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Donnerstag, 27.11.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Gastbeitrag

Terra A: Stellungnahme zugunsten der Karmeliten­gasse in der Standort­frage Römisches Museum

Von Dr. Ernst L. Schlee

Nachdem man vernehmen konnte, dass die Karmeliten­gasse als Standort für ein neues Römisches Museum Aussicht auf Erfolg hat, erlaubt sich der Verfasser dieser Zeilen, seinen Zuspruch zu einer solchen Wahl zu äußern, deckt sie sich doch mit dem Vorschlag, den er bereits im Dezember 2014, zwei Jahre nach Schließung der Domini­kaner­kirche und nach Bekannt­werden der frei­staat­lichen Absicht der Räumung des Gefäng­nisses mit ausführ­licher Begründung in den Postkasten der Stadt­verwaltung warf.

Römisches Museum, Entwurfs­variante aus der Mach­bar­keits­studie

Die Argumente teilen sich in zwei Komplexe auf, von denen der erste (Teil I) aus allge­meineren Über­legungen (vornehmlich zur Typik von musealen Institu­tionen mit römischen Exponaten in Süd­deutsch­land) besteht, während der zweite (II) mehr den histori­schen Boden des Augsburger Dom­viertels betrifft und dabei mit einem Vorschlag zu einer weiter­führenden Institution aufwartet, die ihren Sinn erst dann ganz entfalten kann, wenn sie ein in der Karmeliten­gasse befind­liches Römisches Museum bereits im Rücken hat und infolge­dessen als Zukunfts­musik für fernere Zeiten gedacht ist, in denen bei der Stadt die Kassenlage besser ausschaut als heute.

I.

Bekanntlich war das römische Augsburg eine Provinz­haupt­stadt und teilte diesen Status, sofern man dabei nur das heutige Deutschland berück­sichtigt, allein mit den links­rheinischen Städten Trier, Mainz und Köln. Von solchem Rang her sollte man erwarten, dass ein zukünf­tiges Römisches Museum in Augsburg Mittei­lungen von derartiger Wichtig­keit nicht nur irgend­welchen Publi­kationen anvertraut – wie dies noch während der Ära Domini­kaner­kirche üblich war −, sondern, wie manches andere, dem Besucher mittels einer guten Karte eingängig macht. Jedem Neuling in Sachen ‚Römer‘ wird auf diesem Wege zugleich ver­deutlicht, wo überhaupt – jedenfalls auf längere Dauer! – die Römer in Germanien Fuß fassten (nur links­rheinisch, signalisiert durch die schon genannten Stadt­namen Trier, Mainz und Köln, sowie südlich der Donau, wofür haupt­sächlich der Name Augsburg einsteht) – und wo  n i c h t (= in dem weiten, soge­nannten freien Germanien rechts des Rheins und nördlich der Donau). Zu empfehlen wäre gleichfalls, dass ein Augsburger Römisches Museum im Zusammen­hang hiermit den Neuling selbstlos über weitere Römer­museen und -stätten in den so einge­grenzten Gebieten infor­miert. Auch allerdings sollte ebenso klar vermittelt werden, wo genau in Augsburg zunächst das römische Soldaten­lager entstand, an dessen Stelle sich später das prächtige Zentrum der Zivilstadt entfaltete. Nachdem nun seit den neunziger Jahren des letzten Jahr­hunderts eben dieser lang verborgen geblie­bene Ort durch Grabungen aufgedeckt wurde, müsste er auch in einem neuen Römischen Museum nicht verheim­licht werden, wobei es indessen seltsam wirken würde, wenn detaillierte, indirekt zur Selbst­erkundung jenes Geländes auf­fordernde Beleh­rungen innerhalb von Räum­lich­keiten etwa des Ballen­hauses (oder war eine ‚Basilika‘ gemeint?) oder des Prediger­berg­areals erfolgten und gleich­zeitig bekannt wäre, dass man das Museum selber an den gesuchten Ort hätte verlegen können.

