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Freitag, 22.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

„Steuererhöhungen in Augsburg, insbesondere der Gewerbe- und Grundsteuer lehnen wir ab“

Die oben angeführte Überschrift ist ein Zitat aus dem Wahlprogramm Kurt Gribls und der CSU, die mit den angekündigten Steuererhöhungen ihre politische Reputation aufs Spiel setzen. Die politische Stadt schaut auch deshalb auf eine aufregende Berichterstattung der Augsburger Medien zurück. Im Mittelpunkt der vergangenen Woche stand Augsburgs Bürgermeisterin Eva Weber, die mit ihrer Aussage, dass man an Steuererhöhungen nicht vorbei komme, im Fokus der Kritik stand.



Von Siegfried Zagler

Wer zieht ein, wer muss draußen bleiben. Heute entscheidet der Bürger über seine 61 Vertreter im Augsburger Rathaus.

Die DAZ berichtete bereits am 7. Januar, dass Steuererhöhungen ins Haus stehen. Kurz darauf zündete Wolfgang Bublies einen Vernichtungskommentar, dann kam die Augsburger Allgemeine und die Stadtzeitung in die Gänge. Die politische Woche geht in diesem Fall von Sonntag bis Sonntag. Am heutigen Sonntag erinnert die DAZ an die Versprechen von Kurt Gribl und der CSU, die vor der Kommunalwahl unmissverständlich Steuererhöhungen ausschlossen, also politische Kernaussagen trafen, die mit dem heutigen Tag als „Wahlkampf-Wahrheiten“ und somit als taktische Politiker-Lügen zu klassifizieren wären – falls sich Eva Weber mit ihren Vorschlägen zur Steuererhöhung im März-Stadtrat durchsetzen sollte. Für DAZ-Leser gibt es am heutigen Sonntag eine kommentierte Presserückschau mit dem exklusiven Informationszusatz, wie sich CSU und Oberbürgermeister Kurt Gribl vor der Wahl in Sachen Steuererhöhungen positionierten.



Sonntag, 10. Januar:


Boulevardjournalist Wolfgang Bublies griff in seinem Sonntagsblatt die Pläne der Stadtregierung, die Gewerbesteuer und die Grundsteuer B zu erhöhen, frontal an und bezeichnete das Vorhaben der Stadtregierung als „ein Armutszeugnis“, da „den Verantwortlichen, die in den letzten Jahren über die Verhältnisse investiert haben, offenbar nichts besseres einfällt, als Firmen und letztendlich natürlich die Bürger zu schröpfen.“ Außerdem sei es in diesem Zusammenhang scheinheilig, auf die Empfehlung der Regierung von Schwaben zu verweisen. „Die Regierung von Schwaben hat im wesentlichen die Misswirtschaft der Augsburger Stadtregierung deutlich gemacht“, so Bublies, der sich mit dem Schlusssatz eines vernichtenden Kommentars das Urteil des Grünen Finanzexperten Christian Moravcik zu eigen machte: „Eine Stadtregierung, die solche Entscheidungen trifft, handelt alles andere als verantwortungsvoll.“

Moravcik bezog sich mit seiner gleich lautenden Bewertung im DAZ-Interview zwar auf die geplante Neuverschuldung bezüglich der Theatersanierung, doch im Grunde feuerten zwei „unverdächtige“ Persönlichkeiten der politischen Stadt mit der gleichen Kanone eine Breitseite auf Finanz- und Wirtschaftsreferentin Eva Weber, die sich zu ihren Haushaltsplänen 2016 zu diesem Zeitpunkt öffentlich noch nicht geäußert hatte.

Montag, 11. Januar:

Am Montag wurde in der Lokalredaktion der Augsburger Allgemeinen wohl die Entscheidung getroffen, sich mit aller Kraft auf das Steuererhöhungsthema zu stürzen. Es sollte eine erhellende Berichterstattung folgen.

Mittwoch, 13. Januar:

Am Mittwoch starteten die „Weber-Ausgaben“ der Augsburger Allgemeinen. („Stadt greift Bürgern in die Taschen“). Mit einem Kommentar („So treibt man die Mieten hoch“) und zwei Artikeln gaben Alfred Schmidt und Michael Hörmann reichlich Fleisch in die dünne Suppe – und informierten direkt von der Quelle, die in diesem Fall aus dem Mund von Finanzreferentin Eva Weber sprudelte: An einer Erhöhung der Grundsteuer führe kein Weg vorbei und auch die Gewerbesteuer sei beschlossene Sache, wurde Weber zitiert. Auch wenn der Haushalt erst noch eingebracht werden müsse, gehe Eva Weber davon aus, dass das Dreierbündnis ihrem Haushaltsentwurf, der maximal 16 Millionen Euro Mehreinnahmen durch Steuererhöhungen vorsieht, folgen werde. Und schließlich führte Michael Hörmann Frau Weber noch in die von Bublies antizipierte „Sphäre der Scheinheiligkeit“: „Die Aufsichtsbehörde hat uns für die Haushaltsgenehmigung deutlich ins Stammbuch geschrieben, dass die Hebesteuersätze für die Gewerbesteuer und die Grundsteuer im Vergleich mit anderen kreisfreien Städten unterdurchschnittlich sind und eine Erhöhung sachgerecht wäre. Es geht hier also nicht um Sichtweisen, sondern darum, die Auflagen der Regierung von Schwaben umzusetzen.“ So wurde Augsburgs Bürgermeisterin und Finanz- Wirtschaftsreferentin von der Augsburger Allgemeinen („Bürgermeisterin im Konflikt“) am Mittwoch zitiert.

