DAZ - Unabhängige Internetzeitung für Politik und Kultur
Sonntag, 21.07.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

0:0 für Union und FCA

Am vergangenen Samstag trennten sich in der Zweiten Fußballbundesliga der FC Union Berlin und der FC Augsburg mit einem torlosen Unentschieden. Nach der – an Tormöglichkeiten gemessen – relativ ereignisarmen Partie waren sich beide Trainer und die Fachpresse darüber einig, dass das „Spiel keinen Sieger verdient hatte“.

Von Siegfried Zagler

Vermutlich sah das Schiedsrichter Marco Fritz ähnlich, da er nach exakt 90 Minuten, ohne eine einzige Sekunde Nachspielzeit verstreichen zu lassen, das Mittelfeldgezänk vor 15.328 Zuschauern im Stadion An der Alten Försterei beendete. Augsburgs Ex-Torjäger Michael Thurk hatte wenige Minuten später für die ARD-Sportschau die passende Erklärung parat: „Es war nicht möglich Fußball zu spielen, dann lässt man es besser“. Thurks „nicht möglicher Fußball“ bezog sich auf den katastrophalen Zustand des Köpenicker „Grüns“. Der Platzzustand war allerdings nicht weniger defizitär als der Kreativitätsanteil beider Mannschaften. Ein Spiel nach vorne fand in der ersten Halbzeit nicht statt. Das gilt in erster Linie für die Heimmannschaft, die nicht ein einziges Mal in der Lage war, die Defensive der Augsburger in Bedrängnis zu bringen. Die „Eisernen“, die zuletzt auswärts erfolgreicher agierten als in der ehemals gefürchteten Alten Försterei, verlegten sich beinahe wie in einem Auswärtsspiel aufs Kontern und überließen dem FCA das Mittelfeld, was in der ersten Halbzeit zu einer Art Schattenboxen führte, da der FCA ebenfalls aus der Defensive heraus operierte. Mit Antifußball ohne Sturm und Drang (und vor allem: ohne Spielwitz) war in der zweiten Halbzeit Schluss – zumindest phasenweise. Wie so oft nahm der FCA erst nach der Halbzeit Fahrt auf und setzte die Berliner in deren Hälfte fest. Ein nachhaltiges Druckspiel sollte den Augsburgern allerdings nicht gelingen, dennoch hätten 15 starke Minuten des FCA ums Haar gereicht, hätte Thurk in der 67.Minute seine Großchance genutzt, aber Michael „Fugger-Inzaghi“ Thurk vergab überhastet, also kläglich. Überhastet auch deshalb, weil Thurk mit einem Auge den herausstürzenden Union-Keeper kommen sah und – um frühzeitig abheben zu können – sich jenen Sekundenbruchteil raubte, der nötig gewesen wäre, um das Spielgerät angemessen behandeln zu können, also ins Netz zu schlenzen.

Von einem Torerfolg soweit entfernt wie Doris Day von einer Rolle als femme fatale

Als Thurk in der 87. Minute plötzlich frei vor Union-Keeper Höttecke auftauchte, vertändelte der Goalgetter vergangener Tage den zweiten Augenblick der Wahrheit und dribbelte sich ins Off. Dieser Ball kurz vor Abpfiff war jedoch wesentlich schwerer zu verwerten als die erste große Tormöglichkeit der Augsburger.

