Ungrantig-alpenländische Wirsch-Musik
„Fei scho“ machten in der Mühle gute Laune
Von Frank Heindl
Nach diesem Konzert sind wenigstens die wichtigsten Fragen endlich mal geklärt. Was, zum Beispiel, bedeutet der Titel des Programms? Das ist schnell klargestellt: „Ungrantig“ ist gleichbedeutend mit „wirsch“, meint also das Gegenteil von „unwirsch“. Alles klar? Dann kommen wir zum nächsten Punkt: Was um Himmels willen ist „Alpenländische Weltmusik zwischen Landler und Funk“?
„Fei scho“ bemühten sich am Mittwochabend in der Mühle – im Rahmen des „Festival der 1000 Töne“ – intensiv darum, dieses Problem zu klären. Sie benutzten dafür ein ziemlich großes Arsenal von Instrumenten, von Trommeln über Horn, Kontrabass, Querflöte, Geige und Gitarre bis zu Bandoneon und Drehleier. Einen ersten Hinweis auf das Konzept der fünf Musiker könnte der angepeilte „Sommerhit 2011“ geben: Hier machen „Holadiri-diridlho“ und oberbayrischer Dialekt den Anteil des Alpenländischen aus, das Übrige ist südamerikanisch inspirierte Gute-Laune-Musik. Hitverdächtig zwar, aber schon seit 2005, der Durchbruch wird seither Jahr um Jahr verschoben. Beim Schneewalzer wird’s schon schwieriger, weil der, dem Klimawandel sei’s geklagt, vom Aussterben bedroht ist und deshalb zum „Kein-Schnee-mehr-Walzer“ mit hohem Mollanteil mutiert – einen „Schmollzer“ nennt man so etwas dann, der von abrupten Dur-Moll-Wechseln, heftigen Tempoveränderungen und gewaltigen, wenn auch ironisch gebrochenen Gefühlswallungen geprägt ist.
Ein anderes Stück heißt „Edelknab“, geht der Frage nach, ob das „Dirndl“ einen „Edelknaben“ oder lieber eine „Knedl haben“ will und liefert neben jeder Menge Sprachwitz eine geballte Ladung von musikalischen Einfällen, die bei anderen Bands für das halbe Abendprogramm reichen würden. Der knackig-jazzige Satzgesang beispielsweise, die kernigen Bläsersätze – vorgetragen von zwei Blockflöten–, dazu funkiger Sprechgesang und schließlich ein Drehleiersolo, das jeden E-Gitarristen arm aussehen lässt.
„Schweißtreibende“ Bläsersätze auf Blockflöten
Gewöhnlich ist bei Funk die Wertung „schweißtreibend“ nicht weit – doch hier macht sich, trotz alles musikalischen Dampfes, dann doch wieder das alpenländische Temperament bemerkbar: Bei „Fei scho“ geht’s auf der Bühne sehr gemächlich zu – man geht zwischendurch „zum Bisln“, man erklärt die Drehleier in allen Einzelheiten, man spürt in aufwändigen Diskursen der Herkunft des Namens „Fei scho“ nach. Hier sei nur so viel aus dem ambitionierten Vortrag referiert: Den Ursprung von „fei“ vermuten Sprachwissenschaftler im lateinischen „finis“, zu Deutsch „Ende“, im neudeutschen Sprachgebrauch in dem Wort „endsgeil“ wiederzufinden.
Man kann unmöglich all das Verblüffende, Bayrische, Unbayrische, Witzige und Einfallsreiche wiedergeben, was auf der Bühne der Kresslesmühle für viel gute Laune und heftigen Musikgenuss sorgte – man müsste dann auch noch über einen Tango sprechen, der ins krawallig Rohe, ins clusterhaft Atonale und dann auch noch ins Hardrockige abdriftete – Astor Piazzolla hätte möglicherweise seine Freude dran gehabt. Man müsste erklären, dass ein „Swinglandler“ sich wie Zigeunerjazz anhört, mit Schrummgitarre, walking bass und Grapelli-Geige. Man müsste unbedingt noch das wunderbare Stimmungsbild von „Oben aufm Berg“ erwähnen, auf das der von Goysern durchaus neidisch sein könnte. Und man müsste vom Drummer sprechen, der zwischendurch, einfach aus Spaß und ohne akustische Folgen, auf seinen an einer Säule aufgehängten Hut haut.
Und am Ende wäre dann möglicherweise klar, möglicherweise aber auch nicht, was „alpenländische Volksmusik“ nun bedeutet. Vielleicht einfach, dass mit bayerischem Dialekt, viel Intelligenz und viel Musiksinn vieles verwurschtet wird, was enorm Spaß macht und sich hinreißend gut anhört. Sogar ihre Webadresse haben die Fünf in ein prächtiges Stück zum Mitsingen hineinkomponiert: www.fei-scho.de. Dort, aber auch beispielsweise bei Amazon kann man die „Ungrantig“-CD bestellen. Nach kurzem Reinhören muss der Kritiker sagen: Man kann nicht nur, man sollte sogar. Denn die macht wirklich unbandig „wirsch“. Fei scho!