Donnerstag, 14. Januar:

Gäbe es einen turnusmäßigen Preis für journalistische Leistungen, fiele die Wahl im Januar wohl auf Michael Hörmann. Am Donnerstag legte er im dialektischen Sinne nach und führte in der Augsburger Allgemeinen die Argumente einer mächtigen Gegnerschaft auf: Die Industrie und Handelskammer (IHK), die Handwerkskammer, der Mieterverein durften sich ins Zeug legen, um der Wirtschaftsreferentin Paroli zu bieten. Der Mieterverein warf der Stadtregierung „Konzeptlosigkeit“ vor, die Kammern befürchteten Standortnachteile. („Der Mieterverein schlägt Alarm“). In seinem Kommentar zeigte Hörmann allerdings Verständnis für Eva Webers Pläne, da die Finanznot der Stadt diesen Kurs vorgebe und anders die anstehenden Projekte in Augsburg gar nicht zu finanzieren seien. In der gleichen Ausgabe rechnete Stefan Krog durch, was die geplanten Steuererhöhungen konkret für die Bürger bedeuten würden, da auch die Stadtwerke entgegen ihren Ankündigungen ihre Gebühren für Wasser und Strom deutlich erhöhten. („Das bedeutet die Steuererhöhung für die Bürger“). Der vierte AZ-Artikel in der Donnerstagausgabe in Sachen Steuererhöhung ließ ausführlich die Augsburger IHK zu Wort kommen, die eine überzeugende Fünf-Punkte-Erklärung gegen die Weber-Pläne platzieren durfte. („Die Wirtschaft sorgt sich um den Standort Augsburg“).

Freitag, 15. Januar:

Am Freitag schloss die Augsburger Allgemeine ihre „Weber-Woche“ ab, indem sie Augsburgs Finanzreferentin ausführen ließ, dass die Last der erhöhten Grundsteuer auf „viele viele Schultern“ verteilt werde und der Hebesatz der Gewerbesteuer nicht von 435 auf 475, sondern nur auf 470 Punkte erhöht werden soll. („Finanzreferentin beharrt auf höhere Steuern“). Zusätzlich wurden Statements von Politikern zitiert, die im unbedeutenden politischen Raum agieren, also von Peter Grab (WSA), Volker Schafitel (FW/), Christian Pettinger (ÖDP) und Katrin Michaelis (FDP). In der gleichen Ausgabe gibt sich Chefredakteur Alfred Schmidt als moralischer Ratgeber der Stadtregierung: Wenn er es als passionierter Weintrinker schaffe, ganz auf Alkohol zu verzichten, dann könnten doch auch die Augsburger Politiker „die Wahrheit benennen“. Schmidt versucht mit einem sehr persönlichen Kommentar sein angewachsenes Misstrauen gegenüber einer Stadtregierung zu verarbeiten, deren inzwischen unumstrittener Chef von Schmidt in vielerlei Hinsicht als Oberbürgermeister geschätzt und geschützt wurde, als dieser noch schweres Geschütz von der Opposition und aus den eigenen Reihen zu bewältigen hatte. Möglicherweise rührt aus dieser frühen Einlassung die Zurückhaltung Schmidts, der sein Unbehagen an der Finanzpolitik der aktuellen Stadtregierung wie ein väterlicher Freund zu Papier bringt: „Auch auf lokaler Ebene droht Glaubwürdigkeit zu leiden. Lösungen anzupreisen, die eigentlich keine sind, zahlt sich auf Dauer nicht aus. Das Gemeinwesen in Augsburg steht mehr denn je im Zeichen der Geldknappheit. Und was die Stadt trotzdem alles leistet und noch leisten will!“

