Taxi-Affäre: “Wenn es der Wahrheitsfindung dient”
40 Zuschauer und 10 Journalisten füllten am gestrigen Mittwoch beim Prozess gegen Stadtrat Tobias Schley und zwei Mitangeklagte den Saal 136 im Gögginger Justizgebäude bis auf den letzten Platz. Neben einem Entlastungszeugen in der Taxi-Affäre traten zehn Stadträte als Zeugen auf, um einen Beleidigungsvorwurf gegen Schley zu erhellen. Ein Urteil fiel nicht.
Von Bruno Stubenrauch
Zu Beginn des dritten Verhandlungstages, an dem es eigentlich nur um den Beleidigungsvorwurf gegen CSU-Stadtrat Tobias Schley gehen sollte, wurde ein von der Verteidigung benannter Entlastungszeuge in der Taxi-Affäre vernommen. Der 50-Jährige, ein Kollege des in den nächtlichen Streit im Dezember 2011 verwickelten Taxifahrers, war auf eher ungewöhnliche Weise zum Zeugen vor Gericht avanciert: Er war mit seinem Wissen nicht zur Polizei gegangen, sondern hatte sich Stadtrat und Gastronom Leo Dietz anvertraut, bei dem er Stammgast ist und der quasi als “Kummerkastenonkel” fungierte.
Er sei damals kurz nach dem nächtlichen Vorfall von dem Taxi-Kollegen, den er nur als “Charly” kennt, angesprochen worden, so der Gast letzte Woche zu Dietz. “Charly” habe erzählt, er hätte mit einem Stadtrat und dessen zwei Bekannten “Stress gehabt wegen drei Euro”. Dabei sei er geschubst worden dass seine Brille runterfiel, “aber nicht von dem Stadtrat, sondern von den anderen”. Im Radio habe er letzte Woche von einer ganz anderen Aussage des Taxifahrers gehört, nämlich dass Stadtrat Tobias Schley zugeschlagen habe. “Das passt nicht”, hatte der Stammgast zu Leo Dietz gesagt.
“Das passt nicht”
Dietz, nach eigener Aussage mit Schley sehr eng befreundet, informierte daraufhin Tobias Schley und dessen Anwalt, der für die Ladung des Taxifahrers vor’s Gericht sorgte. Dort wiederholte der Zeuge gestern seine Schilderung des Gesprächs mit dem Taxi-Kollegen. Der Staatsanwältin war deutlich anzumerken, dass die Aussage nicht in ihr Bild des nächtlichen Vorfalls passte: Sie zweifelte den genannten Betrag von drei Euro an und gab dem Zeugen am Ende der Vernehmung ein abwertendes “Die Konsequenzen Ihrer Aussage müssen Sie selber tragen” mit.
In den folgenden sechs Prozess-Stunden gerieten die beiden Mitangeklagten in der Taxi-Affäre erneut zu Statisten, wie bereits am zweiten Verhandlungstag. Thema war ein nur gegen Tobias Schley erhobener Vorwurf: Er soll in einer Stadtratssitzung am 1. März 2012, als sein Kollege Dr. Rudolf Holzapfel (Pro Augsburg) gerade eine Rede hielt, den vor ihm sitzenden Karl Heinz Englet angesprochen und “so ein Arschloch” gesagt und damit Rudolf Holzapfel gemeint haben. Holzapfel, der selbst davon nichts mitbekam, erstattete nach Hinweisen von zwei Stadtratskollegen und einem gescheiterten Ausspracheversuch mit Schley, der alle Vorwürfe abstritt, Anzeige.
Keine Korrelation zwischen persönlichen Animositäten, Parteizugehörigkeit und Gehörtem
Insgesamt neun Stadträte, die in der fraglichen Sitzung alle unmittelbar um Tobias Schley herum saßen, sowie der vorgeblich Beleidigte selbst mussten gestern als Zeugen antreten. Dabei erfuhren Gericht und Zuschauer eine Menge über die Befindlichkeiten der Stadträte untereinander. Das persönliche Verhältnis der Kollegen zu Tobias Schley wurde in der ganzen Bandbreite von “kollegial” über “neutral”, “nicht gut” bis hin zum “Nichtverhältnis” beschrieben. Zwischen persönlichen Sym- bzw. Antipathien und Gehörtem gab es jedoch keinerlei Korrelationen. Auch die Parteizugehörigkeit schien das Gehör der Zeugen nicht beeinflusst zu haben.
