DAZ - Unabhängige Internetzeitung für Politik und Kultur
Mittwoch, 27.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Stereotypen und Klischees

Uraufführung: „Wahlschacht“ im s’ensemble-Theater

Von Frank Heindl

Die Bundestagswahl ist nicht mehr weit – da bietet es sich an, ein Theaterstück zum Thema zu machen. „Wahlschlacht“ heißt die neue Produktion des „S’ensemble-Theaters“. Das Stück von Sebastian Seidel wurde am Samstag im Jakoberturm uraufgeführt.

Drei Männer kämpfen darum, Vorsitzender ihrer Partei der „Mitte“ zu werden, sie werden bei ihrem Vorhaben von ihren Frauen unterstützt, und sie versuchen mit Tricks und Intrigen, sich gegenseitig aus dem Rennen zu werfen. Der Bewerber mit einem wirklichen politischen Anliegen ist als erster aus dem Rennen, Sieger bleibt derjenige, der die langjährigsten Erfahrungen auf dem Gebiet der politischen Ranküne mitbringt, und um Inhalte geht’s bei der Entscheidung natürlich überhaupt nicht.

Das ist wohl das größte Problem an Seidels neuem Stück, bei dem der Autor auch selbst Regie führte: dass man den Plot in zwei Sätzen relativ bündig zusammenfassen kann. Selbstverständlich ist das Stück mit Phantasie inszeniert, selbstverständlich hat der Autor eine engagierte Botschaft, selbstverständlich tun die Schauspieler ihr Bestes – allein, die Story ist zu bekannt, zu alltäglich, zu stereotyp, zu klischeebeladen, als dass sie begeistern könnte. Es braucht nur Minuten, bis dem Zuschauer klar ist, wie die Rollen verteilt sind: „Haudegen“, von Heinz Schulan perfekt als eine Mischung aus Steinmeier und Müntefering gegeben, ist der alte Kämpe, der allzu genau schon weiß, dass man nicht mit Idealen weiterkommt, sondern mit ausgefuchster Taktik. „Blender“, dargestellt von Paul Hanisch, ist der karrierewillige Streber, eine Westerwelle-Nervensäge mit kindischer Siegergestik, immer zum Putsch bereit und am Ende doch zu feige. Und dann ist da noch „Doktor“ (Ronald Hansch) – gerade noch Idealist, aber auch schon anpassungswilliger Aufsteiger. Sein Programm des „Bedingungslosen Grundeinkommens“ hat sich Seidel bei der Münchnerin Susanne Wiest abgeschaut, das diese im vergangenen Jahr beim Petitionsausschuss des Bundestags einreichte – mit großem Medienerfolg und geringer politischer Wirkung. Doch um Inhalte geht es Seidels Politikern, wie gesagt, eher noch weniger als den echten.

Drei Vorsitzende am Wickel ihrer Frau(en): Haudegen (Heinz Schulan), Doktor (Ronald Hansch), Blender (Paul Hanisch) und die Politikerfrau (Daniela Nering). Foto: Eric Zwang-Eriksson

Überspitzung hätte ein Rezept sein können – aber davon wiederum hat das Stück zu wenig, als Satire ist es viel zu zahm. Es ist witzig, dass die Frauen der drei Politiker von einer einzigen Schauspielerin dargestellt werden – auch sie sollen uns als austauschbar vorgestellt werden, bei Daniela Nering geraten sie allerdings allzu einförmig. Aber dieser Witz kann das Stück nicht tragen. Diese Frauen – sind das wir Wähler? Hängen nicht auch wir oft allzu schnell unsere Fähnchen in den Wind des Erfolgs, tun nicht auch wir außergewöhnliche Ideen ohne groß nachzudenken als „undurchführbar“, „utopisch“ und „wirklichkeitsfern“ ab? Oder sind auch diese Frauen nur klischeehafte Abziehbilder, mit deren uns Seidel eine allzu schlichte Interpretation von „Realpolitik“ nahe bringen will?

Dass Politik ein schmutziges Geschäft ist und Politiker Unsympathen sind, wissen wir doch längst – das sind Gemeinplätze. Eineinhalb Stunden Theater hätten wir für diese Erkenntnis gar nicht gebraucht, auch wenn das Ambiente im Jakoberturm natürlich heimelig war und alle Beteiligten ihr Bestes gaben. Spannender wäre gewesen, was einer wie Peter Grab zu sagen hätte zum Thema des Verrats an den Idealen in der Tagespolitik. Aber der Kulturreferent saß schweigend im Publikum – und es steht zu befürchten, dass auch er an diesem Abend wenig dazulernen konnte.

Weiteren Aufführungstermine:

31. Juli sowie 1., 7., 8., 13., 14., 15., 20., 21. und 22. August, jeweils um 20.30 Uhr. Kartenbestellung unter 0821/34 94 666. Jeweils um 18.30 wird entschieden, ob die Aufführungen im Jakoberwallturm (Vogelmauer 46) oder im wetterfesten Theater (Bergmühlstraße 34) stattfinden.

www.sensemble.de