Taxi-Affäre: Belastungseifer am zweiten Verhandlungstag
Vierter Nachtschwärmer passt nicht ins Bild – Tobias Schley sollte 2.000 Euro an Zeugen bezahlen
Nicht drei, sondern vier Personen sind an dem Dezemberabend im Jahr 2011 um die Häuser gezogen, an dem ein Taxifahrer vergeblich fünf Euro forderte und an dem es im Nachgang zu Handgreiflichkeiten kam. Dies war eines der Ergebnisse der Zeugenvernehmung in einem Prozess, in dem Stadtrat Tobias Schley (CSU) und zwei seiner Begleiter wegen versuchter räuberischer Erpressung angeklagt sind.
Von Bruno Stubenrauch
Der Vierte scheint sich allerdings wie ein Gespenst durch die nächtliche Szenerie bewegt zu haben, als es zu der verhängnisvollen Auseinandersetzung zwischen den drei Angeklagten, dem Taxifahrer und vier Türstehern kam. Er war vom Großteil der Akteure und auch der Polizisten weder wahrgenommen worden, noch wurden in der fraglichen Nacht seine Personalien und Aussagen aufgenommen. Dabei schien er immer unmittelbar an den Orten des Geschehens gewesen zu sein. Auch auf den Fotos, die die Polizei in der fraglichen Nacht geschossen hat, war er deutlich zu sehen. Von der Polizei vernommen wurde er aber erst auf eigene Initiative, gut zwei Wochen nach dem Vorfall.
“Ich war da”
Schon damals passte die Aussage des Mannes, der sich als mit Schley gut befreundet bezeichnet und Amtsträger in einem CSU-Ortsverband ist, nicht recht ins Bild, das sich die Ermittler aufgrund anderer Aussagen bereits gemacht hatten. Auch Amtsrichter Michael Nißl war am gestrigen Dienstag sichtlich irritiert bis verärgert über dessen Schilderungen und ging den Zeugen hart an: “Ich weise Sie darauf hin, dass das hier keine Farce-Veranstaltung ist”. Bei falschen Aussagen würden ihm auch beste Beziehungen und politische Ämter gar nichts nützen.
Lautstark hielt er dem Zeugen seine bei der Polizei getätigte, anders lautende Aussage vor. Diese stammte allerdings von einem anderen Zeugen. Erst nachdem er von Schley-Verteidiger Dr. Beyer deutlich auf seine Verwechslung hingewiesen wurde, ruderte der Richter wieder zurück. Aber weder von diesem versehentlichen Ausraster noch von anderweitigen Zweifeln an seinen Aussagen bis hin zu Zweifeln an seiner Anwesenheit vor Ort ließ sich der Zeuge beirren: “Ich war da”, sagte er bestimmt.
“Tobias Schley hat nichts gemacht”
Tobias Schley habe “nichts gemacht”, so der Zeuge. Der Taxifahrer und sein junger Fahrgast, die sich nach dem Aussteigen des Fahrgastes gegenseitig an der Jacke hielten, wären beim Rückwärtsgehen gestolpert und gestürzt, kurz darauf sei der Vater des Fahrgastes hinzugeeilt und habe sich zu den am Boden Liegenden hinunterbegeben. Schley, der als letzter hinzukam, habe nur seine beiden Freunde hochgezogen. “Weg jetzt hier”, habe er gerufen.
Als die Türsteher hinzukamen, habe er Schley wiederholt aufgefordert, sich nicht einzumischen und ruhig zu bleiben, so der Zeuge. Auch das Verhalten Schleys beim Eintreffen der Polizei schilderte er anders als die Beamten. Schley habe sich nicht entfernen wollen, wie einer der Polizisten ausgesagt hatte. Er habe einen ruhigen, eher apathisch wirkenden Schley in Erinnerung, der sich “hinter seinem Handy versteckt” habe. Schley habe telefoniert und sei dabei “ein bißchen im Kreis gegangen”. Er habe aber nicht gesehen, dass Schley sich entfernen wollte.
“Ein erster Lichtblick in der Auseinandersetzung”
Tobias Schley selbst schilderte sein Verhalten gegenüber der Polizei ähnlich. Er sei von der Situation “innerlich angefressen” und zunächst “sehr reserviert” gegenüber der Polizei gewesen. Er habe sich nicht als Beteiligter, sondern als Zeuge der Situation gefühlt. Während seiner Telefonate, die er in diesem Moment mit der Geschäftsleitung des Yum Clubs wegen des Eingreifens der Türsteher geführt habe, sei er “immer in Bewegung”, gewesen, aber nicht “im Sinn von Weggehen”. Nachdem er vom ersten Polizeibeamten “sehr resolut” angegangen worden sei, habe er den nächsten Kontakt mit einer Polizistin als “richtige Wohltat” und “ersten Lichtblick in der Auseinandersetzung” empfunden und ihr dann auch seine Personalien gegeben. Dies allerdings nicht sofort, wie auch die Polizeibeamtin aussagte, sondern erst, “nachdem sie mich aufgeklärt hat, dass sie berechtigt ist, die Personalien von mir zu bekommen”.