Ebenfalls am Freitag erschien in der Onlineausgabe der Stadtzeitung ein flüssig geschriebener und profund recherchierter Artikel von Markus Höck, der die Argumente der Finanzreferentin plausibilisierte: Eva Weber führte aus, dass nach einer ersten verwaltungsinternen Kürzungsrunde immer noch ein Fehlbetrag von 89 Millionen Euro stehen geblieben sei. Nur durch eine „Eigenoptimierung“ und die Erhöhung der Grund- und Gewerbesteuer habe man doch noch einen Ausgleich erzielen können. Das Zahlenwerk wolle sie in der Januarsitzung dem Stadtrat vorstellen. „Und dort werden einige ihre Stimme erheben und gegen die Steuererhöhung schimpfen. Dabei bringt sie gerade mal 17 Millionen Euro ein – und fällt laut Weber gar nicht so gravierend aus.“ Nur 30 Prozent der Augsburger Betriebe bezahlten überhaupt Gewerbesteuer, und davon würden 90 Prozent unter 10.000 Euro liegen. Auch bei der Grundsteuererhöhung, die eine sehr „demokratische Steuer“ sei, weil sie fast alle Bürger mit geringen Beträgen betreffen würde, würde die Belastung  für die meisten Besitzer nicht sehr hoch ausfallen. So lässt sich Eva Webers politische Bewertung ihrer Steuerpläne in der Stadtzeitung zusammenfassen.  („Es wird teurer: Weber dreht an der Steuerschraube“).

Politische Stimmen der Rathausregierung, die sich zumindest theoretisch aus der CSU, der SPD und den Grünen zusammensetzt, wurden weder in der Stadtzeitung noch in neun Artikeln der Augsburger Allgemeinen und auch mit keinem einzigen Satz im Augsburger Boulevardblatt am Sonntag erwähnt. Worüber man sich wundern darf, denn schließlich gibt es in der CSU nicht nur die Junge Union, die sich querlegt, sondern auch eine beträchtliche Zahl Stadträte, die die von Eva Weber dargestellte Alternativlosigkeit ihrer Steuererhöhungsabsichten nicht teilen beziehungsweise die Pläne „maximal kritisch sehen“, wie es aus dem Fraktionsvorstand heißt. Auch für die Grünen ist die Grundsteuer noch längst nicht in trockenen Tüchern, sie werden wohl die Erhöhung der Grundsteuer nicht mitgehen. Auch bei der SPD könnte es in dieser Hinsicht knirschen.

Samstag, 16. Januar:

Auf dem Neujahrsempfang der CSU wird Eva Weber vom CSU-Fraktionsvorsitzenden Bernd Kränzle gerüffelt, indem er sie persönlich begrüßt und mit leicht ärgerlicher Stimme hinzufügt: „Der Gruß mag Ihnen gut tun – der Gruß mag Ihnen gut tun.“ Dann bricht Kränzle ab, zögert ein wenig und lenkt seine Stimmlage in freundlichere Höhen, um den parteipolitischen Schaden lediglich anzudeuten, den Eva Weber mit ihrer Presseoffensive angerichtet hat: „Vielleicht schaffen Sie es ja, dass Sie nächste Woche nicht mehr ganz so oft in der Zeitung stehen.“

Sonntag, 17. Januar:

Oberbürgermeister Kurt Gribl machte in seiner Rede zum Neujahrsempfang deutlich, dass er „voll“ hinter Eva Weber stehe, was nicht weniger verwundert, denn schließlich ist (war) Kurt Gribl ein Politiker, der versessen darauf ist (war), gegebene Versprechen auch einzuhalten. „Bezahlbares und soziales Wohnen“, war einer der großen Slogans im CSU-Wahlprogramm: „Der Druck auf den Wohnungsmarkt wächst. Zur Sicherung bezahlbaren Wohnraum und sozialer Wohnbedürfnisse wird die CSU in ihrem Aktivprogramm ein Bündel aufeinander abgestimmter Maßnahmen umsetzen.“ Mit der Maßnahme „Erhöhung der Grundsteuer B“ treibt man die Mietpreise aber nach oben und verschärft nicht nur die Wohnprobleme der finanziell weniger gut gestellten Familien, darin sind sich alle Experten einig. Schwieriger zu bewältigen ist jedoch für Kurt Gribl (und die CSU) das nicht gehaltene Versprechen, auf Steuererhöhungen zu verzichten: „Steuererhöhungen in Augsburg, insbesondere der  Gewerbe- und  Grundsteuer lehnen wir ab. Ziel muss es sein, stattdessen die Steuerkraft unserer Stadt zu stärken, ohne die Steuersätze zu erhöhen. Wirtschaftlicher Erfolg der  Stadt ist für uns die Basis mehr Einnahmen zu generieren, nicht die Belastung von Bürgern und  Unternehmen zu erhöhen.“ Nachzulesen ist das auf der Wahlkampf-Homepage von Kurt Gribl: http://www.kurtgribl.de/bilanz-plan.html. Am 28. Januar wird der Haushalt im Stadtrat eingebracht. Am 29. Januar geht die CSU in ihre Haushaltsklausur. Im Februar finden die interfraktionellen Haushaltsberatungen statt. Im März soll das Zahlenwerk vom Stadtrat beschlossen werden. Bis dahin sind in dieser Angelegenheit noch schwere und für die Zukunft der Stadt bedeutsame Auseinandersetzungen zu erwarten.