Vielerlei kleinere museale Römer­stätten sind in den letzten Jahren und Jahr­zehnten am Limes und in seinem weiten Hinter­land aufgrund von Grabungs­funden und/oder Rekon­struk­tionen von Baulich­keiten entstanden. Allemal ist die örtliche Bewandt­nis dieser Stätten klar. Es gibt indessen auch Römer­museen von größerem Umfang und Zulauf wie etwa, um weiterhin südlich der Donau zu bleiben, die Archäo­logische Staats­sammlung in München (Lerchen­feldstr. 2), im Stuttgarter Alten Schloss und in Karlsruhe (wiederum in einem Schloss, hier für den Landesteil Baden). Dort kann man Samm­lungen besich­tigen, die durch das Zusammen­ziehen von Grabungs­funden aus weitestem Umkreis zustande kamen und fortlaufend ergänzt werden, und zwar auf Initiative der Landes­regie­rungen als Rechts­nach­folger von Landes­fürsten und Königen, die einst mit dem weit­reichenden Zusammen­ziehen begonnen hatten. Völlig ungewiss ist dabei, ob überhaupt jemals ein Römer seinen Fuß auf den Boden dieser Museums­orte beziehungs­weise spät ent­standenen Landes­haupt­städte gesetzt hatte. Schon durch die Ansied­lung der im Rang minde­stens gleich­wertigen Augsburger Bestände in der Karmeliten­gasse sollte man bei unkundigen Besuchern bezüglich der Herkunft und des Zustande­kommens der Institu­tion nicht die leisesten Zweifel aufkommen lassen.

Sodann sollte der bildungs­beflissene Neuling vor einer Gefahr bewahrt werden, die ihm aus geo­gra­phischen Gründen nicht in den alten Provinz­haupt­städten Köln, Mainz oder Trier droht, dafür aber in Augsburg umso mehr, weil, wie der Volksmund sagt, das Schönste an Augsburg der nächste Zug nach dem äußerst nahen München ist. Denn München (wir übergehen Frankfurt und Berlin) verfügt nicht nur über die schon genannte Archäo­logische Staats­sammlung mit soge­nannten provinzial­römischen Beständen, unter denen sich auch beacht­liche Stücke aus Augsburg befinden, sondern darüber hinaus, wenige Minuten vom Haupt­bahnhof entfernt, in Form der um den Königs­platz grup­pierten, in antiki­sieren­dem Stil errich­teten Bauten – Propyläen, Glyptothek, Staatliche Antiken­samm­lungen – über ein städte­bauliches Highlight, das eine gewaltige Sammlung herrlich­ster Werke der klassischen Antike beher­bergt, studierbar nach Gattungen (Skulpturen, Vasen­malerei u.a.), Herkunfts­ländern und -regionen (Griechen­land, Italien, darunter Etrurien) und Perioden (archaische Zeit, klassische Zeit, Spätzeit). Zusätzlich sorgt eine an der vierten Platzseite unter­gebrachte, umfäng­liche Abguss­sammlung dafür, dass nichts von dem fehlt, was von antiken Werken je Rang und Namen hatte. Auch von dieser Gegeben­heit des qualita­tiven Schatten­wurfs aus München her wäre es also geboten, die provinzial­römischen Bestände Augsburgs durch die genannte Stand­ort­anbindung (Karmeliten­gasse) unange­messenen Vergleichen und Miss­ver­ständ­nissen konsequent zu entziehen. Wer sich in Münchens Glyptothek studierend in die Werke versenkt, denkt ja nicht daran, dass diese zum größten Teil erst im 19. Jahr­hundert, voran mit den Mitteln des Bayern­königs Ludwig I., auf dem freien Markt teuer erkauft und über die Alpen herbei­geschafft wurden.

