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Dienstag, 19.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Toccaten und Tänze: Sinfoniekonzert mit slawischem Akzent

Unter der Leitung von Lancelot Fuhry und mit dem Solopianisten Severin von Eckardstein richteten die Philharmoniker im ersten Konzert des neuen Jahres ihren Blick in den slawischen  Osten

Von Halrun Reinholz

Lancelot Fuhry (c) Theater Augsburg

Etwas irreführend die Überschrift des Konzertabends: Toccaten und Tänze. Das ließe eher auf ein barockes Programm schließen, doch davon konnte beim ersten Konzertabend des neuen Jahres keine Rede sein. Namen wie Prokofjew und Dvorak  weisen eher auf Spätromantik bis Moderne, vor allem aber auf das östliche (slawische) Europa. Als Einführung kam jedoch ein eher unbekanntes Werk, die „Studie für Streichorchester“ von Pavel Haas. Auch dessen Vorname mutet nicht zufällig slawisch an. Das Orchesterwerk hat er im KZ Theresienstadt  geschrieben, wohin der tschechische Jude zusammen mit etlichen anderen Künstlern 1941 deportiert wurde. Nicht von ungefähr, denn in  diesem Vorzeige-KZ wurde  ein Kulturleben (Theateraufführungen, Konzerte usw.) von den Nazis zunächst geduldet und sogar gefördert. Schließlich entstand daraus ein Propagandafilm, der das „jüdische Siedlungsgebiet“ für die deutsche Bevölkerung als Idylle mit Kulturfreiheit inszenierte.  Die meisten der Künstler, auch Pavel Haas, kamen später nach Auschwitz und wurden dort getötet. Der Dirigent der Uraufführung, Karl Ancerl, war einer der wenigen KZ-Überlebenden. Er sorgte nach Kriegsende dafür, dass die „Studie für Streichorchester“ und andere Werke von Pavel Haas wieder rekonstruiert und aufgeführt werden konnten. Es ist unter den Umständen der Entstehung nicht verwunderlich, dass das Werk heimatliche (Volksmusik-)Töne mit Melancholie, aber auch dem Naturell des Komponisten entsprechenden Zukunftsoptimismus anklingen lässt.

Severin von Eckardstein (c) Irène Zandel

Für das dritte Violinkonzert von Sergei Prokofjew hatten die Augsburger Philharmoniker den Solopianisten Severin von Eckardstein eingeladen. Der Echo Klassik-Preisträger 2003 zählt zu den bedeutendsten Pianisten der jüngeren Generation (geboren 1978). Das russische Repertoire ist ihm nicht fremd, was er dem Augsburger Publikum eindrucksvoll bewies. Unaufgeregte Leichtigkeit gipfelten im Einklang  mit dem Orchester in einem temperamentvollen  Finale. Als Zugabe spielte der Pianist noch ein Stück aus Prokofjews Klaviersuite Romeo und Julia.

Im zweiten Teil des Konzerts widmete sich Lancelot Fuhry den böhmischen Klängen aus Dvoraks Sinfonie Nr. 6. Heiterkeit und Frohsinn versprühen die Werke dieser „slawischen Periode“ des Komponisten – wie die böhmischen Volks- und Tanzmelodien, die er dafür verwendet. Dies war wohl in der Zeit der aufkommenden nationalen Strömungen in der Donaumonarchie nicht immer unproblematisch, denn die in Wien mit den Wiener Philharmonikern geplante Uraufführung  wurde mit fadenscheinigen Begründungen verschoben und konnte erst im kommenden Jahr in Prag stattfinden. Rücksicht auf „antitschechische Tendenzen“ wird heute vermutet. Politisch korrekter Zeitgeist ist nichts Neues. Mit diesem Konzert trat der erste Kapellmeister Lancelot Fuhry zum neuen Jahr nach längerer Zeit wieder vor das Augsburger Konzertpublikum. Als „Platzhalter“ und Interims-Intendant in der Zeit der Intendantensuche hat er sich bei den Zuschauern mit seiner zurückhaltenden Art angenehm eingeprägt. Entsprechend herzlich und anhaltend war der Schlussapplaus für ihn.