0:0 für Union und FCA
Am vergangenen Samstag trennten sich in der Zweiten Fußballbundesliga der FC Union Berlin und der FC Augsburg mit einem torlosen Unentschieden. Nach der – an Tormöglichkeiten gemessen – relativ ereignisarmen Partie waren sich beide Trainer und die Fachpresse darüber einig, dass das „Spiel keinen Sieger verdient hatte“.
Von Siegfried Zagler

Von einem Torerfolg soweit entfernt wie Doris Day von einer Rolle als femme fatale
Als Thurk in der 87. Minute plötzlich frei vor Union-Keeper Höttecke auftauchte, vertändelte der Goalgetter vergangener Tage den zweiten Augenblick der Wahrheit und dribbelte sich ins Off. Dieser Ball kurz vor Abpfiff war jedoch wesentlich schwerer zu verwerten als die erste große Tormöglichkeit der Augsburger.
Die Phrase, dass ein Fußballspiel „keinen Sieger verdient hat“, wird von Sportkommentatoren und Fußballlehrern gerne gebraucht, um herauszustellen, dass es sich um ein großartiges Spiel gehandelt habe, an dessen Großartigkeit beide Teams einen gleich hohen Anteil investierten, weshalb es ungerecht gewesen wäre, wenn eine der beiden großartigen Mannschaften verloren hätte. Anders herum funktioniert das natürlich auch. Wenn sich also am Samstag in der Alten Försterei (welch ein wunderbarer Name für ein Fußballstadion!) ein grottenschlechtes Fußballspiel ereignet haben sollte, an dessen Mangelhaftigkeit neben dem schwer bespielbaren Platz beide Mannschaften gleich hohen Anteil hatten, sodass keine von beiden Mannschaften den „Sieg verdient gehabt hätte“, dann muss man feststellen, dass diese Metapher der Gerechtigkeit für dieses Spiel nicht nur über alle Maßen überstrapaziert wurde, sondern schlicht nicht zutreffend ist. – Der FCA war die bessere Mannschaft, und zwar in allen Mannschaftsteilen, hatte im Gegensatz zu den Berlinern Torchancen und war dem Führungstreffer optional stets näher als die „Eisernen“, die am Samstag von einem Torerfolg in etwa so weit entfernt waren wie Doris Day zeitlebens von einer Filmrolle als femme fatale.
Die Fans zeigten sich am Wochenende reif für die Erste Liga
Hätte Thurk in der 67. Minute nicht „den Inzaghi gegeben“, sondern im Stile eines Torjägers gehandelt, wäre das mögliche 1:0 Endresultat mit der ebenfalls inflationär verwendeten Phrase „verdienter Sieg “ beziehungsweise „hochverdienter Sieg“ umschrieben worden. So aber plapperten der Kicker, die Augsburger Allgemeine, die Augsburger Sonntagspresse und natürlich die FCA-Homepage den beiden Trainern Uwe Neuhaus und Jos Luhukay nach.
„Wir können mit diesem Punkt leben, weil das Spiel keinen Sieger verdient hatte“, so Neuhaus, dem Luhukay höflich beipflichtete: „Es war ein gerechtes Remis. Wir haben in der Defensive sehr wenig zugelassen, konnten uns selbst aber auch nicht entscheidend durchsetzen“. Apropos Luhukay: Die Einwechslung von Sinkiewicz für den unverletzten Brinkmann nach 30 Minuten hatte offensichtlich keine Wirkung und ist natürlich deshalb mit der Frage verbunden, was diesen frühen Wechsel verursacht haben könnte und was der Trainer damit bezwecken wollte. Diese Angelegenheit ist eine Geschichte der Partie, die dem Publikum noch erklärt werden muss. Eine andere Geschichte der Partie heißt „Augsburg Calling“.
Dieser Teil der Partie ist vielleicht der bemerkenswerteste, und zwar deshalb, weil der „seinschgesteuerte“ Augsburger Fußballklub in seiner jungen Profifußballgeschichte eine von den Fans geprägte Profilbildung beinahe genauso nötig hat wie sportliche Erfolge. 800 FCA- Anhänger am Samstagnachmittag in der Alten Försterei und die Fanfreundschaft mit den „Eisernen“ sind wichtige Meilensteine in der Herausbildung einer authentischen Fußballkultur, die sich weder mit Geld noch mit Marketing generieren lässt. Ob sich die Millionen, die Walter Seinsch in den FCA geblasen hat, auf Dauer als wertvolle Investition erweisen werden, hängt neben den sportlichen Erfolgen in erster Linie davon ab, wie sich der Club samt seinen Fans in der „Fremde“ präsentiert. Die Augsburger und die Union Fans zeigten sich am Wochenende erstligareif. Davon waren die meisten Spieler auf dem Platz ein gutes Stück entfernt.
FCA: S. Jentzsch, – P. Verhaegh, G. Sankoh, U. Möhrle, M. De Jong, – M. Ndjeng, D. Brinkmann, J. Callsen–Bracker, A. Bellinghausen, – M. Thurk, T. Oehrl.
Eingewechselt: L. Sinkiewicz (31.); D. Baier (61.); S. Hain (88.).
Ausgewechselt: D. Brinkmann (31.); M. Ndjeng (61.); M. Thurk (88.).
Auswechselbank: H. Hosogai; T. Werner; S. Bertram; M. Amsif.
