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Dienstag, 23.07.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Tragödie auf städtischem Spielplatz: Vernachlässigt die Stadt ihre Pflichtaufgaben?

Ziemlich genau einen Monat liegt es zurück, als an einem sonnigen Samstagvormittag bei Windstille auf dem städtischen Spielplatz in Oberhausen/Dieselstraße ein Baum umfiel und ein Kind erschlug, das noch keine zwei Jahre alt war. Die Mutter des Kindes erlitt schwere Verletzungen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt seitdem gegen die Stadt Augsburg unter dem Anfangsverdacht der “fahrlässigen Tötung”.

Von Siegfried Zagler

Ort des Geschehens – Foto: DAZ

Dabei geht darum, ob eine oder mehrere Personen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden müssen. Mithilfe eines Baumgutachtens soll festgestellt werden, ob das Geschehene vermeidbar gewesen wäre. Sollte dies der Fall sein, müsste eine Pflichtverletzung im Sinne eines Regelwerks feststellbar sein. Ob eine Person oder mehrere Personen im strafrechtlichen Sinn Schuld hat/haben, müsste dann ein Gericht klären. Sollte ein Organisationsverschulden festgestellt werden, würde der Fall hart in der Politik aufschlagen – und dort eine Debatte bezüglich Verantwortung und Konsequenzen auslösen.

Das Regelwerk, die Regeln für Sicherheitskontrollen bei Bäumen leitet sich bei Kommunen offenbar aus den Dienstanweisungen der Grünämter ab. Im Stadtgebiet Augsburg soll laut Dienstanweisung jeder Baum einmal pro Jahr sicherheitstechnisch überprüft werden, während in den Landkreisen Bäume wohl zweimal im Jahr überprüft werden, wie eine Blitz-Recherche der DAZ ergab. Auch im Regelwerk für die Ausbildung zum zertifizierten Baumkontrolleur heißt es: “Die Regelkontrolle wird als Sichtkontrolle grundsätzlich zweimal pro Jahr durchgeführt – einmal im belaubten, einmal im unbelaubten Zustand. Im Rahmen dieser Kontrolle muss der Baumkontrolleur die Gesundheit und Standsicherheit der Bäume überprüfen.” Die Stadt Augsburg kontrolliert gemäß der Baumkontrollrichtlinie der “Forschungsgesellschaft für Landschaftsentwicklung und Landschaftsbau”.

Noch im Juni 2020 lehnte der Augsburger Stadtrat zusätzliche Stellen für Baumkontrolleure ab. Umweltreferent Reiner Erben fügte sich lautlos der Verwaltungsansage: Sparen wegen Corona. Unabhängig davon sieht Erben die Stadt in Sachen Baumkontrollen gut aufgestellt. Im Bereich der Grünpflege seien seit 2017 26 neue Stellen geschaffen worden. Allein für das Grünamt seien zwölf Baumkontrolleure unterwegs.

Stadtrat Roland Wegner (V-Partei) forderte im vergangenen Stadtrat die Verwaltung auf, dem Stadtrat die städtische Dienstanweisung in dieser Angelegenheit offenzulegen, was ihm mit Verweis auf das Ermittlungsverfahren verweigert wurde. Wegner sieht die Stadt auf einem verhängnisvollen Weg: “Die Stadt spart an ihren Pflichtaufgaben und gibt zu viel Geld für freiwillige Leistungen aus.”