Ferner spricht für die Karmeliten­gasse das Motto, welchem gemäß zusammen­wachsen sollte, was zusammen­gehört. Hierbei spielt eine Rolle, dass, mittler­weile kaum bestreit­bar, das Christen­tum in Augsburg noch während der Römerzeit Anklang und Aus­breitung fand. Zwar ist noch immer nicht ganz klar, ob es bereits zur Römerzeit zu einem Bischofs­sitz kam oder ob ein solcher erst zur Karolinger­zeit gegründet – oder aber nach Unter­brechung wieder­gegründet – wurde, doch bleibt dabei vorerst entschei­dend, dass sich der Augsburger Dom in Über­ein­stimmung mit allge­meinen Verhält­nissen eindeutig innerhalb der Grenzen der ehe­maligen Römer­stadt erhebt. Da man beileibe kein Christ sein muss, um sich stark dafür zu inter­essieren, wie und wo die Christen in Deutschland ihre ersten raren und bedeu­tenden Zentren hatten, sollte ein neues Augsburger Römisches Museum nicht mit optischen Hinweisen darauf sparen, dass so manches anfänglich beschei­dene Dom­gebäude links des Rheins und südlich der Donau noch in einer Ecke des Soldaten­lagers entstand – verwiesen sei stell­ver­tretend hierfür auf Straßburg und Regensburg −, während in anderen Fällen, und hierzu gehören die schwester­lichen Provinz­haupt­städte Köln, Mainz und Trier, der Dom in die außerhalb des Lagers befind­lichen, zivilen Anhängsel, die soge­nannten vici, zu stehen kam. Dort verleugnen die heutigen Verhält­nisse (= Entfernung des Museums zum Dom innerhalb des alten römischen Areals) die ehe­maligen keineswegs, und eher kann man sie im Fall von Köln mit dem Tür-an-Tür von gewaltigem Dom und Römisch-Germani­schem Museum als etwas über­trieben emp­finden, doch müsste es nicht wenig befremden, wenn man nun in Augsburg für das Museum eine Standort­wahl träfe (Basilika, Prediger­berg), die am Ende noch dazu verführte, die alten Zusammen­hänge eher zu ver­schweigen statt offenzulegen.

Vorderhand kann der Augsburger Dom mit seinen verschie­denen mittel­alter­lichen Bauphasen sehr behilflich beim Ver­ständnis dafür sein, warum es in Augsburg – im Unter­schied haupt­sächlich zu Trier, teils aber auch etwa zu Köln oder dem näher gelegenen Regensburg – kaum originales auf­gehendes römisches Mauerwerk zu sehen gibt. Denn von späterem fleißigem Abbau und Wieder­ver­wendung römischen Bau­materials kündet klar die von der Kornhaus­gasse sichtbare Wand des Nord­quer­hauses des Doms. Auch etwa die kreis­runde Basis, auf welcher der mehr­eckige große Ostchor aus Ziegeln aufge­mauert wurde, soll aus Römer­quadern bestehen (um nur einige der bekannten Stellen der Wieder­ver­wendung römischen Stein­materials im heutigen Innen­stadt­gebiet zu nennen). Insoweit würde also schon, die Wand­lungen im Bereich der Religion einmal beiseite­gelassen, das örtliche Zusammen­spiel eines Römischen Museums in der Karmeliten­gasse mit dem Dom das Augsburger Manko gegenüber rheinischen Römer­städten in einem milderen Licht erscheinen lassen.

Hintergrundkarte: © Bayerische Vermessungsverwaltung (2025), Datenquelle: Geoportal Bayern www.geoportal.bayern.de

Vorangegangen war der mittel­alter­lichen Wieder­ver­wendung allerdings ein Phänomen, das allgemein den Niedergang des Römer­reiches begleitete und sich rund um das Mittelmeer beobachten lässt: Die Städte schrumpften bevölkerungs- und flächen­mäßig; selbst Rom war davon nicht ausge­nommen. In unserer Augusta wurde die nördliche Begrenzung, die im Winkel von Heinrich-von-Buz- und Sebastian-Straße im niederen Teil der heutigen Pfannen­stiel­wiese verlief, weit auf jene Linie zurück­gezogen, die heute, von West nach Ost, Kohler- und Jesuiten­gasse sowie Äußeres Pfaffen­gässchen bilden. Die südliche Begrenzung blieb die Linie Hafnerberg – Obstmarkt – Mauerberg.