Dr. Dimitrios Tsantilas, der ein “Karl Heinz, Karl Heinz, so ein Arschloch” gehört hat, passt als CSM-Mitglied nicht in das in regionalen Medien gezeichnete Bild eines bevorstehenden Koalitionskrachs zwischen CSU und Pro Augsburg. Dass “CSM” wiederum nicht gleichbedeutend mit “Belastungszeuge” ist, zeigte die Aussage von Claudia Eberle, die nur ein “Karl Heinz” und sonst nichts weiter gehört hat. Die Koalitionäre von Pro Augsburg, Beate Schabert-Zeidler und Dr. Rolf Harzmann haben ebenfalls nichts Beleidigendes gehört.
Von Parteifreund belastet
Belastet wurde Schley dagegen von seinem CSU-Parteikollegen Peter Uhl, der ein “Du Karl Heinz, er meint dich, dieses Arschloch” gehört hat, abweichend von Dr. Tsantilas aber nicht während der Rede von Dr. Holzapfel, sondern erst während der darauf folgenden Antwort von Bürgermeister Hermann Weber. Dies veranlasste Schley-Verteidiger Dr. Richard Beyer zu der Frage an den Zeugen, ob mit “Arschloch” nicht Bürgermeister Weber gemeint gewesen sein könnte, was Uhl verneinte. Keine Äußerungen von Schley gehört haben Hedwig Müller, Andreas Jäckel und Ralf Schönauer (alle CSU) und der parteilose, von Schley angeblich direkt angesprochene Karl Heinz Englet.
Tonaufzeichnung bringt keine Erkenntnisse
Nichts zur Erhellung der Beleidigungsvorwürfe leistete eine Tonaufzeichnung aus der Stadtratssitzung, die sich das Gericht anschließend anhörte. Zu hören waren neben den normalen Redebeiträgen der Stadträte nur allgemeine Hintergrundgeräusche. Aufgrund der aufgezeichneten sachlichen Rede von Dr. Holzapfel gab Verteidiger Dr. Beyer zu bedenken, dass zu keiner Passage ein Kommentar “er meint dich, dieses Arschloch” passe und stellte damit insbesondere die Aussage von Peter Uhl infrage. Der polizeiliche Ermittler, der die Tonaufzeichnung von der Stadt angefordert und überprüft hatte, räumte ein, “auf dieser Aufnahme” sei “nichts bezüglich einer Beleidigung zu hören”. Anstrengungen, aus der Aufnahme technisch etwas herauszufiltern, seien allerdings nicht unternommen worden.
Zum Ende der fast siebenstündigen Verhandlung stellte Verteidiger Dr. Beyer einen dreiteiligen Antrag: Er regte ein Sachverständigengutachten an, um aus der städtischen Tonaufzeichnung technisch mehr herauszuholen. Außerdem sei es sinnvoll, die Bänder des Polizeinotrufs einzuholen, auf denen zwei Anrufe in der Nacht des Vorfalls verzeichnet sein müssten. Damit habe man eine weitere Zeugenaussage. Zudem wolle er den Taxifahrer noch einmal im Zeugenstand haben und mit der heutigen Aussage seines Kollegen konfrontieren. Dafür erhielt Beyer von der Staatsanwältin die Höchststrafe in Form eines Zitats des 2010 verstorbenen APO-Aktivisten Fritz Teufel: “Wenn Sie meinen, dass es der Wahrheitsfindung dient …”. Der Prozess wird am 6. November 2012 um 8.30 Uhr im Saal 101 im Justizgebäude an der Gögginger Straße fortgesetzt.
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