verlor dennoch zurecht. Alles nett anzusehen, doch Fußball ist Sport und deshalb zählt am Ende das Ergebnis.

In der 64. Minute wurde ein Partizan-Spieler mit Gelb-Rot in die Kabine geschickt. Wenige Minuten später hatten die Zuschauer diese Aktion vergessen, weil sich dadurch nichts am Spiel veränderte: Hacke, Spitze, Hacke, Kurzpass, Flanke beim FCA und gut organisierte wie schnell vorgetragene Konter bei Belgrad. Jeder Partizan-Spieler ging konsequenter und entschlossener in die Zweikämpfe als die Augsburger. Dass der FCA seine Spiele seit Wochen stets nach dem gleichen Muster verliert, hat nichts mit Pech zu tun.

Wer vorne eine Chance nach der anderen vergibt, in der Mitte inkonsequent in die Zweikämpfe geht und hinten inkonsequent verteidigt und dies von Spiel zu Spiel wiederholt, verliert eben in Serie. Individuell und bezüglich der Mannschaftsleistung gibt es viel zu bemängeln: Baier zeigt wie Altintop viel zu wenig Dynamik und Zweikampfhärte, Ji nimmt bei vielen Angriffen unnötig das Tempo heraus, Max scheint insgesamt als Außenverteidiger eine zu konservative Spielauffassung zu haben, Bobadilla sucht meistens eine zu komplizierte Lösung, Esswein eine zu einfache. Matavz wirkt immer noch wie ein hochbegabter Fremdkörper. Ein aggressiver Defensivleader fehlt hinten wie vorne.

In der Addition sind diese negativen Merkmale verheerend, doch das Schlimmste ist noch nicht aufgezählt: Der FCA kämpft nicht mehr so wie eine Mannschaft dieser Klasse zu kämpfen hat. Marwin Hitz brachte es nach dem Spiel gegen Partizan Belgrad auf den Punkt: „Die gehen mit Krämpfen runter, wir nicht.“ Nicht nur das Mittelfeld ist manchmal nicht gedankenschnell genug und steht zu weit von demjenigen Mann weg, der in den freien Raum geht oder gehen könnte. Das ganze Räderwerk gegen den Ball wirkt verhalten. Es fehlt nicht nur in allen Mannschaftsteilen die Entschlossenheit, sondern auch ein engmaschiges Defensivkonzept.

Wer kann sich noch erinnern, wie es war, als die Augsburger jeden Angriff des Gegners mit aller Macht und großer Härte zu unterbinden suchten, als die Grätsche noch das Haupthandwerkszeug einer Mannschaft war, die in jedes Spiel mit höchster Konzentration ging – und diese auch über 90 Minuten zu halten verstand? Es liegt noch nicht so lange zurück, als man das Augsburger Stadion mit der Anfield Road verglich, so impulsiv war der Fight und so impulsiv ging das Publikum mit. Auch damals verlor man Heimspiele, doch auf andere Weise. Darmstadt und Ingolstadt rocken mit diesem wohltuenden Fußball derzeit erfolgreich die Liga, während der FCA erfolglos auf Klein-Barca macht.

Noch zwei, drei Niederlagen dieser Art und man muss darüber nachdenken, ob Weinzierl die Probleme in ihrer Tragweite nicht erkennt oder ob er nicht in der Lage ist, sie abzustellen. Ein Absturz eines Trainers, der in der Vorsaison noch Erfolge feierte, ist im Profifußball nichts Besonderes. In dieser Saison jedenfalls kann Markus Weinzierl beim FCA beweisen, dass er auch „Krise kann“ und somit die Klasse hat, die man ihm wegen seiner sympathischen Art bisher gern unterstellte.