Hallerluja: Weisweilers Wiedergeburt
Der Erfolg der Augsburger sorgt bundesweit für große Presse. Die Rede ist natürlich nicht von den Kanuten oder von den von tausend Stäben betäubten Panthern, sondern vom FC Augsburg, der zum Jahresende von großen Zeitungen groß “erklärt” wird. Der FCA ist in Augsburg das bemerkenswerteste Ereignis des vergangenen Jahres. Dabei ist das Geheimnis des Erfolges an der Aufstellung abzulesen: Der FCA ist so stark, weil er starke Spieler hat. Dies wiederum hat er dem Shootingstar der Liga zu verdanken: Markus Weinzierl. Die beiden Fotos von Meisterfotograf Siegfried Kerpf bilden die beiden Kernkompetenzen Weinzierls ab: Leidenschaft und analytische Nachdenklichkeit.
Von Siegfried Zagler
Der FCA überwintert auf einem Europa-League-Platz und befindet sich nur ein Pünktchen entfernt vom dritten Platz, der direkt für die Champions League qualifizieren würde! Der FCA befindet sich bereits im vierten Jahr in der Bundesliga und bringt nun mit seinem Kader etwas mit, das allen so genannten echten Aufsteigern neben dem schnöden Mammon fehlt: Erfahrung. Die Augsburger gewannen in der zurückliegenden Hinrunde neun Spiele und verloren acht. Von den neun gewonnen Spielen wäre in den meisten Paarungen jedes andere Ergebnis ebenfalls vollkommen in Ordnung gegangen. Die Siege gegen Frankfurt, Bremen, Berlin, Köln, Hamburg, Stuttgart und nun auch gegen Gladbach waren zwar verdient, aber nicht zwangsläufig. Jedes andere Ergebnis hätte den Spielverlauf dieser Paarungen nicht “auf den Kopf gestellt”, wie man so schön sagt. Das Gleiche gilt natürlich auch für die FCA-Niederlagen in Gelsenkirchen und in Wolfsburg.
Niemand aber könnte sich in Augsburg beschweren, wenn der FCA gegen Berlin, gegen Köln und gegen Frankfurt Unentschieden gespielt hätte. In diesem Fall stünde der FCA mit 19 Punkten zusammen mit neun anderen Vereinen im Einzugsbereich des Abstiegsgespenstes und niemand würde sich zum Jahreswechsel die Mühe machen, den FCA verstehen zu wollen. Glück ist ein Faktor, der sich nur bemühen lässt, wenn von zwei gleich starken Gegnern der glücklichere gewinnt. In einigen Partien hatte der FCA Glück, in einigen nicht. Der Erfolg des FCA hat also wenig mit Glück zu tun. Womit dann? Mit dem Trainer!
Es war ein großes Risiko, das der FCA mit der Verpflichtung von Markus Weinzierl einging. Und das Bundesliga-Experiment mit einem jungen Trainer aus der dritten Liga schien auch zu scheitern. Weinzierl schien zu “fremdeln”, schien beeindruckt von der großen Bühne und machte Fehler, wirkte auf der Bank ratlos und schien mit einem schwierigen Kader überfordert. Dann kam Stefan Reuter als Sport-Manager zum FCA und Weinzierl kam innerhalb weniger Wochen aus der Tiefe des Raumes in der Bundesliga an. Er verstand es, Spieler wie Baier, Werner, Callsen-Bracker, Verhaegh, Ostrzolek, Hahn, Vogt, Klavan, Altintop (!) und nicht zuletzt Kohr, Djurdjic und Bobadilla weiter zu entwickeln. Als wäre Hennes Weisweiler mit Weinzierl in Augsburg reinkarniert. Hahn, Vogt und Ostrzolek sind nicht mehr beim FCA. Der Rest bildet das Gerüst der Augsburger und mit Baba wurde ein junges Supertalent verpflichtet, das Ostrzoleks Abgang auf der linken Verteidigerposition vergessen macht.
Wie dünn jedoch das Eis ist, auf dem der FCA in der Liga wandelt, lässt sich mit folgender Überlegung messen: Die wichtigsten Spieler Altintop, Klavan, Baier, Verhaegh und Baba absolvierten alle 17 Spiele der Hinrunde. Der Spitzenverteidiger Callsen-Bracker bestritt 15 Spiele und die beiden kaum ersetzbaren Spieler Werner 14 Spiele und Bobadilla 15 Spiele. Würde den FCA eine kleine Verletzungsserie heimsuchen, wäre das für die Augsburger tödlich. Man muss sich nur die Spieler Klavan, Baier und Altintop wegdenken und schon fällt der Vorhang.
Bisher wurde der FCA von größeren Verletzungsmiseren verschont und mit einem kompletten Kader könnte der FCA heuer weit kommen. Es ist also zu konstatieren, dass man in Augsburg noch nie so guten Fußball gespielt hat, wie das in dieser Hinrunde der Fall war. Es gibt einige statistische Werte, die das plausibilisieren: Der FCA gewann 54,8 Prozent der Defensiv-Zweikämpfe – Ligaspitze! Die Augsburger gaben 37 Kontertorschüsse ab, ebenfalls Ligaspitze! Dass man um den zu Beginn gesetzten Sascha Mölders stets herum spielen musste, lässt dieser Wert erkennen: Augsburg ist die Mannschaft mit den wenigsten Torschüssen durch Stürmer, nur 39 Mal zielten die Angreifer in Richtung Tor. In dieses Bild passt auch die Schrulle, dass der Rekordtorschütze des FCA ein Verteidiger ist: Paul Verhaegh mit fünf verwandelten Elfmetern.
Für die Profis des FC Augsburg beginnt mit dem offiziellen Trainingsstart am 6. Januar die Vorbereitung auf die Rückrunde. Wie vor zwei Jahren reist Trainer Weinzierl mit seinem Team ins Trainingslager nach Belek – Abflug ist am 11. Januar, Rückkehr am 19. Januar. Anschließend verbleiben noch fast zwei Wochen bis zum Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim und dann geht es nach Dortmund. Gegen beide Mannschaften verlor der FCA in der Hinrunde. Die Rückrunde ist ein Neustart: Vorhang auf, alle Fragen offen.