Die Phrase, dass ein Fußballspiel „keinen Sieger verdient hat“, wird von Sportkommentatoren und Fußballlehrern gerne gebraucht, um herauszustellen, dass es sich um ein großartiges Spiel gehandelt habe, an dessen Großartigkeit beide Teams einen gleich hohen Anteil investierten, weshalb es ungerecht gewesen wäre, wenn eine der beiden großartigen Mannschaften verloren hätte. Anders herum funktioniert das natürlich auch. Wenn sich also am Samstag in der Alten Försterei (welch ein wunderbarer Name für ein Fußballstadion!) ein grottenschlechtes Fußballspiel ereignet haben sollte, an dessen Mangelhaftigkeit neben dem schwer bespielbaren Platz beide Mannschaften gleich hohen Anteil hatten, sodass keine von beiden Mannschaften den „Sieg verdient gehabt hätte“, dann muss man feststellen, dass diese Metapher der Gerechtigkeit für dieses Spiel nicht nur über alle Maßen überstrapaziert wurde, sondern schlicht nicht zutreffend ist. – Der FCA war die bessere Mannschaft, und zwar in allen Mannschaftsteilen, hatte im Gegensatz zu den Berlinern Torchancen und war dem Führungstreffer optional stets näher als die „Eisernen“, die am Samstag von einem Torerfolg in etwa so weit entfernt waren wie Doris Day zeitlebens von einer Filmrolle als femme fatale.

Die Fans zeigten sich am Wochenende reif für die Erste Liga

Michael Thurk: "den Inzaghi gegeben"

Michael Thurk: "den Inzaghi gegeben"


Hätte Thurk in der 67. Minute nicht „den Inzaghi gegeben“, sondern im Stile eines Torjägers gehandelt, wäre das mögliche 1:0 Endresultat mit der ebenfalls inflationär verwendeten Phrase „verdienter Sieg “ beziehungsweise „hochverdienter Sieg“ umschrieben worden. So aber plapperten der Kicker, die Augsburger Allgemeine, die Augsburger Sonntagspresse und natürlich die FCA-Homepage den beiden Trainern Uwe Neuhaus und Jos Luhukay nach.

„Wir können mit diesem Punkt leben, weil das Spiel keinen Sieger verdient hatte”, so Neuhaus, dem Luhukay höflich beipflichtete: „Es war ein gerechtes Remis. Wir haben in der Defensive sehr wenig zugelassen, konnten uns selbst aber auch nicht entscheidend durchsetzen”. Apropos Luhukay: Die Einwechslung von Sinkiewicz für den unverletzten Brinkmann nach 30 Minuten hatte offensichtlich keine Wirkung und ist natürlich deshalb mit der Frage verbunden, was diesen frühen Wechsel verursacht haben könnte und was der Trainer damit bezwecken wollte. Diese Angelegenheit ist eine Geschichte der Partie, die dem Publikum noch erklärt werden muss. Eine andere Geschichte der Partie heißt „Augsburg Calling“.

Dieser Teil der Partie ist vielleicht der bemerkenswerteste, und zwar deshalb, weil der „seinschgesteuerte“ Augsburger Fußballklub in seiner jungen Profifußballgeschichte eine von den Fans geprägte Profilbildung beinahe genauso nötig hat wie sportliche Erfolge. 800 FCA- Anhänger am Samstagnachmittag in der Alten Försterei und die Fanfreundschaft mit den „Eisernen“ sind wichtige Meilensteine in der Herausbildung einer authentischen Fußballkultur, die sich weder mit Geld noch mit Marketing generieren lässt. Ob sich die Millionen, die Walter Seinsch in den FCA geblasen hat, auf Dauer als wertvolle Investition erweisen werden, hängt neben den sportlichen Erfolgen in erster Linie davon ab, wie sich der Club samt seinen Fans in der „Fremde“ präsentiert. Die Augsburger und die Union Fans zeigten sich am Wochenende erstligareif. Davon waren die meisten Spieler auf dem Platz ein gutes Stück entfernt.

FCA: S. Jentzsch, – P. Verhaegh, G. Sankoh, U. Möhrle, M. De Jong, – M. Ndjeng, D. Brinkmann, J. Callsen–Bracker, A. Bellinghausen, – M. Thurk, T. Oehrl.

Eingewechselt: L. Sinkiewicz (31.); D. Baier (61.); S. Hain (88.).

Ausgewechselt: D. Brinkmann (31.); M. Ndjeng (61.); M. Thurk (88.).

Auswechselbank: H. Hosogai; T. Werner; S. Bertram; M. Amsif.