Tosca in der Schwabenhalle
Die erste Opernpremiere der neuen Spielzeit lässt ahnen, womit das Augsburger Theaterpublikum in den nächsten Jahren zurechtkommen muss
Von Halrun Reinholz
Es ist sicher ein Glücksfall, dass der Regisseur der ersten Operninszenierung der neuen Spielzeit auch Bühnenbildner ist. „Tosca“ war noch für das Große Haus vorgesehen, jetzt wird sie in der Schwabenhalle gespielt. Da musste improvisiert werden. Nigel Lowery ist es tatsächlich weitgehend gelungen, die kaum vorhandene Bühnentechnik medial zu kompensieren – Lichteffekte und Videoeinspielungen schufen die Atmosphäre für das dramatische Geschehen der Puccini-Oper. Ganz Brite sorgte Lowery auch für eine ironische Pointe: Statt der Engelsburg wählte er die Silhouette des Augsburger Stadttheaters für den Todessprung der Floria Tosca. Freilich musste es wegen des Umbaus ohne die gewohnte Bühnentechnik zwei Pausen geben und auch das Ambiente im Foyer ist nicht, was man im Großen Haus gewohnt war. Aber es gibt Oper und da wird man jetzt noch über längere Zeit Einschränkungen in Kauf nehmen müssen.
Auf der Bühne meist alte Bekannte: Sally du Randt, wie gewohnt brilliant in der Titelrolle, hängt ihren Partner Ji-Woon Kim (Cavaradossi) etwas ab. Werner von Mechelen singt als Gast die Partie des Scarpia mit überzeugendem Wohlklang. Die Inszenierung besticht durch unaufdringliche Leichtigkeit, die Kostüme sind zeitlos und dennoch auch historisch gehalten. Gewöhnungsbedürftig, dass das Orchester direkt und sichtbar vor der Rampe steht und die Sänger es regelrecht „übertönen“ müssen. Domonkos Héja sorgte dennoch für Balance. Ob die Podeste im Vordergrund, auf die die Sänger sich bei längeren Arien stellten, der Akustik geschuldet waren, erschloss sich nicht. Als Regieeinfall wirkten sie albern und behinderten eine natürliche Personenführung. Auch sonst gab es diesbezüglich Defizite, der Hirte (Vincent Löffel von den Domsingknaben) musste ganz im Hintergrund der Bühne singen, dadurch wurde das geringere Stimmvolumen im Vergleich zu den professionellen Sängern allzu deutlich. Deutlich war die fehlende Bühnentechnik zu merken, auch dem Laien musste bewusst werden, wie wichtig diese Standards für die Aufführung von Opernwerken sind, die sich vom Niveau eines Tourneetheaters abheben müssen.
Insgesamt eine über alle Erwartungen gelungene Tosca, trotz aller Widrigkeiten. Das Premierenpublikum honorierte die Leistung der Darsteller, der Regie und auch ganz explizit des Orchesters mit anhaltendem Applaus. Vielleicht auch erleichtert, dass erst zwei Tage davor das Bürgerbegehren gegen die Theatersanierung für gescheitert erklärt wurde. Die Gespräche im Pausenfoyer drehten sich immer wieder um das Thema, zumal auch der Oberbürgermeister zur Premiere erschienen war. Ein altbekannter Akteur stand aber auch wieder vor dem Eingang zur Schwabenhalle: der von den meisten Passanten freundlich ignorierte Schildermann, der auf seinem Schild bereits ein weiteres Bürgerbegehren ankündigte. Es ist noch ein langer Weg bis zum sanierten Theater, aber das Interim zeigt sich trotz des kurzen Vorlaufs erst einmal von seiner besten Seite.
Foto: Werner von Mechelen am Boden als Scarpia; Sally du Randt als Tosca: „E avanti lui tremava tutta Roma“ – „Und vor ihm zitterte ganz Rom“) ——- (Foto von A.T. Schaefer).