Es versteht sich nun von selbst, dass ein in der Karmeliten­gasse befindliches Römisches Museum zu Erkun­dungen der Umgebung einlädt. Schon wenn es dabei allein um den Grund dafür gehen sollte, warum die Römer sich zur Anlage des Lagers jenes Areal aussuchten, auf dem das Museum steht, so braucht es, um die Eignung des Sporn­geländes zwischen Lech und Wertach nicht nur über Plan­zeichnungen, sondern auch unmittelbar nach­voll­ziehen zu können, an sich nur den kurzen Weg zum beein­druckenden Steil­abhang bei der Schweden­mauer, während empfehlens­werter der längere und durchaus roman­tische Spazier­gang ist, der an St. Stephan und am Gallus­kirchlein vorbei, sodann das Gallus­bergle hinab und die Herwart­straße entlang bis zum Luegins­land führt oder besser noch darüber hinaus bis zu dem spitz­bogigen Durchlass an der Stadtmauer bei der Thomm­straße, bei dem das Areal der Pfannen­stiel­wiese in den Blick kommt. Dass letzteres selbst gern Gedanken zu seiner Aufbe­reitung im Sinne eines Römer­stadt­geländes anregt, ist bekannt, soll hier aber nicht Thema sein, da in dieser Frage keine Eile geboten ist.

Soweit nur erste Argumente für die Platzierung des Museums an die Stelle des Soldaten­lagers und des nach­folgenden Zivil­stadt­zentrums. Von vorn­herein und elementar wären schon leiseste Zweifel über die Natur der Institution ausge­schlossen. Nicht dass man während der ‚Ära Dominikaner­kirche‘ ernsthaft hätte fragen müssen, ob die Exponate tat­sächlich aus dem Erdboden ergraben wurden; dennoch wirkten diese dort immer eher ein wenig so, als wären sie vom Himmel gefallen. Und noch das Cover des 1985 erschie­nenen, äußerst ertrag­reichen Katalogs mit dem Titel „Die Römer in Schwaben – Jubiläums­aus­stellung 2000 Jahre Augsburg“ schickte mit der Abbildung zweier schön gewandeter männlicher Relief­figuren eines großen römischen Grabsteins das damalige Museum unfrei­willig in eine nicht sehr heilsame Kon­kurrenz mit Kunst­institu­tionen (natürlich auch mit dem nahe­gelegenen Schaezler­palais). Dabei wäre es auch in der Karmeliten­gasse niemandem benommen, von den Falten­verläufen bei den Relief­figuren zu schwärmen, aber weniger bezweifel­bar, dass man – unter anderem mit derart tollen Zeugnissen wie jenem Grabstein – in der Ausgangs­ära der allein schon aufgrund ihrer zeitlichen Länge sehr raren Augsburger Stadt­geschichte steht.

Nachdem der zeitliche und örtliche Ausgangs­punkt der Augsburger Stadt­geschichte klar einkreis­bar ist, stellt sich die Frage, wie die weitere Ent­wicklung verlief. Wie erahnbar angesichts der drei Nullen, die den Gesamt­zeitraum bis heute mit­beziffern, ist mit Dunkel­zonen zu rechnen und Bescheiden­heit bei den Erwar­tungen nach Auf­hellung angesagt. Allerdings hält die Augsburger Geschichte an Allein- und Rarstellungs­merkmalen, die einer musealen Präsen­tation würdig wären, nicht nur die Römerzeit parat. Doch davon Näheres in der nächsten Folge!


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