Stürmisch: Das erste Sinfoniekonzert der neuen Spielzeit
Nach Dirk Kaftan verabschiedet sich die Konzertmeisterin mit einem fulminanten Soloauftritt vom Augsburger Publikum.
Von Halrun Reinholz
Stürmisch war es zugegangen vor den Theaterferien, als das Theater einen neuen Generalmusikdirektor suchte. Probedirigate wurden vom Publikum aufmerksam verfolgt, Namen machten die Runde, doch keiner das Rennen. Eine neue Runde steht an. Wie bereits in der letzten Spielzeit hat sich Kaftan um hochrangige Dirigenten und Solisten bemüht, das Sponsoring von MAN Diesel & Turbo macht es möglich. Und genau wie in der letzten Saison sind die Abende wieder thematisch ausgelegt. „Stürmisch“ also zum Einstieg.
Kanonendonner und Glockengeläut
Dirk Kaftan hat, sicherlich passend zur Jenufa-Premiere vor zwei Wochen, Leos Janaceks Sinfonietta op. 60 für das Programm ausgewählt. Vorgegeben war auch das Violinkonzert D- Dur op. 35 von Tschaikowsky. Die Solistin Yehye Lee, eine mädchenhaft jugendlich wirkende Südkoreanerin, ist dem Augsburger Konzertpublikum bekannt: Eine Spielzeit lang war die ehemalige Preisträgerin des Leopold-Mozart-Violinwettbewerbs Konzertmeisterin und fiel durch ihre Stiletto-Absätze auf, wenn sie zum Einstimmen vor dem Orchester stand. Diesmal kam sie als Solistin und zeigte einem jubelnden Publikum alle Facetten ihres großen Könnens. Ihre Verbeugung galt immer zuerst den ehemaligen Orchesterkollegen, bevor sie die Ovationen des Publikums entgegennahm.
Salemkour: problematische politische Stellungnahme vor dem Konzert
Dirigent Julien Salemkour, ein erfahrener Musiker ehemals Assistent von Daniel Barenboim, ergänzte das Programm um ein weiteres Stück von Tschaikowsky, die Festouvertüre „Das Jahr 1812“. Im Vorab-Interview mit der AZ verband er dieses Stück mit den Ereignissen in der Ukraine und dem damit einhergehenden „Russland-Bashing“ der deutschen Medien, wogegen er einen Akzent setzen wolle. Der Kanonendonner und das Glockengeläut der siegreichen Russen gegen Napoleon ist sicher nur bedingt vergleichbar mit der heutigen Situation in Russland und Stellungnahmen der Kunstschaffenden zur Politik nicht nur in diesem Fall problematisch. Einen Denkansatz bietet das Stück (auch) unter diesem Gesichtspunkt jedoch zweifellos, zumal zum Thema „stürmisch“. Vor allem auch, weil in dem nach der Pause folgenden Janacek-Stück ebenfalls die Befreiung eines Landes thematisiert wird – der Tschechen von der österreichischen „Fremdherrschaft“, wie sie Janacek empfand. Stürmische Zeiten hat es immer gegeben.
Das treue Kaftan-Publikum erwies den Musikern auch in der Interimszeit die gewohnte Referenz, die Kongresshalle war zumindest gut gefüllt. Weitere Probedirigate werden bei den nächsten Konzerten für erhöhte Spannung sorgen.