Belastungseifer und Recherchefreudigkeit
Die beiden Mitangeklagten gerieten am gestrigen Verhandlungstag fast völlig zu Statisten. Der gesamte Prozess schien sich nur noch um Tobias Schley zu drehen. Wie weit der Belastungseifer im Zug der Ermittlungen gegen den Stadtrat ging, zeigte gestern die Aussage des Beamten, der im Dezember 2011 mit der Vernehmung der Beteiligten befasst war: Nach ersten medialen Äußerungen von Tobias Schley zum Vorfall habe man seine Telefondaten ausgewertet. Entgegen Schleys Angaben, er habe damals zwei je fünfminütige Telefonate mit Journalisten der Augsburger Allgemeinen geführt, habe sich ergeben, dass er “16 Minuten mit Herrn Heinzle und 52 Minuten mit Herrn Hörmann” telefoniert hat.
Aber auch die Verteidigung erwies sich gestern als recherchefreudig. Schley-Verteidiger Dr. Richard Beyer beantragte, die Inhalte der Facebook-Seite eines der Türsteher sicherzustellen. Dort hätten sich Hinweise auf ein Treffen der vier Türsteher “bei MacDonalds” am Abend vor dem ersten Prozesstag gefunden. Erst als der Chef der Türsteher das Treffen, das tatsächlich in einem Gögginger Schnellrestaurant stattgefunden hatte, einräumte, zog die Verteidigung den Antrag zurück. Zweck des Treffens soll aber nach Angaben des Chefs nicht die Absprache von Zeugenaussagen gewesen sein. Vielmehr habe er seinen Mitarbeitern versichern wollen, dass sie ihren Arbeitsplatz behalten würden und keine Angst vor einer wahrheitsgemäßen Aussage haben müssten. Für die Verteidigung war diese Einlassung wenig glaubwürdig: Einer der Türsteher, der beim Treffen war, sei nämlich gar nicht mehr bei dem Unternehmen beschäftigt.
Die Türsteher wollten 2.000 Euro von Schley
Vollends in schiefes Licht gerieten die Türsteher, als Tobias Schley von “abgesprochenen Ausagen” sprach. Die vier hätten bei ihren Aussagen “wortgleiches Vokabular” benutzt und seien in der Grundtendenz einig gewesen, “dass ich der Aggressivste gewesen sein soll”. Er wundere sich, warum er dann nicht – wie seine beiden Mitangeklagten – ebenso am Boden “fixiert” worden sei. Besonders die mehrfache Verwendung des Ausdrucks “aggressive Arroganz” habe sich für ihn abgesprochen angehört.
Dann berichtete Schley von einem Angebot der Türsteher, das ihm einer der Geschäftsführer des Yum Clubs auf Vorschlag des Chefs der Türsteher übermittelt habe: Er solle an diese viermal 500 Euro bezahlen, “dann würde ich eine freundliche und wohlwollende Aussage bekommen”. Dieses Angebot habe er als “dickes Ei” sofort vehement abgewiesen, da er ein absolut reines Gewissen gehabt habe. “Gestern habe ich dafür die Quittung bekommen”, so Schley unter Bezug auf die Zeugenvernahme der Türsteher am Vortag.
“Alles ein bisschen komisch”
Die 2000-Euro-Forderung, die in einem Gespräch am Tag nach dem nächtlichen Vorfall zwischen der Yum-Club-Geschäftsleitung, den vier Türstehern und ihrem Chef entstanden sein soll, war am Nachmittag der Verhandlung noch mehrfach Gegenstand der Zeugenvernehmungen. Während der Yum-Club-Geschäftsführer, der das Angebot nur übermittelt hat, noch einräumte, dass es sich um eine Geldzahlung handeln sollte, nach der Herr Schley “anders behandelt werden” sollte und ihm das Besprochene “alles ein bisschen komisch” vorkam, bezeichnete der Chef der Türsteherfirma die Geldforderung als außergerichtlichen Einigungsversuch über zivilrechtliche Ansprüche seiner Mitarbeiter für eine teure zerrissene Jacke und Schmerzensgeld für die erlittenen Körperverletzungen. “Viermal 500 Euro” könne in diesem Zusammenhang gefallen sein. Auf Anraten des Richters machte er auf Nachfragen der Verteidigung von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, um sich nicht selbst zu belasten.
Der Prozess wird am kommenden Mittwoch, 24. Oktober um 9.00 Uhr im Saal 136 des Justizgebäudes in der Gögginger Straße 101 fortgesetzt. Dann soll auch ein weiterer Vorwurf – nur gegen Tobias Schley – Gegenstand der Verhandlung sein: Schley soll seinen Stadtratskollegen Dr. Holzapfel während einer Sitzung beleidigt haben.